Ein Wettbewerb der Hochschule für Technik Rapperswil (HSR) für Studierende und junge, bereits berufstätige Landschaftsarchitektinnen und Landschaftsarchitekten lieferte 38 Projektbeiträge. Gesucht waren möglichen Interventionen an sieben ausgewählten Standorten im Stadtraum sowie zu einem verbindenden Weg (vgl. auch dergartenbau 11/2016) in Rapperswil-Jona.
Stadtraum als Freiluftlaboratorium
Öffentliche Räume sind nicht nur das Gesicht der Stadt, sie sind auch ihre Lebensader, Identifikationsorte und Kristallisationspunkte gesellschaftlicher Entwicklung. Um die Komplexität dieser Herausforderungen angemessen und funktionierend zu gestalten, diskutieren oft hochgradig besetzte Fachplanungsteams. In Rapperswil-Jona zeigen jungen Landschaftsarchitektinnen und -architekten mit den «Temporären Gärten» an einigen Orten den Handlungsbedarf und neue Ideen. Die Stadträume sind zu Freiraumlaboratorien geworden, anhand deren in der Umsetzungsphase Machbarkeiten geprüft wurden und während des Sommers Möglichkeiten zukünftiger dauerhafter Umgestaltungen beobachtet werden können. Noch bis 24. Oktober sind die «Temporären Gärten» in Rapperswil-Jona zu erleben.
Sieben Projekte ...
• «Afterwork» (von Janina Studer und Nico Blaser): Gleich am Rapperswiler Hafen kann im «Temporären Garten» zwischen neu gepflanzten Rosen und Gräsern auf Liegestühlen der Feierabend genossen werden. Bambusstangen, die wie Bootsmasten in den Himmel ragen, bieten transparente Raumteiler. Darin eingehängte Solarlampions verwandeln «Afterwork» am Abend zur Romantikoase.
• «Stadtbalkon» (von Sabrina Kessler und Moritz Wernli): Dieser Garten soll die «Natur» in Form von essbaren Pflanzen und Nutzpflanzen in die Stadt bringen. Die Schlosstreppe ist mit Pflanzensäcken aus buntem Filz bespielt. In den Sommermonaten wachsen in den Filzsäcken hängende, aufrechte und kletternde Gemüsepflanzen heran, die gerne geerntet werden dürfen. Auf dem ersten Treppenpodest ist für Interessierte eine Samentausch-Bank eingerichtet. Kleine Tafeln informieren über die heutige Samenvielfalt und deren drohendes Verschwinden. Der «Stadtbalkon» erinnert an wertvolle Pflanzensammlungen im Zeitalter des Barocks. Übersetzt in die Gegenwart soll dieser «Temporäre Garten» auf die Wertschätzung von Gemüse als Nutzpflanzung und ästhetische Bepflanzung hinweisen. Besucherinnen und Besucher sollen animiert werden, Samen zu tauschen und sich Anregungen für den eigenen Gemüseanbau zu holen.
• «Farbenspiel» ( von Alexandra Kaufmann): Die grosse Blutbuche auf dem kleinen Platz am Beginn der Alten Jonastrasse ist schon von Weitem ein Blickfang. Mit ihrem dunkelroten Laub sorgt sie für einen besonderen Farbtupfer am Strassenrand. Die ins Geäst geknüpften bunten Bänder machen den schönen Baum noch stärker sichtbar und bilden einen farbig schimmernden Raum unter der Baumkrone. Im Wind spielen die Bänder, verstärken das Rascheln der Blätter der Blutbuche und lassen die Strasse daneben fast vergessen. Dieses Farbenspiel erzeugt eine besondere und bewegt verspielte Atmosphäre.
