Landschaft wird geprägt durch sehr unterschiedliche Ansprüche, die sich aus den jeweils vorherrschenden Besiedlungs- und Nutzungsarten sowie der Ernährungsweise einer Bevölkerung ergeben. Was also bedeutet «Landschaft: ästhetisch. kulinarisch. kulturell»? Auf drei abendlichen Rundgängen, organisiert von der Stiftung Gartenbaubibliothek Basel, wurde diesen Fragen nachgegangen.
Im Zentrum des ersten Rundgangs steht der Nussbaum (Echte Walnuss) und seine kulturelle Bedeutung. Jonas Frei, Autor der Publikation «Die Walnuss» sowie Landschafts-architekt und Stadtökologe, nimmt die Besuchenden mit auf eine Entdeckung des Walnussbestandes im Basler Kannenfeldpark.
Vertraut, gleichzeitig unbekannt
Während die Echte Walnuss (Juglans regia) im mitteleuropäischen Landschaftsbild in Hainen oder als Einzelbaum an Waldrändern und auf Feldern ein vertrautes Bild ist, ist die eigentliche Vielfalt dieser Pflanzenfamilie doch sehr unbekannt. Durch diese Unbekanntheit jedenfalls kam auch Jonas Frei zur Walnuss. Er sammelte im Park einige Nüsse eines Walnussgewächses und konnte diese mit den existierenden Baum- und Pflanzenführern nur mit Müh und Not bestimmen. Viele der Walnussbäume in unseren Parks sind aufgrund mangelnder Kenntnisse der Diversität der Walnussgewächse nicht korrekt angeschrieben, bemerkt Jonas Frei an der Führung, nachdem er selbst den Nussbaum jahrelang intensiv erforscht, mit Fachpersonen gesprochen und auf langen Reisen das verfügbare Wissen um die Walnüsse zusammengetragen hatte. Aus dem Wunsch, dieses Wissen zu bündeln, ist das mit dem Deutschen Gartenbuchpreis 2020 ausgezeichnete Buch über die Walnüsse in Europa entstanden. In der überarbeiteten und erweiterten Zweitauflage sind auch die tropischen und nordamerikanischen Walnusskulturen erläutert.
Gattungen und Arten
Zur Familie der Walnussgewächse werden heute rund 60 Arten gezählt, so Frei. Verglichen mit anderen Pflanzenfamilien ist diese Anzahl nicht sehr gross, aber die Vielfalt an Formen und Sorten, die in dieser Familie besteht, ist dennoch sehr beachtlich. In Mitteleuropa werden fünf Gattungen kultiviert, mit insgesamt 40 Arten und Hybriden. Diese sind alle angepflanzt und nicht Teil der natürlichen Flora – ausser, je nach Interpretation, die bekannte Echte Walnuss. Die Walnüsse, die Juglans, sind die grösste dieser fünf Gattungen. Eine ihrer Arten ist die bereits erwähnte Echte Walnuss, aber auch die Kalifornische Walnuss oder die Chinesische Butternuss gehören dazu. Eine weitere artenreiche Gattung sind die Hickorys (Carya), zu ihnen gehören beispielsweise die Pekannüsse (Carya illinoinensis). Abgesehen von der Echten Walnuss und seltener der Schwarznuss (Juglans nigra) sind die vielen unterschiedlichen Arten in Europa nur in speziellen Sammlungen, Parkanlagen oder Forstexperimenten zu finden.
Allen Walnussgewächsen gemein ist das gefiederte Blatt, oft wechselständig. Weiteres eindeutiges Merkmal sind die Nüsse, wobei diese in Form, Grösse und Geschmack erheblich variieren. Auch sind nicht alle Nüsse essbar. Während die Verbreitung bei den grösseren Nüssen oft von Nagetieren unterstützt wird, werden die winzigen, mit Flügeln versehenen Samen der Gattungen Flügelnuss (Pterocarya) und Zapfennuss (Platycarya) vom Wind verbreitet.
