Stärkt der naturnahe Unterhalt die Widerstandskraft des Stadtgrüns in Bezug auf den Klimawandel?
Yvonne Aellen: Die Ausrichtung auf den Klimawandel hat viele Aspekte und deckt sich teilweise mit den Zielen der Förderung der Biodiversität und der naturnahen Bewirtschaftung. Wichtig ist, dass schon die Stadtplanung auf die klimatischen Verhältnisse der Zukunft ausgerichtet wird. Dies beinhaltet die Schaffung möglichst vieler Grünstrukturen und Durchlüftungskorridore, um dem Hitzeinsel-Effekt vorzubeugen. Aber auch Vorkehrungen bezüglich Starkniederschlägen sind nötig, damit Überschwemmungen verhindert werden. Der Klimawandel beeinflusst auch die Pflanzenwahl. Gerade bei den Alleebäumen sind es immer mehr Arten aus wärmeren und trockeneren Gebieten, die sich bewähren.
Sind durch die Umstellung auf organische Düngung und die Anreicherung von Humus im Boden Effekte wie bessere Wasserspeicherung ablesbar?
Wir haben dazu keine Erhebungen gemacht. Aber gute Bodenpflege ist sicher wichtig für den Wasserhaushalt des Bodens und die Durchwurzelungstiefe.
Parkrasen werden in Basel als Biorasen bezeichnet. Was macht das Bio aus? Überstehen diese Rasenflächen längere Trockenperioden besser?
Die Rasenflächen in den Basler Parkanlagen werden mit Kompost und biologischem Dünger versorgt. Um den Boden für diese organischen Produkte aufnahmefähig zu machen, muss er belebt und gelockert werden. Für die Umstellung auf biologische Pflege ist deshalb die mechanische Bearbeitung wichtig. Durch Tiefenlockerung werden Verdichtungshorizonte aufgebrochen und die Böden belüftet. Damit und mit einem guten Bewässerungsregime können die Wurzeln dazu angeregt werden, weiter in die Tiefe zu wachsen. Dies macht sie weniger trockenheitsempfindlich.
Mit ihrem tiefen, verzweigten Wurzelsystem sind Wiesengräser widerstandsfähiger bei Trockenheit als oberflächlich wurzelnde Rasengräser. Spricht dies weiter für ihre vermehrte Verwendung?
Blumenwiesen sind aus der Perspektive der Biodiversität gegenüber dem Rasen weit wertvoller, sie sind umweltschonender zu pflegen und ertragen auch ohne Bewässerung längere Trockenphasen. Deshalb werden im Basler Stadtgrün möglichst viele Blumenwiesen angelegt. Die Wahl der geeigneten Bewuchsform muss jedoch stets auf den Standort abgestimmt werden und hängt stark von den Nutzungsbedürfnissen ab. Für die Erholungsnutzung ist Rasen auf vielen Flächen weiterhin sinnvoll.
Die Stadtgärtnerei Basel erprobte die kontrollierte Beweidung. Wie sind die Erfahrungen damit?
Die Stadtgärtnerei pflegt ausgewählte Flächen seit einigen Jahren durch kurzzeitige Beweidung. Mit robusten alten Tierrassen konnten gute Erfolge in der Bekämpfung von Brombeeren erzielt werden.
Sind Wechselflorrabatten aufgrund der immer heisseren Sommer ein Auslaufmodell?
Die hochwertigen Wechselflorrabatten haben in Basel einen festen Platz und sind bei der Bevölkerung sehr beliebt. Sie beschränken sich auf wenige prominente Standorte. Dank guter Pflege und regelmässiger Bewässerung haben sie auch Hitzeperioden bisher gut überstanden. An vielen weiteren Standorten setzen wir auf robuste Staudenmischpflanzungen. Durch die Verwendung von speziellem Staudensubstrat und einer sorgfältigen Pflanzenwahl werden diese darauf ausgerichtet, dass sie auch im Sommer möglichst ohne Bewässerung auskommen und sich zu allen Jahreszeiten mit attraktiven Aspekten präsentieren. Sie bilden ökologisch wertvolle Alternativen, die in ihrer Blühfreudigkeit überzeugen, jedoch nicht mit Wechselflor vergleichbar sind.
