Muss eine grössere Arbeitsgruppe samt Maschinen, Werkzeugen und Material zum Einsatzort, sind Transporter mit Doppelkabine unentbehrlich. Die sogenannten Doka bringen Mensch und Material in einem Fahrzeug schnell und effizient zur Baustelle. Die flinken Flitzer mit verlängertem Fahrerhaus nehmen in zwei Sitzreihen bis zu sieben Personen auf und lassen im hinteren Frachtabteil auf Pritsche oder Kipper noch reichlich Platz für Utensilien aller Art. Auch im GaLaBau sind sie sehr beliebt.
Das wissen die Hersteller und bemühen sich, nach Modellerneuerungen volumenstarker Kastenwagen-Varianten auch Nischenprodukte wie Fahrgestelle mit Doppelkabine zügig in den Markt zu bringen. Vor dieser Aufgabe steht jetzt Volkswagen. Die Wolfsburger tauschen gerade ihren Crafter aus, der nach Auslaufen des Gemeinschaftsprojektes mit Mercedes-Benz (Sprinter) nun in Eigenregie im polnischen Werk in Wrzesnia entsteht und im Frühjahr 2017 beim Händler stehen soll. Einen kleinen Vorgeschmack auf Laderaum und Design des neuen Crafter hat VW bereits im Frühjahr gegeben. Erstmals zu sehen waren die grossen Brüder des VW Transporters T 6 auf der Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA) Nutzfahrzeuge in Hannover. Die 3,5- bis 5,5-Tonner bekommen den aus dem T 6 bekannten 2,0-Liter-TDI-Motor «EA 288Nutz», der in vier verschiedenen Leistungsstufen bis 177 PS verfügbar ist. Erstmals gibt es den Crafter dann wahlweise auch mit Frontantrieb.
Telematiksystem integrierbar
An den Aussenabmessungen ändert sich im Vergleich zum Vorgänger wenig. Dafür wertet VW den Crafter mit elektromechanischer Lenkung und modernen Assistenzsystemen kräftig auf. Dazu zählen ESP mit Gespannstabilisierung, automatische Distanzregelung, Multikollisionsbremse, Anhängerrangierassistent, Seitenwindassistenten und vieles mehr. Darüber hinaus helfen beispielsweise Rückfahrkamera, Parkdistanzkontrolle und Ausparkassistent, Abbiegelicht und Fernlichtassistent bei der Arbeit. Ferner lassen sich gängige Telematiklösungen mittels universeller Schnittstelle einfach integrieren. Ähnlich umfangreich ist heute nur noch der Mercedes Sprinter ausgerüstet. Aber auch die aktuellen Transportermodelle von Ford und Fiat stehen dem kaum nach.
Den neuen Crafter als Doppelkabine wird es künftig auch beim Lkw-Hersteller MAN geben. Die Münchner gehören jetzt zum VW-Konzern und vertreiben das Fahrzeug dann in nahezu identischen Ausführungen über ihr eigenes Vertriebsnetz unter der Bezeichnung TGE. Ab Mitte 2017 dürfte auch die TGE-Doppelkabine mit Pritschen- und Kipperaufbau für Gärtner, Floristen und Landschaftsbauer bereitstehen, die damit Mannschaft und Arbeitsgeräte wie Rasenmäher, Laubbläser oder Freischneider zur Bewirtschaftung von Grünflächen transportieren.
Abgasgesetzgebung hat Auswirkungen
Die strengere EU-Abgasgesetzgebung und die Einführung von Euro 6 auch für leichte Nutzfahrzeuge zwangen die Hersteller, ihr Motorenprogramm an die neue Regelung anzupassen. Um den Verbrauch und damit den CO2-Ausstoss zu minimieren, fand ein Trend zum weiteren Downsizing der Motoren bei gleichzeitiger Leistungssteigerung statt. Beispielsweise holt VW aus dem Zwei-Liter-Triebwerk für den T6 jetzt bis zu 204 PS heraus. Und auch Citroën im Jumper, Ford im Transit (neue Ford «EcoBlue»-Motoren), Isuzu in der N-Serie, Nissan im NV400 oder Renault im Master haben in den letzten zwei Jahren die Leistungsgrenze mindestens um 10 bis 20 PS nach oben gehievt.
