Die zweitägige Jahreskonferenz der VSSG (Vereinigung Schweiz. Stadtgärtnereien und Gartenbauämter) begann traditionell mit der Generalversammlung (GV). Am Nachmittag und am zweiten Tag folgten Rundgänge zu ganz verschiedenen Objekten. Alle Mitarbeitenden der Stadtgärtnerei, vom Chef bis zur Lernenden, waren engagiert dabei und stellten einen optimalen Tagungsablauf sicher.
Generalversammlung
Nach der Begrüssung durch den Organisator der Jahreskonferenz, Stadtgärtner Jean-Marc Beffa, führte der Präsident der VSSG, Felix Guhl, Leiter der Stadtgärtnerei Schaffhausen, zügig durch die statutarischen Traktanden. So blieb genügend Zeit für die wichtigen Orientierungen. Zu Beginn wurden per Akklamation vier Einzelmitglieder und sechs Gemeinden neu in die VSSG aufgenommen. Protokoll der GV 2013, Jahresbericht 2013, Rechnung 2013 und Budget 2015 wurden ohne Gegenstimme genehmigt. Vorstandsmitglied Thomas Schmid, Luzern, Ressort Weiterbildung, wurde für eine weitere Amtsdauer von vier Jahren gewählt, Christian Wieland, Winterthur, Ressort Finanzen und Controlling, über die maximal mögliche Amtsdauer hinaus für weitere zwei Jahre.
Projekt Grünstadt Schweiz
Projektleiter Wieland orientierte über den Stand des Projektes. Es handelt sich um das Schlüsselprojekt der VSSG, ein Label für jede Gemeinde ähnlich wie «Energiestadt Schweiz». Das BAFU sieht das Label als wesentlichen Teil der Umsetzung seiner Biodiversitätsstrategie. Das Projekt ist auf Kurs, dabei leisten die beteiligten Städte wesentlich mehr Arbeit, als dies vorgesehen war. Es werden drei Prozesse unterschieden: Führung, Kern, Unterstützung, wobei die Kernprozesse den Schwerpunkt bilden. Der Massnahmenkatalog ist erarbeitet. Er umfasst zehn Massnahmenpakete mit insgesamt 60 Massnahmen. Pro Massnahme wurde eine minimale Punktezahl festgelegt, die je Label erreicht werden muss. Die Zertifizierung soll sowohl auf grosse als auch auf kleine Städte ausgelegt sein. Sie beginnt 2016 in den Pilotstädten, 2017/18 können sich die ersten Gemeinden zertifizieren lassen.
Bepflanzte Baumscheiben: Forschungsvorhaben der ZHAW Wädenswil
Axel Heinrich, ZHAW Wädenswil, stellte das Forschungsvorhaben vor. Es geht um Flächen oder lineare Randbereiche mit Unterpflanzung unter Gehölzen. Diese tauchen häufig als artenarme Pflanzenmischungen in Ausschreibungen auf. Mit dem Forschungsvorhaben sollen dynamische Lösungen gefunden werden, die aber nicht arbeitsintensiver sind. Start des Projektes ist in der Pflanzperiode 2014 / 15.
Ifpra World
Emanuel Trueb, Präsident Ifpra World, berichtete über den ernsthaften Mitgliederschwund, den die Ifpra in den letzten Jahren verzeichnete. Dies ist verständlich, haben doch viele Gemeinden keine Grünflächenämter mehr. Es gilt, die Ifpra in den nächsten sechs Monaten neu auszurichten, mit dem Ziel, ein Netzwerk zu schaffen, das nicht ausschliesslich öffentlichen Organisationen offensteht. Die Ifpra-Konferenz 2015 in Portugal soll eine Kampagne in Südamerika erleichtern.
Grosssiedlung Cité Lignon
Vernier ist für viele eine unbekannte Stadt. Sie grenzt auf der Flughafenseite an die Stadt Genf. Die Stadt hat kein eigentliches Zentrum und wurde den Konferenzteilnehmenden als «ville éclatée», eine zersplitterte Stadt, vorgestellt. Den 35 000 Einwohnern stehen 14 öffentliche Parkanlagen zur Verfügung. Das Spektrum reicht vom Gartendenkmal über das Schulgrün bis hin zum naturnahen Rhoneufer.
