Die zweitägige Jahreskonferenz begann traditionell mit der Generalversammlung (dergartenbau 11/36). Empfangen wurden die Teilnehmenden im Landhaus in Solothurn, einem imposanten Lagerhaus der ehemaligen Ambassadorenstadt. Der Rest der Tagung ereignete sich mehrheitlich draussen. Der erste Nachmittag war der Weststadt Solothurn, dem Projekt «Weitblick» sowie den historischen Parkanlagen gewidmet. Am folgenden Tag standen die Auswirkungen der Autobahn auf die Stadt und das Stadtbild von Grenchen im Fokus.
Stadtentwicklung «Weitblick»
Solothurn orientiert sich einerseits rückwärts zum Barock, zur Ambassadorenstadt, andererseits auch vorwärts zur Weststadt, führte Stadtplaner Daniel Laubscher einleitend aus. Die Weststadt ist ein eher peripheres Quartier, das vor allem dem Wohnen dient. Zu ihrer Entwicklung und besseren Anbindung an den Stadtkern fand ein städtebaulicher Wettbewerb statt. Das Siegerprojekt «Weitblick» wurde als Masterplan übernommen und als Teilzonen- und Erschliessungsplan weiterbearbeitet. Das übergeordnete Grünraum- und Strukturkonzept formuliert die Baufelder. Die Blickräume, Baulinien sowie die Freiraumstruktur (Stadtpark, Alleen, Allmend) garantieren eine Verwebung mit dem Bestand. Mit seiner Ost-West-Längsachse, ausgerichtet auf die Kathedrale, soll der neue Stadtteilpark Segetzhain entstehen. Die Alleen, zwei- und vierreihig vorgesehen, verlaufen in Nord-Südrichtung. Ziel ist es, den neuen Stadtpark als Marke zu etablieren. Er ist aber auch als Entlastung des bestehenden Stadtparks gedacht. Events, Messen und der Zirkus sollen aus den historischen Parkanlagen in die Allmend verschoben werden. Vorgesehen ist, dass die Grünräume vor der Nutzung der Baufelder realisiert werden. Der neue Stadtpark wird mit einer Vielzahl von Jungbäumen bepflanzt, die je nach Entwicklung ausgelichtet werden.Naturnahes Unterhaltskonzept
Derzeit hat Solothurn, gemessen an der Zahl der Bevölkerung, am meisten naturnahe Grünflächen aller Schweizer Städte. Der Stadtgärtner Martin Geissbühler erwähnte in seiner Einführung, die Parkanlagen seien wichtige Rückzugsräume für Arten der Kulturlandschaft. Einige Pflanzen- und Tierarten kommen nur noch in der Stadt vor. Er ist sich aber auch bewusst, dass es die ökologische Pflege, die alles berücksichtigt, nicht gibt. Die Naturgartenbewegung in der Schweiz ist eng mit Solothurn verknüpft. Seit Mitte der 70er-Jahre wurde ein grosser Teil der Schulanlagen und Kindergärten in naturnahe Anlagen umgestaltet. Ende der 80er-Jahre erfolgte die Pflegeumstellung im Stadtpark. Parallel dazu wurde die Pflege des Strassengrüns extensiviert. Seit 2004 verfügt die Stadt Solothurn über ein vom Gemeinderat genehmigtes Pflege- und Unterhaltskonzept für die städtischen Grünflächen. Wo es die Gegebenheiten erlauben, werden Grünflächen extensiv bewirtschaftet und ökologisch aufgewertet. Naturnahe Lösungen haben bei Sanierungen und Neugestaltungen Vorrang. Spürbar wurde bei Geissbühlers Präsentation und in den Diskussionen, dass ihm ein pragmatisches Vorgehen wichtig ist. Seine eigenen Mitarbeitenden und die Beschäftigten der mit der Pflege betrauten Firmen wurden in naturnaher Pflege geschult. Mit diesem Know-how ausgerüstet, sollen sie vor Ort entscheiden können, ob z.B. eine extensive Wiesen- oder Rasenfläche zum gegebenen Zeitpunkt ganz oder ob nur die wüchsigeren Teile gemäht werden sollen. Wie der Stadtpräsident Kurt Fluri einräumte, ist die Umsetzung des Pflegekonzeptes leider nicht das einzige Anliegen, das er bei Entscheiden zur Nutzung des öffentlichen Raums zu berücksichtigen hat. In der Interessenabwägung sind auch die Wünsche von Gewerbetreibenden oder Kulturschaffenden zu berücksichtigen. Aus diesem Grund kann die Durchführung von wochenlangen Events und Messen höher gewichtet werden als der Erhalt der als schutzwürdig eingestuften Vegetation und historischen Grünflächen. Zweischürige Magerwiesen sind seit eineinhalb Monaten Standplatz für ein Festzelt. Andernorts stehen halbierte Bäume am Rande einer Grünfläche, damit eine möglichst grosse Opernbühne Platz findet.Auswirkungen der Autobahn auf die Grenchener Stadtgestalt
