«Bridging The Gap» war das Fokusthema der diesjährigen ECLAS-Konferenz, welche die Hochschule für Technik Rapperswil (HSR) in Zusammenarbeit mit Haute école du paysage, d’ingénierie et d’architecture de Genève (hepia) organisierte. ECLAS – mit vollem Namen European Council of Landscape Architecture Schools – versteht sich als Forum für den Grenzen übergreifenden Ideenaustausch, für Fachdiskussionen und Netzwerkpflege.
Von Norwegen über Grossbritannien bis nach Italien und von den USA über Indien bis nach Neuseeland zog das Symposium rund 250 Besucherinnen und Besucher an die HSR nach Rapperswil, die sich während mehrerer Tage den aktuellen Themen der Landschaftsarchitektur widmen konnten. Den Tagungsteilnehmenden stand ein dicht gestaffeltes Programm bevor. Zu den thematischen Schwerpunkten Entwurf, Landschaftsplanung, Bau- und Informationstechnologien sowie Pflanzenverwendung fanden in parallelen Sessionen mehr als 100 Vorträge statt.
Who’s Who an der HSR
Ein ranghohes Komitee aus Politik und Wissenschaft begrüsste die Teilnehmenden enthusiastisch. Prof. Dominik Siegrist, Leiter des Instituts für Landschaft und Freiraum (ILF), und Michael Jakob, Professor an der hepia, erachteten eine weiterhin gute Kooperation zwischen ihren Hochschulen für die Zukunft als entscheidend. Prof. Hermann Mettler, Rektor an der HSR, hob die wichtige Zusammenarbeit mit den Universitäten in Bratislava (Slowakei) und Bukarest (Rumänien) hervor und Prof. Peter Petschek, Studiengangleiter an der HSR, stellte seine Abteilung Landschaftsarchitektur den Anwesenden vor.
Martin Klöti, St. Galler Regierungspräsident 2016 / 17, wies als politischer Landschaftsarchitekt und Abgänger der HSR auf die Vorzüge der Stadt Rapperswil-Jona hin, die sich mit ihrer malerischen Altstadt, der Holzbrücke entlang des Seedammes und ihren vielfältigen und attraktiven Freiräumen harmonisch ins Landschaftsbild einfügt. Ebenso stolz zeigte sich der Stadtpräsident Erich Zoller, der Rapperswil-Jona als grossen Player sieht – wirtschaftlich mit Geberit und Lafarge-Holcim, kulturell mit einer reichen Geschichte und wissenschaftlich mit der Hochschule direkt am See.
Grenzen überwinden, wenn Grenzen verschwimmen
Erst jetzt durfte ECLAS-Präsident Prof. Simon Bell ans Rednerpult und eröffnete die Konferenz mit den Worten «I declare the conference open!». Das vollständig auf Englisch geführte Symposium geizte nicht mit hochkarätigen Keynote-Speakern. So konnten neben dem Schweizer Landschaftsarchitekten Paolo Bürgi auch Professor Chris Reed aus Cambridge, Professor Jörg Rekittke aus Singapur sowie Dr. Matthias Stremlow vom Bundesamt für Umwelt (Bafu) für die Konferenz gewonnen werden.
Über allen Themen schwebte das Fokusthema der Konferenz: Grenzen überwinden. Denn nicht nur in der Industrie und im Dienstleistungsbereich – der Pharmakonzern Novartis geht mit dem Technologiemulti Google eine Zusammenarbeit ein, um intelligente Kontaktlinsen für Patienten zu entwickeln –, sondern auch in der Landschaftsarchitektur verschwimmen die fachlichen Grenzen. Interdisziplinarität wird immer wichtiger. Das Fokusthema der Konferenz ist nicht nur brandaktuell, sondern auch eine Einladung an unsere Branche, die Thematik vertieft zu interpretieren.
Paolo Bürgis fesselnde Beobachtungen
Im Dialog mit Raffaella Giannetto, Dozierende an der Landscape Architecture University of Pennsylvania (USA), gewährte Paolo Bürgi einen Einblick in seine berufliche Trickkiste. Der Tessiner Landschaftsarchitekt weiss auf sanfte, aber packende Art seine landschaftlichen Empfindungen zu vermitteln. Man glaubt ihm, wenn er von sich behauptet, er sei ein faszinierter Beobachter und früherer Rebell. Diese Eigenschaften werden wohl einen Teil seines «grenzüberschreitenden» Erfolges erklären. Er machte nicht viele Worte um seine Projekte, sondern rückte sie in den Hintergrund und brauchte sie nur, um seine Gedanken und Erkenntnisse zu bebildern.