Bieten die zur Förderung der Biodiversität angelegten Baumrabatten auch Schutz vor Austrocknung?
Wo es die Verhältnisse zulassen, werden Baumrabatten mit Einsaaten oder Stauden begrünt. Diese schützen die Rabatten vor Betretung, und die durchwurzelten Böden bleiben aktiver, was sich sicher auch positiv auf den Wasserhaushalt auswirkt. Zudem werden über 300 Baumrabatten von Baumpaten bepflanzt und gepflegt. Das hier auf die Rabatten ausgebrachte Giesswasser ist bei Jungbäumen nicht unwesentlich. Bei gross gewachsenen Bäumen liegen die Wasser aufnehmenden Wurzeln jedoch mehrere Meter tief im Boden. Da bewirkt oberflächliches Wässern kaum mehr etwas. Diese Bäume versorgen sich aus tiefen Bodenschichten, die vom Grundwasser gespiesen werden.
Geht der Temperaturanstieg mit höherem Schädlingsdruck einher? Ist dies mit Toleranzschwellen-Management zu bewältigen?
Mit den Klimaveränderungen wandeln sich die Lebensbedingungen für Tiere wie auch für Pflanzen. Dabei gibt es Profiteure und Verlierer. Einige Schädlinge haben sich nach dem Hitzesommer 2018 besonders stark ausgebreitet, vor allem auf durch Trockenheit geschwächten Baumarten. So hatten wir hohe Ausfälle von Hainbuchen, die vom Hainbuchenkrebs befallen waren, oder auch von Waldföhren, bei denen das verstärkte Vorkommen des Föhrenprachtkäfers zum Absterben führte. Schädlinge wie die Platanennetzwanze vermehrten sich 2018 stark. Andere wie der Buchsbaumzünsler und die Kastanienminiermotte zeigten in den heissen Sommermonaten eine eher geringere Entwicklung. Für gesicherte Aussagen braucht es da aber vertieftere Untersuchungen.
Die Stadt Basel strebt nach der Zertifizierung 2018 mit Silber als Grünstadt Schweiz Gold an. Wo müssen noch Punkte gut gemacht werden?
Bereits in der ersten Zertifizierung hat die Stadt Basel eine Punktzahl erreicht, die im Goldbereich liegt. Das Label beinhaltet jedoch einige Muss-Massnahmen bei denen für die verschiedenen Labelstufen Minimalpunktzahlen erforderlich sind. Dies macht das Label anspruchsvoll und stellt sicher, dass in den zentralen Themen eines nachhaltigen Grünflächenmanagements für ein Goldlabel Höchstleistungen gebracht werden müssen. Die Stadt Basel wird sich vor allem beim Unkrautmanagement noch verbessern müssen, insbesondere bei der Pflege von Sportrasen. Im Hinblick auf die Rezertifizierung werden von den verschiedenen Dienstabteilungen weitere Massnahmen zur Förderung der Biodiversität und der Nachhaltigkeit in Angriff genommen.
Bei der Zertifizierung wurden Baumschutz und -bewirtschaftung als vorbildlich bezeichnet. Was sind die Gründe für diese überaus positive Bewertung?
Die Stadt Basel verfügt seit 1980 über ein Baumschutzgesetz. Dies sichert einen sorgsamen Umgang mit dem Baumbestand sowohl im privaten wie auch im öffentlichen Bereich. Bei der Stadtgärtnerei wurde der Baumpflege schon seit vielen Jahren mit dem Einsatz von ausgebildeten Baumpflegespezialisten ein hoher Stellenwert beigemessen. Besonders für die wertvollen Altbäume werden grosse Anstrengungen gemacht, um sie möglichst lange zu erhalten. Mit Kronenentlastungsschnitten, -verankerungen und regelmässigen Sicherheitsüberprüfungen wird die Fällung so lange wie möglich hinausgeschoben. Beim Baumersatz verfolgt die Stadtgärtnerei seit vielen Jahren die Strategie, die Arten- und Sortenvielfalt möglichst gross zu halten und vermehrt klimaverträgliche Arten einzusetzen. Der Basler Baumbestand besteht aus über 500 Arten und Sorten.
