Mit «Die Zeiten haben sich geändert» leitete Markus Hochstrasser, Kantonale Fachstelle Pflanzenschutz, Strickhof, Lindau, vom kurzen Rückblick auf eine Zeit, als Pfanzenschutzanwendungen staatlich subventioniert und verordnet wurden, über zu den gegenwärtigen negativen Schlagzeilen, die in den Medien vorherrschen. Von Bienensterben und gefährlichen Rückständen in den Gewässern ist die Rede.
Vorsichtiger Umgang mit Herbiziden
Die Rückstände in den Gewässern seien jedoch nicht allein der Landwirtschaft anzulasten, meinte Hochstrasser und zeigte mit einem eindrücklichen Rechenbeispiel, dass die an einem 200-ml-Messbecher haftende Wirkstoffmenge eines Pflanzenschutzmittels von 2,15 g reichen kann, 21 500 m3 Wasser zu verunreinigen, wenn der Messbecher am Lavabo statt über der Rückenspritze ausgespült wird. In seinem Referat «Herbizidverbot auf Wegen und Plätzen» wies er u. a. darauf hin, wo Herbizide verboten und wo sie erlaubt sind und nannte auch Alternativen zur Chemie wie die Drahtbürste, den Krautbesen, die Wildkrautegge oder das Heissschaumverfahren.
Umweltfreundliche Produktion
Von der Heissschaummethode zur Unkrautbehandlung auf Bändchengewebeflächen überzeugt ist Klaus Bongartz, Nettetal (D). Seit 2014 ist er Gartenbauberater mit Schwerpunkt umweltschonende Produktion und referierte zum Thema «Pflanzengesundheit unterstützen». Auf eigene Erfahrungen abgestützt, zeigte er einen möglichen Weg zum Wechsel auf die Produktion von Bio-Jungpflanzen. Ein erster Schritt sei weniger Chemie. Dann folge ein langsames Herantasten mit Pflanzenstärkung, Umstellung der Erde und Einsatz von organischen Düngern.
«Meiner Meinung nach ist dies nur in Teilschritten machbar», betonte er. Das Ergebnis seien aber eine deutliche Qualitätssteigerung, stresstolerantere Pflanzen und damit schliesslich auch die Reduktion von Pilzkrankheiten und erheblich weniger Insektenbefall. Erschloss mit den Worten: «Eigentlich ist esso einfach. Wir sollten aber jetzt anfangen,und zwar in kleinen Schritten, in Richtung umweltfreundliche Zukunft zu gehen.»
Vorbeugende Massnahmen
Zu den kleinen Schritten in eine umweltfreundliche Zukunft bzw. zu einem ökologischen Mehrwert bei öffentlichem Grün gehören vorbeugende Massnahmen, wie Esther Hospenthal, Pflanzenberaterin und Staudengärtnerin, Untersiggenthal und Weggis, erklärte. Soweit möglich seien die vorhandenen Böden zu verwenden und diese vorab gut vorzubereiten, sodass sie wurzelunkrautfrei sind. Auch die detaillierten Kenntnisse über eine Rabatte, denn jede habe eine andere Lage und evtl. Einengungen durch Schächte und betonierte Randabschlüsse, seien eine vorbeugende Massnahme. Kriterien bei der Pflanzenwahl sind für Hospenthal Herkunft, Wurzelsystem und Verhalten der Pflanze übers Jahr. Vielfalt bedeute nicht nur längere Blütezeit, sondern auch vielfältigere Nahrungsquelle für Bienen und Schmetterlinge. Schliesslich empfiehlt sie lokalen Gärtnereien und GaLaBauern dieses Wissen über Pflanzen und ihre Pflege auch auf Gemeindeebene (beispielsweise bei Planungen) einzubringen.
Standortgerecht pflanzen
Den aktuellen Wissensstand konnten die Tagungsteilnehmenden auf einem Pflanzenschutzparcours konkret testen. 18 verschiedene Schadbilder – vom Triebsterben (Verticillium sp.) beim Ahorn über Efeukrebs (Xanthomonas sp.) und Alternaria sp. bei Aucuba japonica bis hin zu Schäden aufgrund von Hitze und Trockenheit bei Zierahorn und Rhododendron – waren zu analysieren. «Viele der Schadbilder zeigen Schwächeparasiten», resümierte Hans Niederer, ZHAW, Fachstelle Phytomedizin, Wädenswil, der durch den Parcours führte. Pflanzen seien oft nicht standortgerecht gepflanzt und Extremsituationen ausgesetzt. Als typisches Beispiel nannte er den Ahorn, der bei uns nordexponiert im alpinen Raum vorkomme. Zierahorne, bereits züchterisch geschwächt, seien oft mit der Wasserversorgung am Limit. Was auf den ersten Blick wie eine Pilzkrankheit aussehe, sei häufig ein Schaden aufgrund von Trockenheit und Hitze. Bei genauerem Hinsehen entdecke man evtl. sogar noch einen weiteren Schadorganismus, denn einmal geschwächte Pflanzen seien anfällig. «Bei vielen Schäden im Garten braucht es nicht die Pflanzenschutzspritze, sondern eine Schere und das Wissen, warum der Schaden aufgetreten ist und wie ich das ändern kann», meinte Niederer und ergänzte, «sauberes Arbeiten ist Voraussetzung, damit die Schädlinge nicht verbreitet werden.»
