Für alle Lernenden, die am 1. August 2012 ihre Lehre begonnen haben, erschliesst sich in den nächsten Monaten eine neue Welt. Doch nicht allein auf sie als Einsteiger und Einsteigerinnen in die Berufswelt kommt viel Unbekanntes zu, auch die Berufsbildner und Instruktoren müssen umlernen. Die neue Gärtnerausbildung, die zum Ausbildungsbeginn am 1. August 2012 in Kraft getreten ist, bringt grundlegende Neuerungen. JardinSuisse organisiert in Zusammenarbeit mit den Kantonen ab August Schulungen für die Berufsbildner. Der Besuch ist obligatorisch. Berufsbildner werden künftig mehr Verantwortung tragen, indem sie regelmässig Standortgespräche mit den Lernenden führen, die Lerndokumentation der Lernenden kontrollieren und in einem Bildungsbericht den Bildungsstand des Lernenden festhalten.
Die Berufsfachschulen erhalten neue Standardlehrpläne als Vorgabe. Grösseres Gewicht haben künftig die überbetrieblichen Kurse, die neu auch benotet werden (Kompetenznachweis). Je nach Fachrichtung sind sieben bis neun überbetriebliche Kurse zu absolvieren. Die überbetrieblichen Kurse bilden einen Lernort ebenso wie der Lehrbetrieb und die Berufsfachschule. Für jeden Lernort werden Leistungsziele definiert. Hohes Ziel der neuen Bildungsverordnung ist die Vernetzung der Lernorte. Erworben werden Handlungskompetenzen, die im Qualifikationsverfahren geprüft werden. Die dreijährige Ausbildung in einer der vier Fachrichtungen schliesst mit dem eidg. Fähigkeitszeugnis (EFZ) ab. Neu eingeführt wird das zweijährige Berufsattest (EBA), das die Anlehre ersetzt.
Die neuen Lernenden kommen in den Genuss von druckfrischen Lehrmitteln. Über 40 Autorinnen und Autoren arbeiten daran mit. Noch ist nicht alles pfannenfertig. Die Lehrmittel für das erste Lehrjahr und die neuen Pflanzenlisten liegen bis Ende Jahr in den drei Landessprachen vor. Standard für die Pflanzenkenntnisse sind die Lernkarten von Simon Gfeller, Fachlehrer an der Gartenbauschule Oeschberg. dergartenbau sprach mit Heinz Hartmann, bei dem die Fäden des Mammutwerks «neue Gärtnerausbildung» zusammenlaufen. Hartmann ist dank seiner langjährigen Tätigkeit in der Berufsbildung im Bereich Forst gut vernetzt in der Welt der Berufsbildung. Bei seiner letzten Tätigkeit als Sicherheitsspezialist bei der Suva prüfte er betriebsspezifische Sicherheitskonzepte. Dabei war er auch für die Grüne Branche zuständig. Dies verschaffte ihm weitreichende Einblicke in die Branche. Die Erfahrungen können in seiner jetzigen Tätigkeit einfliessen. «Sicherheitsaspekte müssen bereits in der Grundbildung verankert sein», sagt Hartmann, der dafür gesorgt hat, dass die Ausbildung an der Motorsäge bei den Lernenden Fachrichtung GaLaBau im Rahmen der überbetrieblichen Kurse geschult wird. «Bildung ist meine Welt. Da kann man viel bewegen, wenn man ein bisschen Gas gibt», zeigt er sich überzeugt.
dergartenbau: Ist die Branche startklar für die neue Grundausbildung Gärtner?
Heinz Hartmann: Der Termin für die Einführung ist der 1. August 2012. Das ist noch nicht auf allen Ebenen durchgesickert. Die Schulung für die Instruktoren (vom 13. bis 17. August 2012) der überbetrieblichen Kurse sind vorbereitet. Wir schulen bewusst zeitnah, bevor die ersten Kurse im September bzw. Oktober beginnen. Wir sind mit Volldampf daran, die Hilfsmittel zu erarbeiten. Auch die Schulung der Berufsbildner ist auf dem Schlitten und die Termine mit den Kantonen sind fixiert.
Wie wird der Mehraufwand für die überbetrieblichen Kurse bewältigt?
