«Die Jugend kennzeichnet nicht einen Lebensabschnitt, sondern eine Geisteshaltung; sie ist Ausdruck des Willens, der Vorstellungskraft und der Gefühlsintensität. Sie bedeutet Sieg des Mutes über die Mutlosigkeit, Sieg der Abenteuerlust über den Hang zur Bequemlichkeit.» (Albert Camus)
Räumlich und fachlich über den Tellerrand sehen
Am diesjährigen Kongress der Europäischen Junggärtnervereinigung (CEJH) nahmen «jugendliche» Fachleute von 16 bis fast 60 Jahren teil. Es war dies eine kunterbunte Gruppe von Gärtnerinnen und Gärtnern aus allen Sparten der Grünen Branche – vom GaLaBau, über Stadtgärtnereien, den Gemüsebau und Baumschulen bis hin zu Floristik, Zierpflanzenbau und Landschaftsarchitektur. Sie kamen aus Estland, Luxemburg, Dänemark, Schweden, Italien, Österreich, Deutschland und der Schweiz angereist, um über unterschiedlichste Bildungsabschlüsse hinweg fünf gemeinsame Tage zu verbringen. Ob Lernender oder Betriebsleiter, völlig egal, zusammen wollten sie in der Schweiz Neues sehen, auch Fachfremdes entdecken, den Horizont erweitern, sich fortbilden und austauschen, Kontakte knüpfen und pflegen, feiern und Spass haben. Wie für CEJH-Kongresse üblich, war das alles auch in diesem Jahr zu einem höchst attraktiven Preis (450 Euro) zu haben – dank harter Kalkulation, wohlwollenden Sponsoren und einfachen Unterkünften (Internat der Gartenbauschule Oeschberg, Jugendherberge in Lugano). Geboten wurde ein sehr dichtes und abwechslungsreiches Programm, bei dem stets frühes Aufstehen angesagt war.
Für jeden Geschmack etwas Spannendes
Der erste Tag bot eine Stadtführung zum Thema «Lust und Laster» in Bern, die Besichtigung der Kleinen Schanze mit dem Bereichsleiter Grünflächenunterhalt (Max Jaggi) der Stadt Bern, den Besuch der Firma Ricoter in Aarberg sowie die Besichtigung des Papiliorama in Kerzers und der Schokoladenfabrik Cailler in Broc. Am nächsten Tag war die Gruppe bei der Firma Bächler + Güttinger zu Besuch. Anschliessend ging es je nach Vorliebe zum River Rafting oder auf die Schynige Platte (Alpengarten). Den Ausklang fand der Tag bei Wyss Samen und Pflanzen in Zuchwil, wo das Gartencenter und der Versuchsgarten besichtigt wurden. Der Mittwoch bot «Florales» (Orchideen in der Gärtnerei Amsler, Sirnach), «Steiniges» (Steinbruch Bärlocher, Steinbruch Toscano) und eine Fahrt über die Alpen ins Tessin. Dort wurde am nächsten Tag die Baumschule Eisenhut in San Nazarro mit dem Botanischen Garten besucht. Anschliessend folgte eine Schifffahrt zu den Brissago-Inseln mit dem Botanischen Garten des Kantons Tessin. Der letzte Kongresstag bot eine Fahrt über den Nufenenpass ins Wallis, wo ein Rundgang mit einem Ökologen auf der Waldbrandfläche in Leuk einen vertieften Einblick in die Etablierungsprozesse der Flora ermöglichte. Zudem wurde die biologische Samengärtnerei von C. u. R. Zollinger in Les Evouettes besichtigt. Zurück auf dem Oeschberg fand abends das Abschlussgaladinner statt. In dessen Rahmen wurde der neu gegründete Schweizer Junggärtnerverein (vgl. Kasten) vom Dachverband CEJH auf europäischer Ebene willkommen geheissen. Philipp Weber, Präsident des Schweizer Junggärtnervereins und Mitorganisator des diesjährigen CEJH-Kongresses, zieht eine positive Kongressbilanz: «Es lief gut, alles hat geklappt und die Rückmeldungen waren erfreulich. Was wie gut gefallen hat, ist allerdings individuell sehr unterschiedlich.»
Beeindruckt auch von den Betrieben
Christian De Marchi, der bei der Stadtgärtnerei Bozen arbeitet und zum vierten Mal an einem CEJH-Kongress teilnahm, fand die besuchten Firmen «top». «Wahnsinnig, wie die logistisch drauf, durchorganisiert und ordentlich sind», meinte er zu Bächler + Güttinger. Und er schwärmte: «So viel Schokolade in so kurzer Zeit wie bei der Degustation bei Cailler habe ich noch nie in meinem Leben gegessen.» Tom Penning, der in Differdange, der drittgrössten Gemeinde von Luxemburg, die Abteilung Unterhalt leitet, fand es höchst spannend, zu erfahren, wie in der Stadt Bern die ökologische Vielfalt in den Anlagen erhalten und gefördert wird. Für den Kongress-Veteran Uwe Pelz aus Norddeutschland war zwar «alles ein bisschen kurz», aber «sehr schön».