Visionen: digitaler Berater
Krankheiten und Schädlinge an Freilandpflanzen möglichst schnell erkennen gehört zum Gärtneralltag, sei es im Privatgarten oder im Gartencenter. Um dem Kundenwunsch nach einer möglichst schnellen, effizienten und kompetenten Beratung nachzukommen, werden an der ZHAW neue Beratungskonzepte mit den neuesten digitalen Mitteln erarbeitet. Wie Dr. Jürg Grunder von der Fachstelle Phytomedizin der ZHAW in seinem Referat erklärte, seien diverse Projekte in dieser Richtung am Start. Er erläuterte einen möglichen Ablauf einer solchen Beratung.Der Gärtner fotografiert das Schadobjekt mit dem Smartphone, gibt ein, um welche Pflanze es sich handelt, und übermittelt es an eine Datenbank. Automatisch errechnet werden u. a. Datum, Zeit, Standort (GPS) und aktuelle klimatische Bedingungen. Mit diesen Angaben erfolgt eine erste Einengung auf die Schadorganismen, die in dieser Situation auftreten können. Braucht es eine weitere Eingrenzung des Problems, kann ein Berater kontaktiert werden. Ist der Schädling identifiziert, werden über eine Datenbank automatisch Lösungen bzw. möglichen Bekämpfungsmassnahmen genannt – ein endloses Blättern in Merkblättern und Fachliteratur entfällt.
Von Laubholzbockkäfer, Rotbandkrankheit und Kirschessigfliege
Im Rahmen des Pflanzenschutzparcours Gehölze orientierte Dr. Beat Wermelinger, Eidg. Forschungsanstalt WSL, Birmensdorf, über Biologie, Symptome und Massnahmen von Gehölzinsekten wie u. a. ALB (Asiatischer Laubholzbockkäfer, melde- und bekämpfungspflichtiger Quarantäneorganismus) und Edelkastanien-Gallwespe (bei Auftreten Meldung an kantonalen Pflanzenschutzdienst). «Auch wenn in Winterthur seit 2013 keine ALB-Spuren mehr entdeckt wurden, so ist das Gebiet noch nicht ALB-frei», erklärte Wermelinger. Erst nach vier Jahren dürfe man davon ausgehen, dass der ALB bekämpft ist. Therese Plüss vom Bundesamt für Umwelt (Bafu) betonte die Wichtigkeit der Früherkennung: «Aufmerksame Berufsleute, die täglich mit Gehölzen arbeiten und darum auch Schadsymptome sehen, können dazu beitragen, dass Befälle frühzeitig entdeckt werden.»
Laut Plüss beschäftigt sich der Eidg. Pflanzenschutzdienst im forstlichen Bereich v. a. mit zwei Föhrenkrankheiten: der Rotbandkrankheit und der Braunfleckenkrankheit. Beides sind meldepflichtige Quarantäneorganismen. Im Rahmen des Pflanzenpasssystems werden Föhren in Baumschulen spezifisch auf diese Krankheit kontrolliert. Letztes Jahr mussten in der Schweiz in Baumschulen einzelne Parzellen für den Verkauf von Föhren gesperrt werden, weil in diesen entweder die Rotband- oder die Braunfleckenkrankheit auftrat. Plüss forderte die Tagungsteilnehmerinnen und -teilnehmer auf, sich bei Verdacht auf eine Quarantänekrankheit an die Fachstelle Waldschutz der Forschungsanstalt WSL zu wenden. Ausführliche Informationen und eine «Diagnose online» sind auf www.waldschutz.ch zu finden.
Über die aktuelle Situation im Zusammenhang mit der Kirschessigfliege (Drosophila suzukii) informierte Felix Gremminger, Agroscope Wädenswil, und nannte auch mögliche Massnahmen in der Strategie zur Bekämpfung. Dazu gehören u. a. Überwachung und Befallskontrollen, Massenfang, Einnetzung und chemische Bekämpfung (noch kein zugelassenes Pflanzenschutzmittel; Notfallmassnahme). Doch auch hier hat Vorbeugen oberste Priorität. Dabei helfen die neuen Merkblätter, die unter www.drosophilasuzukii.agroscope.ch heruntergeladen werden können.O. Gut
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