Aus der Schweiz waren am diesjährigen Kongress mit Wyss und Hugo Dittmar zwei Fleuroselect-Mitglieder vertreten. Fleuroselect unterstützt die Einführung neuer Sorten mittels Vergleichsanbauten in 20 privat geführten Versuchsgärten, die sich über den ganzen europäischen Kontinent verteilen. Neuheiten, die sich bezüglich Innovation, Nutzen, Qualität und Exklusivität deutlich von den herkömmlichen Sorten abheben, werden mit dem FleuroselectNeuheitenprädikat oder der Fleuroselect-Goldmedaille ausgezeichnet.
Zu Gast beim wichtigsten Player im weltweiten Zierpflanzengeschäft
Die Firma Pan American Seed zählt zur Ball Horticultural Company, die sich «Nur das Beste und nichts Anderes» auf die Fahne geschrieben hat. 1905 als Schnittblumenhändler gegründet durch Georg J. Ball, beschäftigt die Firma heute über 3000 Mitarbeitende auf sechs Kontinenten und in 18 Ländern. Nebst Pan American Seed zählen mit Ball Flora Plant, Darwin Perennial, Ball Helix und Kieft Seed vier weitere Züchtungsunternehmen zu Ball. Zusammen mit den zehn Samen-, Stecklings- und Jungpflanzen-Produktionsstätten, den zahlreichen Vertriebsgesellschaften und dem Verlag Ball Publishing macht dies Ball zum wohl wichtigsten Player im weltweiten Zierpflanzengeschäft. Doch bei all dieser unglaublichen Grösse ist Ball nach wie vor ein Familienunternehmen und wird heute in dritter Generationvon Anna C. Ball geführt. Sie leitet das Unternehmen mit grosser Leidenschaft für Blumen und Menschen, was bei ihrerBegrüssungsrede im Eingang des Schau-gartens von Ball deutlich wurde. Möglicherweise liegt darin einer der Erfolgsfaktoren des Unternehmens.
Der Besuch des Schaugartens von Ball markierte einen der Höhepunkte der Fleuroselect Convention. Die Entwicklung des 1933 entstandenen Gartens reflektiert die Geschichte des Unternehmens. Er hat sich über die ganzen Jahre und Jahrzehnte gewandelt: Was zu Beginn ein reiner Versuchsgarten zum Testen sämlingsvermehrter Blumen war, ist heute ein weitverzweigter Schaugarten mit unzähligen ineinander verschachtelten Räumen. Die verschiedenen Bereiche beherbergen die heute von Ball gehandelten Sorten von einjährigem Sommerflor, Gemüse, Stauden und Rosen, gesäumt von Sträuchern und Bäumen. Konzipiert wurde der heutige Garten von einem der renommiertesten Landschaftsarchitekten in Illinois, Douglas Hoerr aus Chicago.
Bei der Besichtigung der Versand- und Lagerräume, der Samenabfüllung, des Keimlabors und der Samenveredelung wurde jeder samenversierten Fachperson noch etwas bislang Unbekanntes präsentiert. Die neu in Betrieb genommene und gemeinsam mit einem Hersteller entwickelte computerunterstützte Samenzählmaschine war einer der «Wow»-Faktoren. Die Samen werden mittels Bildaufnahmen während des Fallens gezählt, aufs Korn genau. Eine Methode, die deutlich schneller und genauer funktioniert als die bisherigen Zählmöglichkeiten. Auch die Auszählung der Keimlinge im Keimlabor wird mittels Computerunterstützung betrieben. Die Farben und Grössen der Keimlinge in den Zellen geben nicht nur Auskunft über die Keimfähigkeit, sondern auch über die Anzahl Keimlinge, die sich unter gärtnerisch normalen Bedingungen zu vollwertigen Pflanzen entwickeln. Ball verwendet dafür den Begriff der «nutzbaren Pflanzen». In der Samenveredelung durften die Gäste Zeugen des Coating-Prozesses sein, der bei unförmigen Samenarten wie Tagetes angewendet wird, um die Verarbeitung und Keimung zu verbessern. Das gleiche Prinzip also wie beim pillierten Saatgut.