«Die Möglichkeiten, Ruhe zu finden, gingen durch den technologischen Fortschritt verloren. Wenn wir aber einen Garten betreten, verändert sich unser Inneres», meinte Bürgi. Der Garten schenke Momente der Besinnlichkeit und helfe uns, unser verborgenes Ich zu finden. Bürgi sieht deshalb den von einem Designer gestalteten Garten als ein kulturelles Symbol, das in einer hektischen Welt an Wert gewinnt.
«Wir werden nie gerufen, um zweimal das Gleiche zu tun. Das ist das Schöne an unserem Beruf», erfreute sich der Tessiner Landschaftsarchitekt. Aber wo nimmt er seine Ideen her? Der Beobachter Bürgi sieht «Bilder». So beispielsweise auf den Brissago Inseln, auf denen er einen Ort mit einem Tisch und zwei Hockern aus Stein am Ufer des Lago Maggiore entdeckte. Wie der Endpunkt der Insel, der den Austausch mit der Umgebung ermöglicht, sei ihm dieser Ort vorgekommen. Es war Inspiration für das Cardada-Projekt, mit dem Bürgi einen Dialog mit dem Horizont installierte. Auf dem Hausberg von Locarno führt zwischen den Baumwipfeln des darunter gelegenen Waldes eine landschaftsarchitektonisch gestaltete Passerelle zu einer Aussichtsplattform, die einen grandiosen Ausblick gewährt.
Ein altes Gemälde zeigt eine Menschengruppe, die dem Betrachter den Rücken zuwendet. Man sieht, dass diese Menschen etwas beobachten, weiss aber nicht was. Auf die Landschaftsarchitektur übertragen sah Bürgi darin die Einladung an die Gartengestalter, Neugierde zu wecken, indem sie Grünräume schaffen, die dazu animieren, auf Entdeckung zu gehen. «Die Überlegung, wie man an einen Ort gelange, ist bei dieser Gestaltungsphilosophie zentral», meinte der Landschaftsarchitekt.
Auch beim nächsten Beispiel erkannte man in Bürgi den Menschen, der mit scharfem Auge die Essenz einer «Begegnung» einfangen kann und sie dann mit Prägnanz zu vermitteln weiss. So war er bei einem Museumsbesuch fasziniert von einem Bild von Pablo Picasso. Das Gemälde zeigt einen Maler vor leerer Leinwand, der seinen Pinsel von einer vertikalen Linie abgesetzt hat. Die Linie war perfekt und strahlte auf der Leinwand eine unglaubliche Energie aus. Bürgi verglich dieses Bild mit einem Foto aus einer Baumschule. In einer endlosen monotonen Pappelreihe wuchs eine Steineiche, welche die gleiche Kraft ausstrahlte wie die Linie in Picassos Gemälde. Könnte das nicht eine Strategie sein, durch die Landschaftsarchitektur Dinge in den Vordergrund zu setzen, die wir nicht mehr bemerken?
Weniger in den Vordergrund setzen sollten die Landschaftsarchitektinnen und Landschaftsarchitekten das Klagen über den mangelnden Stellenwert ihres Berufsstandes. «Ich habe nie die Meinung vertreten, wir müssten unseren Beruf verteidigen», meinte Bürgi selbstsicher. Er war sich in diesem Punkt immer mit Dieter Kienast einig, dass Landschaftsarchitekten einfach einen guten Job machen müssen.
Der Dialog zwischen Raffaella Giannetto und Paolo Bürgi trug den Geist der Konferenz in sich. Wachsam sein und seine Umwelt beobachten, den Dialog suchen, Unscheinbares kraftvoll in den Vordergrund setzen und eine gesunde Portion Selbstsicherheit mit einem Tick rebellischer Würze können Erfolg versprechende Eigenschaften sein, um Grenzen zu überbrücken und an neue Ufer zu gelangen.
Vielfältiges Themenangebot
In parallelen Sessionen wurden in fünfzehnminütigen Kurzvorträgen unterschiedliche Themen angeschnitten. Referate von Pflanzenverwendung und -design, Architektur und Ökologie, Interpretationen von Gartenkulturen oder Fragestellungen über Windparks und Landschaftswahrnehmung bis hin zu Vorträgen über Migration und Integration durch geschickte Landschaftsarchitektur zeigten die Bandbreite des Diskussionsangebotes. Gemeinsame Mittag- und Abendessen sowie interessante Ausflüge rundeten das Programm ab und ermöglichten es, neue Kontakte zu knüpfen, Ideen auszutauschen und mit verschiedensten Kulturen in Berührung zu kommen.
Kommentare und Antworten