Nach 17 Jahren Bauzeit wurde am letzten Wochenende der neue Gotthard-Basistunnel fahrplanmässig in Betrieb genommen. Er ist mit 57 km der längste Eisenbahntunnel der Welt. Doch die Schweiz kann ihre Höchstleistungen nicht nur im Tunnelbau unter Beweis stellen, die Topografie hat auch eine Vielzahl an Brücken aller Art erzwungen. Dazu gehören die sagenumwobene Teufelsbrücke (auf dem linken Flussufer sind heute nur noch ihre Fundamente zu sehen) ebenso wie das werbewirksame Landwasser-Viadukt im Netz der Rhätischen Bahn nahe Filisur (Steinbogenbrücke von 142 m Länge), das Weltkulturerbe der Unesco ist.
Neue Fussgängerbrücken haben in den letzten Jahren immer wieder für Aufmerksamkeit gesorgt und werden von der Tourismusbranche auch gepuscht. Die einen wecken aufgrund ihrer Höhe über Grund, ihrer Spannweite oder ihrer «wankenden» Konstruktion die Neugier. Anderen verhelfen juristische Diskussionen zu medialer Präsenz, werden doch aufgrund der aussergewöhnlichen Linienführung oft landschaftsschützerische und privatrechtliche Aspekte tangiert – insbesondere im Bereich von Seeufern. Nach über sechs Jahren Gerichtsstreitigkeiten (bis vor das Bundesgericht) konnte im Oktober 2014 die Stadt Zürich mit den Bauarbeiten für den Cassiopeiasteg beginnen. Er erweitert den städtischen Seeuferweg zwischen der Roten Fabrik und dem Hafen Wollishofen. Seit Frühjahr 2015 können die Spaziergänger über den See flanieren.
Über das Wasser gehen
284 m lang und 2,8 m breit ist der Cassiopeiasteg. Bei der Namensgebung stand das gleichnamige Sternbild aufgrund seiner ähnlichen Form Pate. «Der Seeuferweg dient dem Flanieren, dem bewussten Genuss des Laufens am und über dem Wasser. Es geht nicht um Kürze oder Schnelligkeit, sondern um Aussicht, Wind und Wellen erleben und abgehoben über dem See zu gehen», heisst es im Projektbeschrieb der Planergemeinschaft Seeuferweg Wollishofen (raderschallpartner ag landschaftsarchitekten sowie Dr. Lüchinger + Meyer, Bauingenieure AG). Vom Hafen Wollishofen aus führt der Steg direkt auf die Kulisse der Kirchtürme der Stadt zu. Auf der anderen Seite des Stegs, wird der Schornstein der Roten Fabrik fokussiert. Vom Ufer aus tritt der Steg selber als Bauwerk wenig in Erscheinung. «Die Sensation wird nicht in der Konstruktion, sondern im Erlebnis gesucht», schreiben die Planenden. Die Schnittstellen der drei Stegsegmente wurden als Orte des Aufenthalts mit Sitzgelegenheiten inszeniert.
Die Stahlkonstruktion ruht auf Pfählen, die im Abstand von je rund 15 m im Seeboden verankert sind. Der Brückenbelag besteht aus robusten Eichenholzbohlen, der Handlauf aus Lärche. Das Geländer ist mit einem Seilnetz bespannt. Bei einer Höhe des Stegs von 2 m können Boote unter dem Steg durchfahren. Dies ist notwendig, da sich hinter dem Steg eine Bootsanlegestelle befindet.
Über Schluchten, Gipfel ...
