Zum Auftakt der lang ersehnten Studienreise der Technikerklasse des 2. Semesters der Kantonalen Gartenbauschule Oeschberg versammelten sich die Studierenden vor dem Hotel, um eine Fahrradtour entlang der Fahrrinne des Wattenmeers am Bremerhaven zu unternehmen. Meer ist nicht gleich Meer, lernten wir von unserem Guide Addi, der auf eine sympathische Art und Weise an Kapitän Blaubär erinnerte. Das Wattenmeer musste am Bremerhaven ausgebaggert werden, um für die grossen Container- und Frachtschiffe passierbar zu sein. Vorbei am grossen Deich, dem alten Marine U-Boot aus dem zweiten Weltkrieg, dem alten Fischerhafen und der «letzten Bar vor New York» fuhren wir im Eiltempo Richtung Ablegestelle zur gebuchten Hafenrundfahrt. Auch die alten «Auswandererhäuser», die von den deutschen Auswanderern des 19. Jahrhunderts bewohnt wurden, existieren noch. Bei der Hafenrundfahrt fielen uns die direkt am Hafen gelegenen restaurierten, «unbezahlbaren» Eigentumswohnungen auf. Riesige Containerschiffe, Autofrachter und Bootswerften säumten die Fahrt. Schiffsschrauben in der Grösse von Autobussen werden dort direkt eingebaut. Roman Abramovic, Inhaber des FC Chelsea, lässt dort, vor Blicken geschützt, eine mit Eisbrechern und Raketenabwehrsystem ausgerüstete Yacht erstellen. Dieser erste Tag im Bremerhaven war ein gelungener Auftakt unserer Studienreise.
Besuch in der Grossbaumschule
Nachdem wir uns am Morgen gestärkt hatten, ging es mit dem Car nach Bad Zwischenahn zu einer der grössten Baumschulen in Deutschland. Die Baumschule Bruns wurde 1876 gegründet. Zurzeit übernimmt die 5. Generation das Familienunternehmen. Bewirtschaftet werden 500 Hektaren Land, davon sind zwei Drittel eigenes Land und ein Drittel ist Pachtland. In der Hochsaison beschäftigt die Baumschule 350 Mitarbeitende, in der Nebensaison 300. Sie ist einer der grössten Arbeitgeber in der Umgebung. Die Mitarbeitenden haben meist eine langjährige Beziehung zum Unternehmen. Die vier Produktionsstandorte umfassen ein Containerquartier und drei Freilandstandorte. Im Freiland werden Allee- und Solitärbäume, Parkbäume und Formgehölze kultiviert. Ein Schwerpunkt sind Grossbäume. Die Baumschule führt keine eigene Vermehrung. Gehölzjungpflanzen werden zur Weiterkultur zugekauft.
Besonders wichtig ist für Geschäftsführer Jan-Dieter Bruns, dass die Baumschule stets sehr sauber gehalten wird und keine Unkräuter in den Kulturen keimen. Das Wasser für die Bewässerung stammt aus Brunnen und aus Teichen, in denen das Oberflächenwasser gesammelt wird. Gedüngt wird bei der Pflanzung und anschliessend zwei Mal im Jahr. Die Schnittarbeiten werden zwei Mal jährlich durchgeführt. Dabei kommen Spezialmaschinen zum Einsatz. Die Handarbeit ist jedoch trotz vieler Spezialanfertigungen unumgänglich. Im Betrieb sind vier Berater für den Pflanzenschutz tätig. Sie werden beigezogen, wenn die Bereichsleiter nicht mehr weiter wissen. Der Ausfall an Pflanzen beläuft sich auf ein bis zwei Prozent. Frei werdendes Kulturland wird mit Mist und Landerde angereichert. Nach einem Jahr Gründüngung wird das Land wieder in Kultur genommen.
In der Hochsaison werden täglich über 50 LKWs von 35 bis 40 Mitarbeitenden beladen und fachgerecht gesichert. Die Pflanzen werden nach Deutschland, Frankreich, in die Niederlande und in die Schweiz transportiert. Auch kommt es vor, dass in die Türkei oder nach China geliefert wird.
Ein Garten- und Landschaftsbaubetrieb in Bremerhaven
Am Mittwochmorgen führte unsere Studienreise an die Dieselstrasse in Bremerhaven. Dort trafen wir Jürgen Backhaus, Geschäftsführer der Firma Backhaus Garten- und Landschaftsbau GmbH. Die Unternehmung wurde 1985 in Bremerhaven gegründet. Backhaus leitet den Betrieb gemeinsam mit seiner Tochter Maren Backhaus. Das GaLaBau-Unternehmen ist im Einzugsgebiet von Bremerhaven bis Cuxhaven mit rund 60 Mitarbeitern tätig. Hauptsächlich werden öffentliche Projekte bearbeitet. Nach der Firmenpräsentation durch den Geschäftsführer besichtigten wir zwei von der Firma Backhaus realisierte Kundengärten. Beim ersten Projekt handelte es sich um einen Privatgarten, der zur Strasse hin ursprünglich von einer riesigen Thuja-Hecke abgetrennt war. Der Garten wurde zwischen 2016 und 2018 in zwei Etappen umgestaltet und rollstuhlgängig angelegt. Die Thuja-Hecke wurde entfernt und durch ein neues Sichtschutzkonzept ersetzt. Von der neuen Terrasse mit Hochbeeten blicken die Gartenbesitzer nun auf Natursteinstelen, Steinkörbe und eine lockere Strauchbepflanzung.