Für eine Bewertung braucht es eine vergleichbare Basis. Jede Region hatte bislang ihre eigene Variante für die überbetrieblichen Kurse (üK). Im Forst, wo ich jahrelang in der Ausbildung tätig war, gibt es für die Holzerei seit Jahren gesamtschweizerisch einen Ordner mit allen nötigen Grundlagen. Das haben wir jetzt für die Gärtner aufgegleist und geben den Instruktoren ein detailliert ausgearbeitetes üK-Handbuch mit ca. 300 Arbeitsstandards an die Hand. Es liegen Beispiele wie Tagesprogramme, Lektionspläne für die Kursorganisation vor. Diese Unterlagen mit klar definierten Lernzielen (Arbeitsstandards) sind die Basis für eine seriöse Bewertung. Wir erarbeiten zudem die Administrations-Software Euclid. Es handelt sich hier um ein Hilfsmittel, das den Kursregionen für Planung, Bewertung, Kompetenznachweis- und Dokumentenverwaltung der üKs zur Verfügung steht. Die Regionen stellen vermehrt üK-Verantwortliche zu 100 % an, denn diese Aufgabe lässt sich nicht mehr nebenbei bewältigen. Das schafft klareVerantwortlichkeiten. Im Berufsbildungszentrum in Pfäffikon z. B. werden nächstes Jahr 900 bis 1000 Lernende die üKs absolvieren.
Wie weit sind Sie mit den üK-Handbüchern?
Der erste ükK für die Landschaftsgärtnerinnen und die Zierpflanzengärtnerinnen steht. Wir starteten im Oktober 2011 auf der grünen Wiese. Ich bin fast ein bisschen stolz darauf, was wir auf die Beine gestellt haben. Im praktischen Ansatz, da müssen wir noch Gas geben.
Wie werden die üK benotet?
Die einzelnen Kompetenznachweise ergeben die Erfahrungsnote aus den üK. Für die Bewertung wird das digitale Bewertungssystem Euclid verwendet. Die Instruktoren führen die Bewertung am Tablet oder Smartphone durch. Drei Knöpfe – grün (erfüllt) , weiss (nicht bewertet), rot (nicht erfüllt) – qualifizieren die jeweilige Kompetzenz (Fach-, Methoden-, Sozial- und Selbstkompetenz). Alle Kompetenzen werden mit den nötigen Kriterien hinterlegt. Der Berufsbildner erhält, noch bevor der Lernende zurück im Betrieb ist, die üK-Bewertung. Hat der Lernende z. B. nach zwei Tagen Motorsägehandhabungskurs die Fachkompetenzen nicht erreicht, wird der Betrieb benachrichtigt, dass der Lernende nicht selbstständig mit der Motorsäge arbeiten darf. Um Missverständnissen vorzubeugen: Die üK sind ein gutes Instrument, um Basiswissen unter Anleitung und Aufsicht zu vermitteln. Die Vertiefung, bis die Anwendung beherrscht wird, ist aber Sache des Betriebs.
Was unterscheidet die Anlehre vom neuen eidg. Berufsattest (EBA)?
Die Attestlehre bietet schulisch Schwächeren einen Einstieg ins Berufsleben mit einer eidgenössischen Abschlussmöglichkeit. Hat ein Lernender nach zwei Jahren das eidg. Berufsattest (EBA) geschafft, besteht die Möglichkeit nach dem 1. Lehrjahr (EFZ) einzusteigen und das zweite und dritte Lehrjahr zu absolvieren und schlussendlich in vier Jahren das eidg. Fähigkeitszeugnis in einer der vier Fachrichtungen zu erlangen. Das EBA ist an sich gut. Mit der Anhebung des Niveaus wird die Messlatte aber für viele zu hoch sein. Deshalb werden verschiedene Ansätze (Bund und Kantone) geprüft, wie diese Entwicklung aufgefangen werden kann.
Springen mit der Einführung der neuen Gärtnerausbildung Betriebe ab?
Ja, es gibt sicher Betriebe, die mit der neuen Bildungsverordnung nicht mehr ausbilden wollen oder können. Man sollte aber nicht vergessen: Alle verlangen Selbstständigkeit der Mitarbeitenden. Da gilt es, die Art, zu unterrichten, zu überdenken und die Chance einer neu ausgerichteten Grundbildung zu nutzen!
Qualifikationsverfahren ohne Individuelle Facharbeit
Die Wegleitung zum Qualifikationsverfahren wird diesen Herbst erarbeitet. Der erste Jahrgang der neuen Gärtnerausbildung (EFZ)schliesst 2015 ab; EBA 2014. Bei der Lehrabschlussprüfung, die neu Qualifikationsverfahren heisst, wird die Individuelle Facharbeit (IFA) fehlen. An ihre Stelle tritt die standardisierte praktische Arbeit, wie vor der Einführung der IFA. Dies erscheint als Rückschritt und widersprüchlich, wo doch gerade bei der IFA Handlungskompetenz und Selbstständigkeit im Vordergrund stehen. Beides sind bei der neuen Bildungsverordnung stark gewichtete Qualifikationen. Die Lernenden hatten durch die IFA die Chance, eine Arbeit von A bis Z selbstständig abzuwickeln und zu dokumentieren. Nicht wenige sind stolz auf das Geleistete, das von bleibendem Wert im Kunden- oder Firmengarten ist.wab.
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