CEJH-Präsidentin Maria Palusalu erzählt, sie sei schon im Vorfeld überzeugt gewesen, «dass es grossartig und spannend wird». «Super Betriebe» habe sie gesehen, das River Rafting sei «wirklich cool» gewesen und das Tessin ein Höhepunkt, so die Estländerin, die froh ist, dass nun auch die Schweiz einen Junggärtnerverein hat. Bastian Heller, Leiter der CEJH-Geschäftsstelle und Geschäftsführer der grössten nationalen Junggärtnervereinigung (Arbeitsgemeinsch. deut- scher Junggärtner, 2000 Mitglieder), war noch nie in der Schweiz. Er meinte zu den besichtigten Firmen: «Da wird sehr professionell gearbeitet, die Betriebe sind gut aufgestellt und fortschrittlich.»
Schweizer Junggärtnerverein
Am 5. Juli 2012 fand in Winterthur die erste Generalversammlung des Schweizer Junggärtnervereins statt. Neben der Festlegung des Jahresbeitrages (Fr. 25.–) galt der Anlass dem Kennenlernen der Anwesenden und der Ermittlung gemeinsamer Interessen. P. Weber
Teilnehmende aus vier Ländern geben Auskunft
Wie hast du vom Junggärtner-Kongress in der Schweiz erfahren?
Mauro Schaniel, Schweiz: In der Firma lag dergartenbau auf. Darin habe ich das Kongressinserat gesehen.
Rikard Janson, Schweden: Über Facebook, es gibt dort eine CEJH-Gruppe.
Christian Stoos, Luxemburg: Am letztjährigen Kongress in Luxemburg wurde die Schweiz als nächster Veranstaltungsort vorgestellt.
Carolin Horst, Deutschland: Da ich schon an verschiedenen CEJH-Kongressen teilnahm, war ich informiert. Ich bin auch als Vertreterin des deutschen Bundesvorstands der Junggärtner hier.
Welche Erwartungen an den Kongress hattest du im Vorfeld?
Carolin Horst (D): Ich hoffte auf ein ausgewogenes Programm, nette Leute, neue Gesichter, nicht nur fachliche, sondern auch regionale und kulturelle Themen. Alles ist eingetroffen.
Christian Stoos (L): Die Schweiz in ihrer Vielfalt kennenzulernen. Zu sehen, wie öffentliche Gartenbauämter in der Schweiz arbeiten.
Rikard Janson (S): Die Erwartungen waren eigentlich weder gross noch detailliert, ich hoffte nur, neue Leute aus der gleichen Branche aus anderen Ländern zu treffen und eine gute Zeit zu haben.
Mauro Schaniel (CH): Ich habe mir vorgestellt, dass es weniger Teilnehmer hat und nicht so viele verschiedene Stationen besucht werden.
Welcher Programmpunkt oder welcher Event hat dir an diesem Kongress am besten gefallen?
Christian Stoos (L): Das River Rafting.
Mauro Schniel (CH): Das Tessin.
Carolin Horst (D): 3. Das Tessin in Kombination mit dem herrlichen Wetter und den mediterranen Pflanzen.
Rikard Janson (S): Die Brissago-Inseln.
Wie würdest du jemandem, der den Kongress nicht kennt, diesen Anlass schmackhaft machen?
Rikard Janson (S): Es ist eine super Sache, neue Leute kennezulernen, die die gleichen Interessen haben. Man sieht so viel, was man in normalen Ferien nie sehen würde. Es ist ein guter Mix aus Fachkenntnis und Spass.
Carolin Horst (D): Es ist eine Kombination aus Urlaub und fachlicher Weiterbildung. Eine Chance, neue Menschen kennenzulernen und sich persönlich und fachlich weiterzubilden.
Mauro Schaniel (CH): Es ist eine ideale Gelegenheit, sich unter Gärtnern auszutauschen und Kontakte zu neuen Personen zu knüpfen. Eine gute Sache.
Christian Stoos (L): Man sieht, wie Gärtner in anderen europäischen Ländern arbeiten, und lernt viele neue Leute aus der Branche kennen.
Bist du nächstes Jahr am Kongress in Österreich dabei?
Christian Stoos (L): Wenn es von den Ferien her klappt, sicher.
Mauro Schaniel (CH): Ziemlich sicher, wenn es zeitlich passt.
Carolin Horst (D): Ja.
Rikard Janson: Ja, ich bin dabei.
Interview: Andreas Kopp
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