In vielen Unternehmen werden Investitionen in die Prävention kritisch hinterfragt. Die Internationale Vereinigung für Soziale Sicherheit (IVSS) initiierte gemeinsam mit der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) und der Berufsgenossenschaft Energie Textil Elektro Medienerzeugnisse 2010 die Studie «Kosten und Nutzen von Präventionsmassnahmen zu Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz für die Unternehmen». Weltweit wurden 300 Unternehmen befragt, zwölf davon in der Schweiz. Verfasser der Studie waren der deutsche Wirtschaftsprofessor Dietmar Bräunig (siehe Interview) und Thomas Kohstall von der DGUV. Bräunigs Fazit für die Schweiz: Jeder Franken, den ein Unternehmen für die betriebliche Präventionsarbeit ausgibt, macht sich 3,8-fach bezahlt.
Dass Prävention gerade in Grossbetrieben ein «Muss» ist und das Studienresultat den eigenen Erfahrungen entspricht, betont Rolf Simon, Leiter Gesundheitsmanagement bei der Post, die an der Studie teilgenommen hat: «Gesunde und leistungsfähige Mitarbeitende sind das Kapital eines Unternehmens.» Deshalb investiere die Post in das betriebliche Gesundheitsmanagement, sechs der sieben Konzernbereiche sind mit dem weltweit einzigartigen Qualitätssiegel «Friendly Workspace» ausgezeichnet.
Prävention ist Teil der Firmenethik
Auch in kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) macht sich Prävention bezahlt. Davon ist Ueli Steinmann, Vize-
direktor der Aare Seeland mobil AG, überzeugt: «Dank weniger Absenzen und einer längeren vollen Leistungs-
fähigkeit der Mitarbeiter haben wir eine echte Win-win-Situation.» Neben Schulungen, Gefahrenportfolios und Sicherheitsaudits gehört auch die Kunstfigur Oski zur Prävention des Unternehmens. Oski ist ehrlich, menschlich und alles andere als perfekt. Jeden Monat nimmt er in der Hauszeitschrift ein aktuelles Thema auf mit Schwergewicht auf den Bereichen Arbeitssicherheit und Gesundheitsförderung. Steinmann betont zudem, dass Prävention letztlich mit Firmenkultur und Ethik zu tun hat. «Ein Hinweis in einem Leitbild reicht nicht. Der Erfolg stellt sich nur dann ein, wenn die beauftragte Person glaubwürdig ist. Prävention muss gelebt werden.»
Prävention in einem Unternehmen muss authentisch und ehrlich sein, damit sie von den Mitarbeitenden akzeptiert wird. Dietmar Bräunig: «Diese müssen merken, dass sie mit ihren Sorgen und Ängsten, aber auch mit ihren Ideen ernst genommen werden.»
Sicherheit beeinflusst Qualität
Dietmar Bräunig, Sie sind Mitautor der internationalen Studie zum wirtschaftlichen Nutzen von Prävention. Lohnt sich Prävention für Firmen?
Mit Prävention können Firmen ein ökonomisches Erfolgspotenzial generieren. Prävention verbessert das Image in der Öffentlichkeit. Weniger Betriebsstörungen durch Unfälle führen zu einer höheren Produktivität. Diese Sekundäreffekte des Arbeits- und Gesundheitsschutzes sind betriebswirtschaftlich sehr wichtig. Für diese ermittelten wir den Return on Prevention (ROP), der Richtung und Stärke der Wirkung von Investitionen in der betrieblichen Präventionsarbeit angibt.
Für die Schweiz kommen Sie auf einen ROP von 3,8. Erhalten Schweizer Unternehmen für jeden Franken, den sie in die Prävention investieren, 3,8 Franken zurück?
Der ROP bedeutet, dass die befragten Schweizer Unternehmen für jeden in die betriebliche Sicherheit und Gesundheit investierten Franken ein ökonomisches Erfolgspotenzial von 3,8 Franken erhalten haben.
Die Suva engagiert sich sehr stark in der Prävention. Inwiefern unterstützt die Studie dieses Engagement?
Zwischen Arbeitsschutzmanagement und Qualitätsmanagement besteht ein innerer Zusammenhang. Eine aufgeräumte Werkstatt als Massnahme des Arbeitsschutzes wirkt auch auf der Ebene der Produktions- und Produktqualität. Für Unternehmen, die bislang weniger an betrieblicher Prävention interessiert waren, besteht damit ein Anreiz, sich im Arbeits- und Gesundheitsschutz zu engagieren. Prävention kann als Vehikel für ganzheitliche Qualität in der Firma verstanden werden.
Kommentare und Antworten