Die Cité Lignon ist ein «Quartier» von Vernier. Die Teilnehmenden der Jahreskonferenz wurden vom Leiter des Service de cohésion in die Besonderheiten dieser Grosssiedlung eingeführt. In den 60er-Jahren gebaut für 10 000 Einwohnerinnen und Einwohner, unterscheidet sich le Lignon von den Grosssiedlungen aus dieser Zeit. Ziel war es, rasch, aber gut zu bauen. Das soziale Umfeld stimmt auch heute noch, die Kriminalitätsrate ist tief. Einkaufs- und Schulwege kreuzen keine Strassen, das ganze Areal ist autofrei. Die Wohnungsmieten sind hoch. Derzeit leben 7000 Menschen im 1,3 km langen Hauptgebäude und den beiden ergänzenden Hochhäusern. Es besteht ein Mix der sozialen Schichten. Ein Teil der Bewohner sind Wohnungseigentümer. 450 Einheiten sind für Betagte reserviert. Von den 7000 Menschen sind die Hälfte Schweizer. Die andere Hälfte stammt aus 150 verschiedenen Nationen. Alle Kinder gehen in die gleiche Schule. Ein Quartierkontrakt regelt das Zusammenleben, auch das Verfahren zum Einbringen von Vorschlägen.
Die Grosssiedlung wurde 2011 unter Schutz gestellt. Indessen schafft der Gebäudeunterhalt immer mehr Probleme. So sind z. B. aktuell 22 000 Fenster zu ersetzen. Zur Cité gehört auch ein Robinsonspielplatz mit integriertem Kleintiergehege und Stall, der neu durch die Stadtgärtnerei saniert und unterhalten wird. Hier stehen den Bewohnenden auch Kaninchenställe zur Verfügung für ihre Tiere. Unmittelbar am Rand der Cité steigt man hinunter zur Rhone mit ausgedehnten Wanderwegen und einem lang gezogenen Erholungsgebiet.
Naturschutzgebiet «Bois de la Grille»
In der Nachbarschaft der Cité Lignon liegt das nationale Naturschutzgebiet. Es umfasst drei Waldtypen: einen ziemlich geschlossenen Buchenwald, einen Eichen-Hainbuchenwald mit lückiger Baumkrone sowie einen Pfeifengras-Föhrenwald mit grossen offenen Pfeifengrasflächen. Diese Vielfalt an Lebensräumen widerspiegelt sich auch in der Vielfalt der Pflanzen- und Insektenwelt. Gemäss Aussagen der Exkursionsleiter soll es sich um das am besten untersuchte Naturschutzgebiet der Schweiz handeln.
Es hat eine bewegte Geschichte hinter sich. 1960 als Industriezone ausgeschieden, weil der Eigentümer Kiesabbau betreiben wollte, wurde die Fläche 1972 provisorisch unter Schutz gestellt, später umgezont und 2000 durch die Gemeinde zum Preis von 3 Franken pro Quadratmeter gekauft. Das 18 ha grosse Naturschutzgebiet wird von der Stadtgärtnerei gepflegt. Fachliche Unterstützung bieten der Kreisförster und das Büro BTEE, das die Pflegeziele und Pflegeplanung erarbeitete und die Umsetzung begleitet.
Eine wichtige Pflegemassnahme zu Beginn war die Verdreifachung der Wiesenflächen durch Rodung von verbuschten Flächen. Ein Ziel sind möglichst ausgeprägte, tiefe und gestufte Waldränder. Die Wege wurden aus den empfindlichen Wiesenflächen in den Wald verlegt. Alle Jahre wird nur ein Drittel der Pfeifengraswiesen gemäht. In den andern Jahren werden auf den Wiesenflächen mit der Belegschaft von Firmen oder Beschäftigungs- und Integrationsprogrammen die Gehölze per Baumschere zurückgeschnitten. So verfügt die Stadtgärtnerei über 70 Sets mit Hosen und Handschuhen sowie Scheren für den Einsatz von Gruppen.