Grüne Oasen in Downtown Chicago
Das Rahmenprogramm der Veranstaltung führte die über 100 Besucherinnen und Besucher in die Innenstadt von Chicago. Diese ist geprägt von grossflächig angelegten Parks, umgeben von unzähligen Wolkenkratzern. Der etwa 99 000 m2 grosse Millennium Park ist seit seiner Eröffnung im Jahr 2004 eine der Hauptattraktionen Chicagos. Dies dürfte insbesondere am Herzstück des Parks liegen, am Jay Pritzker Pavilion, einer Konzertmuschel, die vom Architekten Frank Gehry entworfen wurde. In Kombination mit der auf dem grossflächigen Rasen stehenden Edelstahlkonstruktion mit Soundsystem, soll das Sounderlebnis einem Konzertsaal in nichts nachstehen. Die Konzertmuschel wird häufig genutzt und die eintrittsfreien Konzerte werden sehr gut besucht. Mit der Cloud Gate, einer Edelstahl-Skulptur mit spiegelähnlicher Oberfläche, die aufgrund ihrer an eine Bohne erinnernden Form besser als «The Bean» bekannt ist, bietet der Millennium Park eine weitere Attraktion.
Eine Oase der Ruhe und Entspannung inmitten Downtown Chicago empfängt einen im Lurie Garden. Dieser 20 000 m2 grosse Garten liegt südlich angrenzend an den Millennium Park. Die dichte Kombinationspflanzung aus Stauden, Gräsern, Sträuchern und Bäumen sorgt für einen ungewohnten Wohlfühleffekt. Der Garten wird auch schon mal als grösste bekannte Dachbegrünung bezeichnet, denn unter dem Park befinden sich eine Tiefgarage und eine U-Bahn-Station.
Noch weiter südlich von Millennium Park und Lurie Garden wurden die Kongressteilnehmenden im Grant Park in ein «Art on the Farm»-Projekt (Kunst auf dem Bauernhof) eingeführt, das von Jugendlichen, meist Studierenden, betreut wird. Die Bepflanzung der Rabatte erfolgte ausschliesslich mit Gemüse, Kräutern und Blumen mit essbaren Blüten; es wird biologisch kultiviert. Zum Ende der Vegetationsperiode soll das angebaute Gemüse an interessierte Einwohnerinnen und Einwohner verteilt werden. Das Projekt überzeugt insbesondere durch die begeisterten Jugendlichen, die ein nachhaltigeres Amerika repräsentieren.
Urban Farming – inklusive Fisch- und Pilzzucht
Um Nachhaltigkeit oder vielmehr um Urban Farming ging es auch bei einem weiteren Zwischenhalt auf der Fleuroselect-Tour, und zwar bei der Plant Chicago. Eine stillgelegte Fabrik wurde zum Versuchs- und Lernobjekt für nachhaltige und geschlossene Produktionskreisläufe. Der Abfall des einen Produktes wird dabei als Dünger oder Grundlage für die Herstellung eines anderen Produktes genutzt. Bestes Beispiel und auch schon andernorts zu sehen war die Aquaponic-Farm im Keller der Fabrik. Die in Wasserkultur gezogenen Gemüse reinigen das aus der Fischzucht stammende verschmutzte Wasser, nutzen die Rückstände als Dünger und das gereinigte Wasser geht im Kreislauf zurück in die Fischbecken. Der Wasserverbrauchwird dadurch minimiert und das Gemüse gibts als Bonus dazu. Dasselbe Prinzip wird mit einer ebenfalls in der Fabrik angesiedelten Pilzzucht versucht: Die Abfälle aus der Kaffeerösterei im ersten Stock dienen als Substrat für die Pilze, die im Keller in klimatisierten Räumen gezogen werden. Zur Abrundung des ganzen Projektes soll künftig auch eine Biogasanlage dazukommen, um den benötigten Strom selbst herzustellen. Für Interessierte lohnt sich ein Blick auf www.plantchicago.org.
Zum Abschluss der Besichtigungsfahrt gings auf dem Boot in den von Wolkenkratzern gesäumten Kanal und über die Schleuse auf den Michigansee, von wo die «Fleuroselectianer» einen einmaligen Blick auf die Skyline von Chicago zu sehen bekamen.
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