Global geschätzt
Die Nüsse und das Holz werden in vielen Kulturen geschätzt und weiterverarbeitet, so Frei. Als Schmuckperle für Malas, buddhistische Gebetsketten, finden die Mandschurischen Walnüsse (Juglans mandshurica) Verwendung. Für Nussschnaps (Nocino) aus Norditalien werden noch unreife Echte Walnüsse (Juglans regia) in Schnaps eingelegt. In der in Europa traditionell wichtigen Anbauregion rund um Grenoble in Frankreich entstanden viele kulinarische Spezialitäten, wie Nusssenf oder Nusskäse, und spezielle Gebäude zur Trocknung der Nüsse im Herbst, sogenannte «sechoirs». Das Nussöl aus der Echten Walnuss oder der Pekannuss gilt als hochwertig. In der Medizin werden die Blätter der Walnussgewächse verwendet: So hat in der traditionellen chinesischen Medizin die seltene Ringelflügelnuss zur Behandlung von Diabetes einen hohen Stellenwert. Für den Möbelbau ist das Walnussholz sehr beliebt und gilt als eines der besten Edelhölzer aus dem mitteleuropäischen Raum.
Walnüsse sind auch im nordamerikanischen Raum sehr verbreitet, insbesondere die Gattung Hickory. Der Name «Hickory» wurde aus der Sprache des indigenen Algonkin-Volkes übernommen, das einen Brei aus gekochten Nüssen als «pocohiquara» bezeichnete. Ebenso wurde von der indigenen Bevölkerung der leicht toxische Bitterstoff aus der Rinde der Butternuss (Juglans cinerea) zum Betäuben und Fangen von Fischen in kleinen Bächen verwendet, so Frei.
Am meisten werden heute die Arten Pekannuss und Echte Walnuss konsumiert. Deren Produktion findet in riesigen Monokulturen in Kalifornien, China, Iran und der Türkei statt. Der Grossteil des Handels wird über diese Kulturen bedient. In Europa gibt es die bekannten Produktionsgebiete rund um Grenoble oder das Périgord in Frankreich sowie diverse Hof- und Bioläden, die ihre Nüsse von Einzelbäumen beziehen. In der Schweiz entsteht zurzeit eine Walnusskultur in Hainen, so Frei.
Geschichte und Verbreitung
Die eigentliche «Blütezeit» der Vorfahren der heutigen Walnussgewächse, zumindest was ihre Vielfalt anbelangt, war im Tertiär, berichtet Jonas Frei. Die Diversität der fossilen Funde von Pollen, Früchten und Blättern, die eine Rekonstruktion der Geschichte zulassen, übersteigt die Artenzahl der heutigen Walnüsse um ein Vielfaches. Der früheste Fund wird auf 65 Mio. Jahre datiert. Verbreitet waren diese Urwalnussgewächse auf der ganzen Nordhalbkugel. Mit Beginn der Eiszeit vor fünf Mio. Jahren ist die Walnuss in Europa verschwunden. Wie die Echte Walnuss zurückkam, ist nicht ganz gesichert. Sicher ist, dass sie nach der Eiszeit in Vorder- und Mittelasien beheimatet war, vom Kaukasus und Mittelmeerraum bis nach China. Schriftlich wird die Walnuss erstmals bei den Griechen erwähnt und dort Persische Nuss genannt, was ein Hinweis auf ihre Herkunft sein könnte. Gehäufte Funde für das südliche Europa gibt es ab dem zweiten Jahrtausend vor Christus. Von dort aus kam die Walnuss nach und nach über die Alpen nach Mitteleuropa, vermutlich transportiert durch die römische Kultur. Auch wenn der heutige «Nussbaum»-Bestand in der Schweiz aufgrund der Veränderungen in der landschaftlichen Nutzung seit rund 130 Jahren drastisch reduziert ist: An diesem Abend im Kannenfeldpark freuen sich die Besuchenden, das erste Mal eine Hickory-Nussart in den Händen zu halten. |
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