Der zweite Privatgarten, den wir besichtigten, wurde durch die Firma Backhaus erweitert. Seit Jahren führt sie den Unterhalt in diesem Kundengarten aus. Der neue Bereich ist im Stil eines Japangartens gestaltet. Es wurden ein Teich und eine Terrasse in geschwungener Linienführung angelegt. Das Thema Japangarten wurde zusätzlich mit einer kleinen Pagode und diversen Ausstattungsgegenständen verstärkt. Bereits beim Garteneingang wird das Thema angedeutet, was besonders harmonisch erscheint. Aufgrund der sauren Böden in dieser Region sind Azaleen und Rhododendron häufig verwendete Gartenpflanzen. Die üppige Azaleen- und Rhododendrensammlung in den verschiedenen Gartenteilen schafft eine Verbindung zum Japangarten.
Schlosspark Lütetsburg
Der Donnerstagmorgen startete bereits zu früher Stunde an einem reich gedeckten Frühstückbuffet im Bed & Breakfast Hotel Bremerhaven. Nach der Verpflegung stand uns eine zweistündige Busfahrt durch das östliche Friesland bevor. Auf der Fahrt bemerkten einige Studenten, dass das Besichtigungsziel Schlosspark Lütetsburg ein Kontrastpunkt zu
der ostfriesischen Landschaft darstellen würde.
Die Frage nach den typischen Merkmalen des Englischen Landschaftsgartens sollte sich schon an den Eingangstoren des Schlossparks Lütetsburg erledigt haben. Begrüsst wurden wir von einer Parkspezialistin, die ihr Wissen nicht nur auf den historischen Hintergrund des Schlossparks begrenzte, sondern auch in der Botanik und der Erzählung von Gedichten brillierte. Davon abgesehen war es die geballte Schönheit des im frühromantischen Stil angelegten Schlossparkes, der die Technikerklasse begeisterte. Die dem Wasserschloss mit Vorburg angeschlossene Parkanlage wurde von Graf Edzard Moritz zu Innhausen und Knyphausen von 1790 bis 1830 erbaut und ist heute eine der wenigen erhaltenen Parkanlagen dieser Art.
Der bezaubernde Schlosspark bietet auf seinen 30 Hektaren Land eine abwechslungsreiche botanische Vielfalt, in Form von mächtigen Alleen, grossen Rhododendren- und Azaleenbeständen sowie malerischen alten Bäumen. Der landschaftsarchitektonische Entwurf widerspiegelt die typischen Geländemodellierungen und natürlichen Linienführungen eines Englischen Landschaftsgarten. Der Graf liess es sich nicht nehmen, den höchsten «Berg» des Frieslands in seinen Landschaftspark zu integrieren. Mit seiner Gesamthöhe von acht Metern würde er jedoch hierzulande wohl kaum beachtet. Nachdem die Klasse diesen Abstieg sicher hinter sich brachte, hiess dies zugleich, dass wir zum Ende dieser spannenden Führung gekommen waren. Der Bus stand bereit, um die Technikerklasse in das nahegelegene Küstendorf namens Norddeich zu fahren, wo sie ihren freien Nachmittag verbrachte. Beim Anblick der Ebbe, unterhalb des hohen Damms der Nordsee, flogen wohl nochmals einige Eindrücke des Schlossparks am inneren Auge der Studierenden vorbei.
Wallanlagen und Rhododendronpark in Bremen
Nach einem entspannten Frühstück war Aufbruch Richtung Bremen, wo uns Harald Müschke, Leiter der Betriebsgesellschaft Bremen, schon erwartete. Er erläuterte uns bei seiner kurzen Einführung in die Geschichte Bremens, weshalb nichts mehr von den ehemaligen Wallanlagen zu sehen ist. Um so schöner kommt das 30 Hektaren grosse Areal im Kleid eines Stadtparkes daher. Wir waren erstaunt, dass gerade mal acht Personen für die Pflege dieses Bijous zuständig sind und dass für gewisse Flächen bloss 98 Cent pro Jahr und Quadratmeter für den Unterhalt zur Verfügung stehen. Dies obwohl die ehemaligen Wallanlagen ein Brennpunkt der sozialen Unterschicht sind.
Der Höhepunkt und zugleich der Abschluss unserer sehr gut geplanten Studienreise war eine Führung durch den Rhododendronpark Bremen. Dr. Hartwig Schepker, eine Kapazität auf dem Gebiet der Rhododendren, empfing uns auf eine sehr angenehme Weise mit viel Humor. Er fesselte uns mit seinem geballten Wissen über diese Pflanzenschönheiten. Es wirkte beinahe so, als ob er zu jeder der 3500 Sorten auf dem 46 Hektaren grossen Gelände eine persönliche Beziehung hat.
Da die Pflege eines solchen Parks mit über 300 000 Besuchern pro Jahr von der Stadt Bremen nicht mehr allein getragen werden konnte und das Budget jährlich gekürzt wurde, gründete der Park auf Anregung eines Anwohners eine Stiftung. Aus dem zu grossen Teilen privat unterstützten Stiftungsfonds werden so jährlich 1,5 Mio. Euro frei. Das Gewächshaus wird jedoch nach wie vor von der Stadt selbst getragen, da dieses im Unterhalt noch aufwändiger ist. Die 22 Gärtnerinnen und Gärtner können unter der Leitung des «Doc», wie er liebevoll genannt wird, eine Parkanlage mitgestalten, die auch ausserhalb der Blütezeit einen Besuch wert ist.
Mit enormem Wissenszuwachs und vielen guten Erinnerungen sowie neuen Kontakten machten wir uns auf die Rückreise in die Schweiz. |
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