Es sei wichtig, am Verständnis der Kundinnen und Kunden zu arbeiten. Das betonte Dr. Peter Wüst, Hauptgeschäftsführer des BHB (Handelsverband Heimwerken, Bauen und Garten)bereits in seiner Begrüssung. Nach dem Rückblick auf das bewegte Jahr 2021, zu dem sich alle BHB-Vorstandsmitglieder äusserten und der renommierte Branchenanalyst Klaus Peter Teipel die Zahlen lieferte (siehe Grafik), ging es um die künftigen Herausforderungen und Chancen. Teipel äusserte sich differenziert: Projektbezogenes, bau- und sanierungsorientiertes DIY dürfte sich 2022 eher positiv entwickeln, sagte er. Statt Dekoration und Verschönerungsmassnahmen rücke zunehmend der Sanierungs- und Modernisierungsgedanke in den Vordergrund. Jetzt seien grössere Projekte angesagt, was auch die hohe Nachfrage nach Handwerkern belege. Für die übrigen klassischen Baumarktsortimente prognostiziert der Marktforscher eine leicht gebremste Entwicklung. Teipel warnte, dass weiter steigende Preise das Konsumklima belasten könnten. Zudem würden fehlende Rohstoffe und die Lieferkettenproblematik das Ergebnis im Jahr 2022 negativ beeinflussen. «Die Baumärkte gehen aktuell von möglichen Lieferproblemen bis in den September aus. In nicht wenigen Warengruppen könnten die Regale deutliche Lücken aufweisen», so der Experte. Er erwartet 2022 eine positive Entwicklung bei den Fachmärkten (Fachgartencenter, Baustoff- und Holzhandel), das heisst ein leichtes Plus von 2,4 % (nicht 10 % wie im vergangenen Jahr). Für die klassischen Baumärkte ist seine Prognose weniger rosig. Bei den Sortimenten werden Baustoffe und Gartenartikel am stärksten zulegen.
«Wir haben im Vergleich zu 2019 ein irre hohes Umsatzniveau erreicht», konstatierte BHB-Vorstandsmitglied Alexander Kremer. Zwar werde auch 2022 das Wetter entscheidend sein, betonte der Geschäftsführer der Garten-Center Kremer GmbH (vgl. dergartenbau 17/2020) in seinem optimistischen Ausblick. Doch bleibe der Garten ein Megatrend und das mache die Gartencenter sexy für Konsumentinnen und Konsumenten.
Zukünftige Marktveränderungen rechtzeitig antizipieren
Um auch längerfristig sexy zu bleiben, müssen erstens die Erwartungen der Kundinnen und Kunden bekannt sein und zweitens erfüllt werden. In einer Zeit, wo sich Werte rasch verändern, Statussymbole an Bedeutung verlieren, neue hinzukommen und die Digitalisierung rasch voranschreitet, wird es aber immer anspruchsvoller, die Verhaltensmuster der Menschen, die in Baumärkten und Gartencentern einkaufen, auszuloten. Weil dabei die Methode der klassischen Marktforschung an Grenzen stosse, habe der BHB eine neue Art der Kundenbefragung gestartet, erklärte Geschäftsführer und eBHB-Moderator Dr. Peter Wüst: den DIY Future Funnel. Dieser wurde in Zusammenarbeit mit der ServiceBarometer AG aus München realisiert. Dabei war es das Ziel, direkt vom Kunden bzw. der Kundin zu erfahren, welche Produkte und Dienstleistungen für ihn oder sie wichtig werden. Mit diesem Wissen kann schneller auf zukünftige Marktveränderungen reagiert werden.