Welchen Stellenwert haben Label im Allgemeinen für den Umstellungsprozess?
Das Label Grünstadt Schweiz zeichnet nicht Grünämter, sondern ganze Gemeinden aus. Dies bedeutet einerseits eine Herausforderung, andererseits eine grosse Chance. Denn das Label gibt gemeinsame Ziele vor. Das fordert die Zusammenarbeit und verlangt von der Gemeinde eine strategische Orientierung an den Labelzielen. Der Zertifizierungsprozess stiess deshalb in Basel einen Dialog und eine ämterübergreifende Zusammenarbeit an, die vorher nicht in dieser Intensität bestand. Darin liegt ein grosser Nutzen des Labels. Denn die Versorgung einer Gemeinde mit zukunftsorientierten Grünräumen und die nachhaltige Pflege derselben können nur gelingen, wenn alle am gleichen Strick ziehen.
Vieles in der Grünflächenpflege basiert auf Erfahrungswissen. Sind im Rahmen der Zertifizierung in den Städten neue Standards entstanden?
Das Label erleichtert den gezielten Erfahrungsaustausch zwischen den zertifizierten Gemeinden. So können ganz konkret zu Bereichen mit Handlungsbedarf Erfahrungen anderer eingeholt werden, die bei diesen Massnahmen schon gute Resultate zeigen.
Wie hat sich der Pflegeaufwand entwickelt?
Naturnahe Gestaltung und Bewirtschaftung sind nicht zwingend teurer. Die Qualität liegt mehr darin, dass differenzierter und standortbezogen vorgegangen wird. So kann die Vielfalt hoch gehalten werden, ohne dass es einen Mehraufwand bedeutet. Dies erfordert von den Beteiligten mehr Fachwissen. Die Umstellung auf biologische Bewirtschaftung bringt hingegen oft Mehrkosten mit sich. Diese können teilweise mit gezielter Pflanzenwahl abgefedert werden. So lohnt es sich z. B., Rosenbeete mit robusteren Rosensorten neu zu bepflanzen, statt auf eine teurere Biobehandlung umzustellen. Anfangs braucht es zwar Investitionen, die darauf folgende Pflege wird aber günstiger.
Laubhaufen, Ökobäume mit stehendem Totholz und Ruderalflächen – nimmt die Akzeptanz für diese durch die Umstellung der Pflegeroutine entstandenen naturnahen Gestaltungsformen zu?
Wir erleben bei der Bevölkerung eine grosses Interesse und auch eine gute Akzeptanz für naturnahe Strukturen. Das Label Grünstadt Schweiz thematisiert die Bedeutung der Biodiversität zusätzlich und schafft Verständnis und auch Motivation bei Privaten.
Färbt dies auf private Gärten ab?
Es ist das Ziel, mit der Gestaltung und Pflege der öffentlichen Räume als Vorbild voranzugehen und mit Information und Sensibilisierung das Nachahmen auf privaten Flächen zu fördern.
Was ist der grösste Gewinn der Umstellung?
Die Natur erhält mehr Lebensraum, die Biodiversität nimmt zu. Dies schafft nicht nur für Tiere, sondern auch für Menschen mehr Lebensqualität in der Stadt.
Grün Stadt Schweiz
Sieben Städte und Gemeinden, mit Einwohnern unter 10 000 bis über 100 000 Einwohnern, haben den Zertifizierungsprozess bereits durchlaufen und sind mit Bronze oder Silber ausgezeichnet. Im Zertifizierungsprozess stehen derzeit neun Gemeinden, darunter die Stadt Zürich. Die Stadt Basel wurde 2018 mit dem Silber-Label zertifiziert. Basis sind 60 praxisorientierte Massnahmen. Die Zertifizierung wird alle vier Jahre erneuert.
Erarbeitet wurden die Standards in einer Projektgruppe mit Vertretenden der Städte Basel, Luzern und Winterthur, der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW), des Forschungsinstituts für biologischen Landbau (FiBL), von Bioterra und der Wirtschaftspartnerin Nateco AG. Grünstadt Schweiz
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