Während auch die bekannten Doka aus dem Drillingsgespann Fiat Ducato, Peugeot Boxer und Citroën Jumper sowie Iveco Daily und VW Transporter mit aufgefrischter Optik, nützlichen Fahrerassistenzsystemen und durchweg Euro-6-Motoren aufwarten, zogen der Opel Movano und der Nissan NV 400 erst jetzt mit ihrer Euro-6-Technik nach.
Bauteilmasse reduziert Frachtgewicht
Die aufwendige SCR-Abgasnachbehandlung für den Euro-6-Standard macht die leichten Nützlinge deutlich teurer und gleichzeitig schwerer. Mit aufgefülltem Ad-Blue-Tank kommen etliche Kilo Mehrgewicht für Partikelfilter, Oxidationskatalysator, SCR-Kat, Ad-Blue-Tank sowie diverse Heizelemente, Sensoren, Förder- und Dosiermodule zustande. Das lässt sich nur schwerlich durch hochfestere Stähle, weiteren Leichtbau und Gewichtseinsparung kompensieren. Dabei leiden besonders die Doka. Ihre Bauart beschränkt die Nutzlast teils auf ein paar hundert Kilogramm, sodass mit voll besetztem Passagierraum schon fast die Beladungsgrenze erreicht ist. Ford hat darauf reagiert und das zulässige Gesamtgewicht der aktuellen Transit-Doppelkabine um 100 kg angehoben. Mercedes hat sogar 500 kg draufgepackt. Bis 5,5 Tonnen darf der beladene Sprinter jetzt auf die Waage bringen.
7,5-Tonner als Alternative
Käufer sollten sich gut überlegen, ob sie mit einer leichten Doppelkabine aus dem 3,5-Tonnen-Segment auskommen. Wer ständig mit sieben Mann Besatzung fährt, kann gut eine halbe Tonne Nutzlast allein für das zu befördernde Personal abziehen. Kommen dann noch schweres Gerät, Pflanzenkübel und Mutterboden hinzu, ist die erlaubte Zuladung schnell erreicht oder gar überschritten. Spätestens dann sollten Interessenten auf die 7,5-Tonner mit Doppelkabine ausweichen.
Fuso Canter, Isuzu N-Serie, MAN TGL oder der brandneue Iveco Eurocargo, der Titelträger «Truck of the Year 2016», sind zwar in der Anschaffung erheblich teurer, stemmen aber locker drei bis vier Tonnen Zuladung. Der Fuso Canter aus dem Daimler-Stall soll den einstigen Primus «Vario» ersetzen, der den Wechsel zu Euro 6 nicht mehr geschafft hat. Der Nissan NT500 steht hingegen nicht mit Doppelkabine zur Verfügung und sein Zwillingsbruder Renault Truck D als Midlum-Nachfolger ist in Doka-Ausführung erst ab zehn Tonnen Gesamtgewicht zu haben.
Diesel bleibt vorerst Nummer eins
Für welche Gewichtskategorie sich der Kunde auch entscheidet, der Dieselmotor ist und bleibt auf absehbare Zeit das Antriebsaggregat Nummer eins im Nutzfahrzeug. Ihm droht jedoch Ungemach, weil er zu viel Feinstaub und giftige Stickoxide produziert. Deshalb plant die Politik die Einführung der blauen Plakette für Städte und Regionen mit Umweltzone. Dann dürfen nur noch Diesel-Doka mit Abgasnorm Euro 6 sowie Fahrzeuge mit Erdgas-, Flüssiggas oder Elektroantrieb in die Innenstädte fahren. Dieser Schritt zwingt zum Wechsel auf umweltschonende Fahrzeuge, wenn langfristig öffentliche Aufträge zur Pflege von Grünanlagen in der City übernommen werden wollen.
Alternative Antriebe wie Erdgas, Hybrid und Elektro sind für die Transporter einiger Hersteller zwar heute schon verfügbar, jedoch in Kombination mit der Doppelkabine kaum zu haben. So offerieren Mercedes für den Sprinter, Fiat für den Ducato und Iveco für den Daily zwar Erdgasvarianten. Der Elektro-Daily ist hingegen allein den Kastenwagen vorbehalten. Auch den Renault Maxity Elektro oder den Fuso Canter «eCell», dessen Nachfolgegeneration auf «eCanter» hört, gibt es nicht für die kombinierten Mannschafts- und Materialtransporter.
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