Dr. Frank Dornach, Geschäftsführer der Servicebaromteter AG, stellte das Projekt und Ergebnisse der daraus resultierenden Studie «Wünsche an die Bau- märkte und Gartencenter von morgen» vor. 77 Teilnehmende der BHB-Onlinecommunity – 18- bis 39-jährige Baumarktkundinnen und -kunden – wurden eine Woche lang zu ihren Motive sowie sie interessierenden Zukunftsaspekten befragt. Auch hatten sie verschiedene Lösungsansätze für Baumärkte und Gartencenter zu bewerten. Im Fokus standen fünf Themen: Produkte und Kundenansprache, Einkauf als Erlebnis, neue Technologien im lokalen Detailhandel, neue Einkaufsformen sowie Nachhaltigkeit. Jeden Tag wurde ein anderes Thema mit der Onlinecommunity diskutiert. Die erhobenen qualitativen Inputs einer sehr digitalaffinen Gruppe – 44 % informieren sich vor ihrem Baumarkteinkauf online – wurden sodann mit Ergebnissen aus quantitativen Konsumentenbefragungen (Kundenmonitor Deutschland: 10 % der Gesamtbevölkerung informieren sich vor ihrem Baumarkteinkauf online) in Verbindung gebracht und daraus eine Trendanalyse abgeleitet.
Wünsche nach Individualität
Die Studienergebnisse zeigen u. a., dass Fertigartikel bzw. Massenprodukte an Bedeutung verlieren könnten. Künftig dürften mehr Unikate und unter Berücksichtigung der spezifischen Anforderungen individualisierte Produkte gefragt sein, über die die eigene Persönlichkeit ausgedrückt wird. Kundinnen und Kunden möchten eigene Vorstellungen und Wünsche einbringen können. Zudem wird erwartet, dass persönliche Einkaufsvorteile, z.B. Gutscheine, nahe dem Geschäft auf dem Handy angezeigt werden.
Mehr technische Unterstützung
Damit sich der Einkauf vor Ort bereits zu Hause individueller vorbereiten lässt, sind online nicht nur Informationen zur Produktauswahl erwünscht, sondern ebenfalls ein Onlinemarktplan inklusive Wegbeschreibung, am besten über eine App. Geschätzt würde überdies eine Projektbegleiter-App, in der sich Projekte sowie Produkte, die man dafür benötigt, hinterlegen lassen.
Gefragt wurde auch nach der Einschätzung neuer Einkaufsformen wie Smart Stores oder Automaten in der Zukunft. Mehr als die Hälfte der Befragten schätzt Angebote wie einen Mini-Gartenmarkt für den vollautomatischen Einkauf auch ausserhalb der Öffnungszeiten als wichtig ein. Als Vorteile genannt wurden die Möglichkeit, nach den normalen Arbeitszeiten in Ruhe einkaufen zu können, sowie das Einkaufen unabhängig von Personal und Uhrzeiten.
Produkte erlebbar machen und Impulse geben
Damit der Baumarkt- oder Gartencenterbesuch zum Erlebnis wird und mehr Spass macht, müssten Produkte häufiger erlebbar gemacht werden. Flächen für das Ausprobieren und Selbertesten von Produkten werden als zentraler Wunsch zur Erlebnissteigerung formuliert. Zudem findet eine deutliche Mehrheit der BHB-Onliecommunity Gefallen an Anstössen, Ideen und Lösungen für ihre Heimwerker- und Gartentätigkeit.
Bedeutung von Nachhaltigkeit
Die Befragung ergab, dass Nachhaltigkeit überwiegend produktnah interpretiert wird, wobei Frauen bei fast allen Aspekten die Wichtigkeit deutlich höher gewichten als Männer. Eine klare Mehrheit von über 80 % stuft schadstofffreie Artikel, biologisch abbaubare oder recycelbare Verpackungen, eine faire Herstellung oder Produkte von regionalen Anbietern im Sortiment als Kriterien ein, die bei ihren Einkäufen im Bau- oder Gartenmarkt in den nächsten Jahren immer wichtiger werden. Interessant ist die unterschiedliche Gewichtung der Sortimente: Bei Pflanzen, Erde, Gartenmöbeln und -freizeit spielt – insbesondere von Frauen getrieben – die Nachhaltigkeit eine grössere Rolle (über 30 % Nennungen) als bei Gartengeräten und -maschinen (über 10 % Nennungen). |
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