Stationen der einwöchigen Studienreise waren die berühmten Pärke
Nieborow und Arkadia, die 70 km entfernt im Südwesten von Warschau liegen. Sie gehören zu einem im 17. Jahrhundert erbauten Landsitz der polnischen Adelsfamilien. Das Fürstenpaar Radziwill kaufte im Jahre 1774 das Anwesen und baute es zu einem Familiensitz um. Einige Jahre später liess die in Polen bekannte Fürstin Helena Radziwill die beiden Parks nach ihren Wünschen umgestalten und ausbauen. Diese sind durch eine 4,5 km lange Lindenallee verbunden. Die Fürstin erschuf in ihrem Garten eine romantische Idylle in einer Zeit, in der Polen schwer von inneren und äusseren Konflikten heimgesucht wurde.
Der Nieborow-Park ist der Landsitz der Familie Radziwill. Das Zentrum bildet das barocke Schloss mit grosszügiger Zufahrt und vielen Nebengebäuden wie einem Dienstheim, einer Gärtnerei den Ställen und zweier Orangerien (Tropenhäuser der Fürsten). Direkt an der Hinterseite des Schlosses beginnt die Parkanlage mit einem chaussierten Platz und barocken Buchs- und Sommerflorelementen. In der Mittelachse des Parks verläuft eine markante 300 m lange Lindenallee. Die 160-jährigen Alleebäume umschliessen ein 10 m breites Rasenfeld. Am Ende der Allee befindet sich ein trockengelegter Kanal als Abgrenzung zum umliegenden Kulturland. Zwei 300-jährige Platanen markieren den Blick zurück zum Schloss. Auf westlicher Seite des Schlosses ist ein 450 m langer und rund 15 m breiter Kanal angelegt, der ein grosses L bildet. Dies markiert die Grenze zwischen dem
barocken Parkteil und dem nur noch in Teilen vorhandenen Landschaftspark.
Arkadia-Park
Etwa 4,5 km nordwestlich von Nieborow in Richtung Lowicz liegt der Garten der Prinzessin Helena Radziwill (1753 bis 1821). Das rund 15 ha grosse Anwesen wurde als englischer Landschaftspark im romantischen Stil erbaut. Der Park besteht aus einem locker gepflanzten Wald, der sich mit offenen Wiesenflächen abwechselt. Zentrales Element ist der über 1 ha grosse künstliche See mit einem griechisch/römischen Tempel, der sich am Südufer befindet. Der Tempel ist nur eines von vielen, zum Teil gut versteckten Bauwerken im Park.
Es fiel uns auf, dass bei der grossen Lindenallee viele Bäume verschnitten wurden. Dies führte zu Fäulnis, die sich bis zum Stamm hinunter verbreitete. Die meisten Stämme sind nun hohl. Alle Bäume wurden in den letzten Jahren registriert und in ein Baumkataster aufgenommen. Nun können sie nicht einfach gefällt und ersetzt werden. Der Versuch, durch Stockausschläge neue Bäume heranzuziehen, scheiterte aufgrund der starken Beschattung durch die alten Bäume.
Wilanow-Park oder das «polnische Versailles»
Der als «polnisches Versailles» bezeichnete Wilanow-Park war für uns der Höhepunkt der Besichtigungen. Kaum vorstellbar, was es bedeutet hatte, solch einen riesigen Palast mit Parkanlage wieder aufzubauen. Der Palast wurde im Warschauer Stadtteil Wilanow erbaut. Die Bauzeit für diesen ansehnlichen Palast dauerte nur drei Jahre. 1679 wurde der im Auftrag des damaligen Königs (Jan III. Sobieski) gebaute Palast fertiggestellt. Nach 1700 wechselte das wertvolle Objekt mehrmals den Familienbesitz. Sie gestalteten den Palast in der folgenden Epoche um. Nach dem Warschauer Aufstand 1944 wurde der Palast von den deutschen Wehrmächten geplündert und in Brand gesetzt. Das Ziel der Deutschen war es, die Symbole der polnischen Kultur zu zerstören. Dies konnte jedoch durch das Vorrücken der Roten Armee (Sowjetarmee) verhindert werden. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Palast schliesslich in seiner ursprünglichen Barockform wieder aufgebaut.
Der zum Palast gehörige Park gilt als einer der schönsten barocken Gärten in Europa. Der Park gliedert sich in einen barocken und einen landschaftlich gestalteten Teil. Während man im geordneten Barockteil gelesen und die exotischen Pflanzen der Orangerie bestaunt hatte, konnte man im waldähnlichen Teil sogar auf die Jagd gehen. Im landschaftlichen Parkteil gibt es einige markante, chinesische Elemente. Der 45 ha grosse Park wurde wie das Schloss in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts erbaut. Ebenso wie der Palast musste der Garten nach dem Warschauer Aufstand erneut aufgebaut werden. Das Schloss wurde erst vor Kurzem frisch gestrichen, deswegen sticht es mit seiner grellen, gelben Farbe stark hervor. Man sieht, dass sehr viel Geld investiert wird, um die Parkanlage in ihrem alten Glanz erstrahlen zu lassen. Im Landschaftspark befindet sich eine alte, römische Brücke. Sie wird als nächstes renoviert. Da der Palast auch als Regierungsgebäude diente, hatte man alle Wege asphaltiert, um schmutzigen Schuhen vorzubeugen. Diese Wege sollenin Zukunft wieder in ihre ursprüngliche chaussierte Form rückgebaut werden. Dass das Budget begrenzt ist, wurde im Eingangsbereich ersichtlich. Ein grosses Sommerflorbeet wurde während unseres Besuches aufgelöst und mit Rollrasen bedeckt, um die Unterhaltskosten zu minimieren.