Der Druck auf das Naturschutzgebiet durch Erholungsuchende ist gross. Zur Entlastung wird der nahe Raum entlang der Rhone mit Erholungsinfrastruktur wie Tischen und Bänken, Grillstellen, Badeteich und Wiese mit Schattenbäumen ausgebaut. Auch das unmittelbare Rhoneufer wird einbezogen. So wird eine Plattform über dem Wasser geschaffen, ein Schiffsteg angelegt und es werden neue Uferverbauungen gestaltet.
Spielplatzplanung am Beispiel des Quartierparks Balexert
Vernier unterscheidet zwischen zwei Typen von Spielplätzen: Für das Alter von zwei bis sieben Jahren sind die Spielplätze in der Fläche begrenzt und mit schwarzem Diagonalgeflecht eingefasst. Für die Altersgruppe der 8- bis 15-Jährigen werden vor allem Bewegungsspielgeräte aufgebaut. Am Beispiel des Quartierparks Balexert zeigte der Leiter der Stadtgärtnerei, Jean-Marc Beffa, wie dieser Ansatz umgesetzt wird. Durch den Bau eines neuen eingezäunten Kinderspielplatzes, eines Wasserspieles und eines Rasenspielplatzes vervierfachte sich die Zahl der Nutzenden. Ein Nebeneffekt davon war, dass ein WC aufgestellt werden musste. Das Wasserspiel kann auf Knopfdruck in Gang gesetzt werden. Es ist von Mai bis September in der Zeit von 10 bis 22 Uhr in Betrieb und darf nur von Kindern über acht Jahren benutzt werden. Erstaunlicherweise wird es nicht mit Trinkwasserqualität betrieben.
Plantage de Montfleury
Vernier ist die Möglichkeit zur «handgreiflichen»» Nutzung von Land wichtig. Deshalb wurden neben Familiengartenarealen ab 2009 drei Flächen als «Plantages» von der Gemeinde eingerichtet. Das Areal Montfleury ist gut 3000 m2 gross, aufgeteilt unter 50 Mietern, die zwischen 8 bis 40 m2 Fläche bearbeiten. Zudem gibt es eine gemeinsame Rasenfläche mit Sitzgelegenheiten. Die in Familiengärten üblichen Gartenhäuschen fehlen. Die Gartenflächen werden für ein Jahr vermietet für 20 Franken Grundgebühr, zuzüglich 3 Franken je Quadratmeter. Es findet eine obligatorische Jahresversammlung aller Pächter statt. Wer nicht teilnimmt, verliert seinen Landanspruch. Es werden möglichst biologisch Gemüse, Blumen und Früchte angebaut, aber keine Bäume gezogen. Fürs Bewässern stehen nur Giesskannen zur Verfügung, keine Schläuche. Das schränkt auch die Grösse der bearbeitbaren Fläche ein.
Kultur der Kaskaden-Chrysanthemen
Im Rahmen der Besichtigung des Produktionsbetriebes wurde die Spezialkultur der Kaskaden-Chrysanthemen von einer Lernenden im zweiten Lehrjahr vorgestellt. Die Kultur beginnt im Frühjahr mit zwei Stecklingen pro Topf, die alle zwei Wochen pinziert werden. Die Kaskaden werden auf einem Drahtgestell fächerförmig aufgebaut und ab der zweiten Sommerhälfte geneigt. Am 1. September werden die Pflanzen ein letztes Mal pinziert und später wird die Kaskade in ihre Endposition gebracht. Es erscheint fast selbstverständlich, dass die Schädlingsbekämpfung biologisch erfolgt.
Nach diesem vielseitigen Rundgang, der viele Impulse brachte, wurden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer entlassen. Gastgeberin für die Jahrestagung 2015 ist die Stadt Winterthur.
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