• «Süsse Versuchung» (von Michelle Rheinberger): Auf dem heute bebauten Standort waren 1832 grosse Wiesenflächen mit Obstbäumen. Das realitätsnahe Fotoplakat einer Streuobstwiese soll an die historische Bedeutung dieses Ortes erinnern. Immer wieder werden Passantinnen und Passanten in diesem «Temporären Garten» Körbe mit frischen Äpfeln zum Naschen finden. Es sind alte, teilweise schon in Vergessenheit geratene Apfelsorten, die zum Wiederkennenlernen und Wiederanbau anregen sollen.
• «MolkeeDisco» (von Janina Studer und Nico Blaser): Die Idee war, dass die Molkereistrasse einmal pro Monat an einem Samstag vom Autoverkehr befreit wird und sich in eine Begegnungszone verwandelt. Auf einer Tanzbühne auf zwei ehemaligen Parkplätzen sollte mit Auftritten von Bands, Volksmusikerinnen und -musikern sowie DJs gemeinschaftlich die gute Sommerlaune gefeiert werden. Für den Nachmittag wurden neue Nutzungen wie Flohmärkteoder Strassenverkauf in der ganzen Strasse vorgeschlagen. Die «MolkeeDisco» sollte an den Event-Abenden mit besonderer Beleuchtung zelebriert werden. An allen übrigen Tagen hätte die Strasse wie gewohnt funktioniert.
Die Mehrheit der Ladenbesitzerinnen und -besitzer wollte diese Idee leider nicht realisiert wissen. Die Diskussionen zur Aufwertung der Molkereistrasse sind mit dem Projekt jedenfalls in Gang gesetzt.
• «Wunschblume» (von Boris Aebischer und Johannes Hesse): Vor dem Stadthaus ist eine «Wunschblume» gepflanzt. «Durch die Blume» können hier Wünsche und Anregungen hinterlassen werden. Nicht nur Politisches soll hier geschrieben und gelesen werden, sondern auch Glückwünsche oder Sehnsüchte nehmen die Blütenblätter der «Wunschblume» gerne auf. Über die Sommermonate werden die Stäbe mit rankenden und windenden Blütenpflanzen bewachsen. Das anfangs abstrakte Skelett dieses «Temporären Gartens» wird mit der Zeit zu einer grossen blühenden Blüte.
• «Fountain» (Stefan Serafin Weber und Hannes Heucke): Beim Kunstzeughaus befindet sich zur Freude von Spaziergängern und Kindern «Fountain», eine Brunnenanlage aus Rasensprengern auf einer mit Rasenmustern gefärbten Fläche. In stoischer Poesie schwenken die Wasserstrahlen von einer Seite zur anderen und wieder zurück – mal synchron, mal nicht synchron.
... und ein verbindender Weg
Damit man zwischen den «Temporären Gärten» auf dem Weg bleibt, haben Anna Müllenbach und Arjan Schärer einen «Eidgenössischen temporären Wanderweg Rapperswil-Jona» in Grün-Rot-Grün markiert. Das Grün dieser Rasenflecken ist zum Streicheln.
«Temporäre Gärten" in Rapperswil-Jona
Die «Temporären Gärten» in Rapperswil-Jona sind ein Angebot unter zahlreichen Veranstaltungen in der ganzen Schweiz im Rahmen des «Gartenjahres 2016 – Raum für Begegnungen». Die Veranstaltungsreihe setzt sich schweizweit für den Erhalt und die Entwicklung von Freiräumen und Gärten ein und macht auf die zentrale Bedeutung einer qualitätsvollen Siedlungsentwicklung aufmerksam. In Rapperswil-Jona wurde mit den «Temporären Gärten» ein deutliches Zeichen für die Wertschätzung öffentlicher Räume und eine gesamtheitliche städtebauliche Denkweise gesetzt.
Projektleitung: Prof. Mark Krieger, Landschaftsarchitekt
Idee und Wettbewerbsleitung: Prof. Andrea Cejka, Landschaftsarchitektin
Koordination: Marcel Metzger, Umweltingenieur
Projektumsetzungen: die Verfasserinnen und Verfasser mit Unterstützung der Stadtgärtnerei Rapperswil-Jona A. Cejka
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