Der Lazienki-Park
Mitten im Herzen der Hauptstadt Polens, zwischen dem Stadtzentrum und der Weichsel, findet man den zum Verweilen einladenden Lazienki-Park. Der Park umfasst 76 ha und ist der grösste und beliebteste Park Warschaus. Der im 18. Jahrhundert erbaute Park ist eine komplette Rekonstruktion, da dieser im Zweiten Weltkrieg nahezu vollständig zerstört wurde. Der Park diente anfangs als Sommerresidenz des Könighauses. Später ging er an den russischen Zaren über, bevor er in polnischen Staatsbesitz fiel. Diese Machtwechsel prägten den Park sichtbar. Es besteht ein Mix aus barocken Gartenteilen und englischem Landschaftsgarten. Der historisch geprägte Park besteht aus Dutzenden Teichen, die durch die natürliche Verschiebung der Weichsel entstanden sind. Die Hauptattraktion unter der Vielzahl von Palästen, Pavillons, Statuen und Denkmäler ist das Amphitheater, das noch oft genutzt wird. Ebenfalls integriert ist der Belveder-Palast, in dem bis vor Kurzem der Staatspräsident Polens residierte.
Die Pflege der Bauten mit den direkt angrenzenden Grünflächen ist sehr intensiv. Die Rabatten werden aufwendig mit blühfreudigem Wechselflor und Stauden geschmückt. Aus Zeit- und Kostengründen können die weitläufigen Flächen nicht mit demselben Engagement unterhalten werden. Lange Lindenalleen mit Wiesenflächen oder grosse Parkbäume vereinfachen den Unterhalt. Die Pflege wird durch Staatsgelder finanziert.
Die gewaltige Grösse des Parks faszinierte uns am meisten, da in der Schweiz solch weitläufige öffentliche Gartenanlagen kaum existieren. Der frisch renovierte «Wasserpalast» im Lazienki-Palast harmoniert einmaligmit der idyllischen Umgebung und dem Zusammenspiel von Wasser.
Dachgarten der Universität Warschau
Die Bibliothek der Universität von Warschau liegt in der Altstadt und besticht durch ihre moderne Architektur. Sehenswert ist der Dachgarten, der zu den grössten in Osteuropa zählt. Der auf zwei Ebenen verlaufende Dachgarten befindet sich auf dem Hauptgebäude der Bibliothek. Die obere Ebene mit einer Fläche von rund 2000 m2 ist durch einen Bachlauf, der in einen Wasserfall mündet, mit der unteren Ebene von 5000 m2 verbunden. Dieser Teil ist als Landschaftspark gestaltet und weist eine Vielzahl von Sitzgelegenheiten an ruhigen idyllischen Orten auf. Es ist ein Ort, an dem man Ruhe findet vor dem Getümmel der Grossstadt. Von einem Aussichtsturm aus geniesst man den Ausblick auf die Flusslandschaft der Weichsel. Der Blick reicht bis zur berühmten Swietokrzyski-Brücke. Mitten in einer Grossstadt erwartet man nicht, eine solche grüne Oase vorzufinden und erst recht nicht auf einem Dach. Die Studenten, wissenschaftlichen Angestellten der Universität und Bewohner von Warschau nutzen den Dachgarten als Erholungs- und Rückzugsort, dadurch ist er einer der beliebtesten Treffpunkte in Warschau. Aus Sicherheitsgründen ist der Dachgarten eingezäunt. Es sind spezielle Rankgerüste aus oxidiertem Kupfer angelegt worden. Ein fast komplett überwachsener Pavillon aus Chromstahlseilen bildet einen weiteren Eyecatcher.
Museum der Geschichte polnischer Juden
20 Jahre hat es gedauert, bis das Museum der Geschichte polnischer Juden seine Türen öffnen konnte. Es wurde 2007 auf dem ehemaligen Gelände des Warschauers Ghettos teileröffnet, aber erst im Jahre 2014 komplett fertiggestellt. Es zeigt eindrücklich die lange Geschichte jüdischen Lebens in Polen bis zum Zweiten Weltkrieg und die Auswirkungen nach dieser Zeit, in der 90 % der polnischen Juden ihr Leben verloren. Auf mehr als 4000 m² gibt es acht chronologisch angeordnete Abteilungen, in denen die ganze Geschichte der polnischen Juden von der Ansiedlung über den Holocaust bis zum heutigen Zeitpunkt aufgerollt wird. Technikerklasse 15/17 HF
Museum des Warschauer Aufstandes
Das Museum des Warschauer Aufstandes liegt mitten im Herzen der Stadt, in einem alten Gebäude aus dem Jahre 1908. Aufgezeigt wird die bewegte Geschichte rund um die Ereignisse des Warschauer Aufstandes vom 1. August bis 2. Oktober 1944. Über drei Stockwerke verteilt präsentieren sich die Exponate. Wir bekommen nicht nur die Heldentaten der Warschauer Widerstandskämpfer zu sehen, sondern auch die vielen Gräueltaten der Besatzer. Sicherlich einige der dunkelsten Stunden in Polen. In der Ausstellung sind viele Originalstücke zu sehen. Neben den Kleidern und Waffen machen uns vor allem die Bilder deutlich, wie schrecklich diese Zeit während des Aufstandes gewesen sein muss.
Es ist gut, die geschichtlichen Ereignisse zu kennen. Denn auch die Gartenkunst wurde durch alle Epochen stark durch die Geschehnisse der damaligen Zeit geprägt. Für uns ist es faszinierend, zu erkennen, wie trotz all dieser Schrecken und der grossen Zerstörung doch manches Schöne diese Zeit überlebt hat, darunter auch einige der Gartenanlagen in Warschau.
Technikerklasse 15/17 HF
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