Werden Krankheitszeichen an Pflanzen sichtbar, kann der Prozess weit fortgeschritten sein. Die Erreger haben sich dann bereits im betroffenen Gewebe ausgebreitet. Veränderungen von Farben und Formen sowie das Auftreten von Flecken, Nekrosen und Holzfäulnis werden sichtbar, da Schaderreger lebenswichtige Stoffwechselprozesse der Pflanzen beeinträchtigen. Die Photosynthese, die Atmung, der Wasser- und Hormonhaushalt sind in erster Linie betroffen. Dies ist der Zeitpunkt, an dem unsere Kunden feststellen, dass mit ihrer Pflanze etwas nicht stimmt und wir angefragt werden, die Ursache herauszufinden.
Fallbeispiel
Im August 2018 entdeckte eine Kundin aus der Innerschweiz in der Krone ihrer Serbischen Fichte (Picea omorika) eine lokal begrenzte Braunfärbung der Nadeln. Sie erkundigte sich nach möglichen Symptomursachen und deren Bedeutung für den Baum. Nach einem kurzen Beratungsgespräch entnahm sie selbst eine Zweigprobe, die sie uns per Post zusendete. Die lichtmikroskopische Untersuchung mit 20facher Vergrösserung lieferte rasch die ernstzunehmende Diagnose: Schildlausbefall. Hier ist schnelles Handeln wichtig, da sich die Insekten schnell vermehren und Pflanzen innerhalb kurzer Zeit zum Absterben bringen können.
Unsere Therapieempfehlung, die befallenen Zweige innerhalb einer Woche zu entfernen und die Baumkrone mit einem biologischen Insektizid auf Ölbasis zu behandeln, führte der Gärtner unserer Kundin aus. Bis zum Herbst hatte sich die Situation stabilisiert.
Im Frühjahr 2019 meldete unsere Kundin Probleme am selben Baum und sendete uns erneut Zweige der Fichte ein. Fast an derselben Stelle waren Nadeln wieder neu verfärbt. Die Mikroskopie ergab wiederholt Läuse, dieses Mal jedoch 1 mm grosse Grüne Fichtenröhrenläuse (Elatobium abietinum). Diese Art wird auch als Sitkalaus bezeichnet, da sie bevorzugt Blau- und Sitkafichten befällt. Sie tritt verstärkt nach milden Wintern und längerer Sommertrockenheit auf, richtet Saugschäden an den Nadeln an und trocknet sie somit aus. Durch die Saugtätigkeit von Blattläusen besteht zudem das Risiko der Übertragung von Bakterien und Pilzen, was die Behandlung sinnvoll macht. Seit der erneuten Sprühbehandlung im späten Frühjahr und regelmässiger Wässerung in langen Trockenphasen hat sich die Fichte gut erholt.
Abiotische Faktoren berücksichtigen
Dieser Fall zeigt, die Phytomedizin ist komplex. Vielfach sind mehrere Organismen zeitgleich oder nacheinander an einem Krankheitsbild beteiligt und können zudem von abiotischen Faktoren beeinflusst sein. Insbesondere das Potential abiotischer Schadfaktoren sollte nicht unterschätzt werden. Hitze, Trockenheit, Nährstoffmangel, Staunässe, Bodenverdichtungen, Wurzelbeschädigungen und viele mehr führen zu ungünstigen Lebensbedingungen von Pflanzen, schwächen sie und machen den Schaderregerbefall dadurch möglich oder begünstigen ihn sogar. Umgekehrt wirken die gleichen Schadfaktoren jedoch positiv auf die Populationsentwicklung der Insekten, die sich explosionsartig vermehren.
Doch nicht immer ist die Probenentnahme und Diagnostik so einfach durchführbar wie im beschriebenen Fallbeispiel. Oftmals ist es von Bedeutung, sich ein Bild vom Standort und den Wachstumsverhältnissen des Gehölzes zu machen. Durch einen Augenschein vor Ort können wertvolle Informationen gewonnen werden, die die Krankheitsdiagnostik, Beratung und eventuelle Behandlung erleichtern. Das Beispiel zeigt aber auch, dass eine gute Beobachtungsgabe der Kunden, eine präzise und schnelle Diagnostik auf Anhieb und die konsequente Behandlung mit dem richtigen Wirkstoff sehr erfolgversprechend sein kann. Ohne das Zusammenwirken von Diagnose und Behandlung wäre diese Serbische Fichte abgestorben.
Diagnosemethoden
Mikrobielle Phytopathogene wie Pilze oder Bakterien rufen oft unspezifische Symptome wie Welke, Nadel- oder Blattverlust hervor. Lange Zeit war ihre Identifikation nur über Fruchtkörper möglich. Bei seltenen Fruchtkörpern erfordert deren mikroskopisch-morphologische Analyse sehr viel Erfahrung und Zeitaufwand. Zudem ist der Wuchs der Fruchtkörper saisonal. Wer zur falschen Zeit untersucht, findet gar keine Fruchtkörper.
Die Isolierung von Pilzen und Bakterien aus Holzgewebe und ihre Kultivierung auf künstlichen Nährmedien stellt eine elegante Alternative dar. Durch selektiv wirkende Hemmstoffe und eine desinfizierende Vorbehandlung können harmlose Mikroorganismen unterdrückt und Pathogene im Wachstum gefördert werden. Anschliessende Untersuchungsverfahren auf molekularbiologischer Grundlage sind eindeutig und zuverlässig, denn die nachgewiesene DNA ist artspezifisch. So ermittelte Resultate ermöglichen nicht nur eine differenzierte Beratung, sondern auch eine präzise Diagnose mit erfolgreichen Empfehlungen bei der Wahl sinnvoller Pflanzenschutzmittel. |
Quellen
- Lehrbuch der Phytomedizin. Hrsg. Poehling, H-M., Verreet, J-A., Eugen Ulmer Verlag 2013, 559 S.
- Pflanzenkrankheiten und Pflanzenschutz. Börner, H., Springer Verlag, 8., neu bearbeitete und aktualisierte Auflage 2009. 690 S.
- Phytomedizin: Grundwissen Bachelor. Hallmann, J., von Tiedemann, A., Quadt-Hallmann, A., UTB Eugen Ulmer Verlag, 2., überarbeitete Auflage 2008. 516 S.
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