dergartenbau: Wann und in welchem Zusammenhang sind Sie erstmals mit der Schalltomografie bei Bäumen in Kontakt geraten?
Hans-Jürg Bosshard: Ausschlaggebend war für uns der Fall, als ein unter einem Baum parkiertes Auto durch einen Astbruch beschädigt wurde. Der Betroffene hat die Stadtverwaltung eingeklagt und argumentierte, dass sie für diesen Schaden haftbar zu machen sei. Die Gerichte haben so geurteilt, dass die Stadtverwaltung ihre Sorgfaltspflicht erfüllen müsse und ihre Bäume regelmässig hinsichtlich Sicherheit zu überprüfen habe. Wenn diese Kontrollen gemacht wurden und dokumentiert werden können, erlischt die Haftung der Stadtverwaltung. Das war in den frühen neunziger Jahren passiert und hatte zur Folge, dass wir seither jährlich zweimal alle unsere Bäume überprüfen mussten. Anfänglich geschah dies optisch und mit Hammer und allenfalls dem Zuwachsbohrer. Im Zuge der immer anspruchsvolleren Ausbildung in der Baumpflege wurden diese Methoden immer weiter verfeinert und können heute ohne weiteres als
Wissenschaft bezeichnet werden.
Wie erfüllt Grün Stadt Zürich aktuell ihren Sicherheitsauftrag?
Bosshard: Unsere Kontrollen erfolgen seit diesem Jahr neu nach dem sogenannten Hamburger Modell, wobei Jungbäume bis zu ihrem 15. Standjahr noch nicht kontrolliert werden müssen. Die älteren Bäume werden jährlich überprüft und die sogenannten Problembäume zweimal jährlich, alles in allem ein feinmaschiges Kontrollraster auf immer professionellerem Niveau.
In welchen Fällen ist besonderes Aufmerksamkeit gefragt?
Bosshard: Baumalleen stellen juristisch betrachtet einen Spezialfall dar. Wenn diese nahe genug an einer Strasse stehen, unterliegen sie nicht der Grünzonenverordnung, sondern dem Strassengesetz, und die Gefährdungssituation ist verschärft. Ebenso gibt es mehr oder weniger sensible Gebiete in der Stadt: Der Stadelhoferplatz beispielsweise mit einer täglichen Frequenz von 20 000 Personen verlangt eine andere Aufmerksamkeit als eine Quartierstrasse. Aktuell sind wir im Zuge einer europaweiten Entwicklung auch gerade damit beschäftigt, alle Kinderspielplätze der Stadt in einem speziellen Kataster zu erfassen.
Wann ist für Grün Stadt Zürich eine Arbotom-Baumanalyse sinnvoll?
Bosshard: Der Schalltomograf kommt bei durchschnittlichen Bäumen eher selten zum Einsatz. Es sind vor allem ältere und exponierte Bäume, bei denen wir gerne diese Expertisen anfordern. Wir erhalten so eine zweite, externe Meinung. Dies ist nicht nur gegenüber Drittparteien glaubwürdigkeitsstiftend, wir erhalten so auch Zugriff auf Informationen, die wir selber gar nicht erheben können. Besonders wertvoll ist für uns die Wurzelanalyse, mit der wir sogar durch eine Betonschicht sehen können. Bei baulichen Veränderungen stellt sich nämlich immer wieder die Frage nach dem Wurzelverlauf von angrenzenden Bäumen – eine der wichtigsten Informationen hinsichtlich der Standfestigkeit eines Baumes. Mit den Ergebnissen der Wurzelanalyse können wir diese bisherige Informationslücke schliessen und geplante Massnahmen nachvollziehbar begründen. Das Wissen um den tatsächlichen Zustand eines Baumes hilft bei mehreren beteiligten Parteien auch mit, die Kontroversen um geplante Massnahmen sachlich führen zu können.
Wie zweckmässig ist die Darstellung der Messergebnisse?
Bosshard: Mit der Möglichkeit, das Innenleben eines Baumes durch Bilder darzustellen, sind wir hinsichtlich der Wissenssicherung und Dokumentationsfähigkeit besser bedient, als das mit Wörtern alleine möglich wäre. Andere Analyseformen liefern zwar grosse Mengen an Daten, aber anstelle eines gesunden Gesamteindrucks verliert man sich beim Lesen oft in Zahlenfriedhöfen. Die visuell gut aufbereiteten Daten der Arbotom-Baumanalyse erlauben einen schnellen und zuverlässigen Einblick ins Innere eines Baumes.
Wo liegen die Vorteile der Arbotom-Baumanalyse?
Bosshard: Für uns ist es ein zentraler Pluspunkt, dass der zu untersuchende Baum durch die Untersuchung selbst nicht verletzt wird. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass mit Analysebohrungen oft auch ein Einfallstor für Pilzbefall geschaffen wurde. Da Pilzbefall in den letzten Jahren zu einem immer wichtigeren Thema geworden ist, sind auch kleinere Verletzungen der Bäume ein relativ grosses Risiko, das wir wenn immer möglich vermeiden wollen.
Was erwarten Sie von der künftigen Entwicklung?
Bosshard: Die systematische Erfassung aller Grünflächen und damit auch aller Bäume in GPS-gestützten Datenbanken ist schon ziemlich weit fortgeschritten. Vor diesem Hintergrund liegt eine Anbindung weiterer baumspezifischer Informationen, wie eben Ergebnisse einer Arbotom-Baumanalyse, auf der Hand. So entsteht für jedes Element in dieser Datenbank eine Historie, die nicht nur die zyklische Planung der Pflege insgesamt vereinfachen wird, sondern die auch mittel- und langfristige Veränderungen der einzelnen Bäume ersichtlich macht.
Mehr als 70 000 Bäume
Zu den weit über 20 000 Strassenbäumen kommen nochmals etwa 50 000 Bäume in Parks, Friedhöfen und anderen öffentlichen Anlagen hinzu. Nicht eingerechnet sind hierbei die Exemplare in den Stadtwäldern.
Arbotom-Baumanalyse: der Blick in den Baum
Auf dem Prinzip der Computertomografie beruhend, wie sie auch in Spitälern zum Einsatz kommt, erlaubt diese Analyseform einen Blick ins Innere eines Baumes. Dabei können nicht nur ganze Stammabschnitte, sondern sogar Wurzeln erfasst und dargestellt werden, selbst wenn diese sich unter einer Betonschicht befinden. Mittels Schallimpulsen, die sich in Abhängigkeit von der Dichte des zu durchdringenden Objektes unterschiedlich schnell bewegen, werden 2-D- und 3-D-Darstellungen erzeugt, die einen allfälligen Kalamitätsbefall zeigen und Rückschlüsse auf die Standfestigkeit des Baumes erlauben.
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