Eine tolle Aussicht – und möglicherweise einen Adrenalinkick – verspricht die Überquerung der 270 m langen Hängebrücke von Monte Carasso nach Sementina. Sie ist die längste tibetanische Hängebrücke der Schweiz und als wichtiges Verbindungsstück zwischen den Wanderwegen des Bellinzonese und des Locarnese geplant worden. Bereits 1998 gab es erste Pläne für einen Brückenbau in dem Berggebiet – seit dem Frühjahr 2015 ist die Brücke (Entwurf und Statik: Filippini & Partner Ingegneria, Biasca) funktionsfähig. Das filigrane Bauwerk ist nur aus der Nähe sichtbar. Die maximale Höhe über dem Bachbett beträgt 130 m (Durchhang 14 m). Der 81 bis 97 cm breite Steg aus Lärchenbrettern wird von einem 115 cm hohen Geländer begleitet.
Für einen Adrenalinkick sorgt bestimmt auch die 107 m lange und 80 cm breite Brücke «Peak Walk» im Skigebiet Glacier 3000 bei Les Diablerets. Es ist nach Angaben der Betreiber die erste Brücke, die zwei Berggipfel miteinander verbindet. Die Brücke könne theoretisch bis zu 300 Personen gleichzeitig tragen und sei bis zu 200 km/h Windgeschwindigkeit begehbar. mountain wilderness schweiz kritisierte das Projekt anlässlich der Einweihung (Ende Oktober 2014): «mountain wilderness wehrt sich gegen diese unnötige Möblierung der Berggipfel und sieht darin einen Widerspruch zu grundlegenden Prinzipien der Raumplanung.» Die Brücke habe keine Funktion, ausser derjenigen, einer gesättigten Spassgesellschaft auf knapp 3000 m zu einem weiteren Adrenalinkick zu verhelfen.
... und Wipfel
Mit einem nicht minder spektakulären Steg wartet der Kirstenbosch National Botanical Garden in Kapstadt seit Mai 2014 auf. Der Spaziergang auf dem Tree Canopy Walkway führt nicht von Gipfel zu Gipfel, sondern von Wipfel zu Wipfel. Der 130 m lange schwebende Pfad schlängelt sich kaum sichtbar in sanften Kurven durch das Arboretum. Mal berührt er den Boden, mal schwingt er sich bis zu zwölf Meter über die Bäume und eröffnet so aussergewöhnliche Ausblicke auf die Umgebung. Die Tragstruktur besteht aus 6 m langen, vorgefertigten Elementen aus verzinktem Stahl. Als Bodenbelag kam Kiefernholz zum Einsatz. Der Handlauf besteht aus dem afrikanischen Hartholz namens Padouk. Dank der modularen Bauweise habe man Schäden an Bäumen verhindert und die Bauzeit optimieren können, heisst es auf der Website des Botanischen Gartens. Zudem habe man die Fundamente angelegt ohne Wurzelstrukturen zu zerstören. Eine Vorbedingung des Projektes sei gewesen, dass das Baumleben nicht gestört werde und der Pfad unterhaltsarm sei.
Gegenwart begegnet Zukunft
Die bisher vorgestellten Brücken und Stege kann man nach wie vor begehen. Nicht so die «Infinite Bridge», eine temporäre Brücke in Ringform. Die dänischen Architekten Gjøde & Povlsgaard zeigten ihr Projekt einer unendlichen Brücke 2015 auf dem Sculpture By the Sea-Festival in Aarhus (DK). Auf einem kleinen Hügel befindet sich der historische Varna Pavillon, ein beliebtes Ausflugsziel inmitten einer malerischen Landschaft. Früher wurde der Ort per Boot erschlossen und am Steg legten die Dampfschiffe an. Doch dieser Steg existiert nicht mehr. Mit «The Infinite Bridge» in Aarhus erinnerten die Architekten an eine Perspektive aufs Ufer, wie man sie früher von der alten Seebrücke kannte. «The Infinite Bridge schneidet das Ende dieses früheren Stegs und stellt damit für ihre Benutzer die historische Verbindung von zwei Punkten wieder her. Allerdings, und darum soll es gehen, nicht auf dem kürzesten Weg, sondern als Kreis, der Weg und Ziel zu einem unendlichen Erlebnis verbindet», schreibt Stephan Burkoff in der Baunetzwoche 421 (September 2015).
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