Der Besuch in Grenchen am zweiten Tag ergänzte die Tagung mit seinem, im positiven Sinne verstandenen, Kontrastprogramm. Nicht mehr der Barock war die prägende Kulisse, sondern ein Mix aus Industrie-, Gewerbe- und Wohnbauten. Das Grün war nicht mehr historisches, sondern junges Verkehrsgrün. Die Schifffahrt von Solothurn nach Grenchen wurde von Stadtplaner Claude Barbey genutzt, um die Entwicklung von Grenchen gut dokumentiert darzustellen. Bis zur Eröffnung der A5 teilte der Ost-West-Verkehr des Jurasüdfusses die Stadt in zwei Teile. Fussgänger wurden per Unterführungen unter den vier Spuren hindurchgeschleust. Das Zentrum war unattraktiv und entleerte sich. Die Eröffnung der Autobahn wurde zur Umkehrung der Verkehrsführung von West-Ost auf Nord-Süd genutzt. Damit konnten die Fahrgewohnheiten gebrochen werden. Vor allem zu Beginn kam es auf den Kreuzungen oft zu Unfällen. Der Stadtplaner eröffnete am ersten Tag einige Baustellen, um mit entsprechendem Stau zu zeigen, dass es umzudenken gilt.Das Strassenprofil der Hauptstrasse wurde von vier Spuren auf 7,50m zurückgebaut. Durch gepflasterte Randbereiche beträgt die optische Fahrbahn noch lediglich 4,75m. Dies trägt wesentlich zur Geschwindigkeitsreduktion bei. Es konnten Flächen für Fussgänger, Radfahrer und Begrünung gewonnen werden. Zudem wurden Begegnungszonen geschaffen, wo Auto-/Velofahrer und Fussgänger sich den Strassenraum gleichberechtigt teilen. Dass dies funktioniert, stellte der Autor fest, als er zum Fotografieren öfter auf der «Strasse» stehen blieb, ohne ein Hupen zu provozieren.Der Marktplatz
Als Erstes wurde 1999 die Umgestaltung des Markplatzes realisiert. Er ist eingespannt zwischen einem «Stadtdach» mit Bühne am unteren und einem Baumkörper am oberen Ende des Platzes. Dazwischen liegt ein lang gezogener Brunnen. Die geranienroten Blumensäulen waren in der Gestaltung nicht vorgesehen, sondern mussten, da der Platz von der Bevölkerung als leer empfunden wurde, nachgerüstet werden. Sie sind mobil und können in einer Stunde abgebaut werden. Der Markplatz heisst nicht nur so, sondern, wie sich die Tagungsteilnehmenden selbst überzeugen konnten, es findet wirklich ein Markt statt.Strassenraumbegrünung
Wo der Platz im Boden sowie der Abstand zu den Gebäuden ausreichten, wurden Bäume gepflanzt. Rankgerüste müssen dort Bäume ersetzen, wo das Leitungsgewirr im Boden zu gross ist. Diese sind 4m hoch und bestehen aus Armierungsgitter mit Betonfundament (Platzbedarf pro Standort: 180x180x80cm). Die Gerüste wurden mit zwei Meter langem Efeu, Knöterich und Wildem Wein bepflanzt. Sie präsentieren sich heute als vollbegrünte Säulen. Grünflächen wurden meist in Kies ausgebildet, d.h., es wurde in der Regel nur der Asphalt entfernt und der aufgelockerte Kieskoffer mit Magerwiesen-Saatgut eingesät oder mit einer Trockenheit verträglichen Staudeninitalpflanzung versehen. Wie Stadtgärtner Max Mehr ausführte, war dies für viele Bewohnende der Uhrmacherstadt eine Provokation. Doch man scheint sich daran gewöhnt zu haben. Den Abschluss der Tagung bildete die Demonstration einer mobilen Baumfällmaschine im Stadtpark sowie der Besuch im Zeitzentrum, unter anderem mit einer Lehrwerkstatt, wo die Tagungsteilnehmenden den künftigen Uhrmacherinnen über die Schultern schauen konnten.VSSG als Kompetenzzentrum für das öffentliche Grün
Die Vereinigung Schweizerischer Stadtgärtnereien und Gartenbauämter (VSSG) ist das Kompetenzzentrum für das öffentliche Grün der Gemeinden. Sie wurde 1964 gegründet und zählt derzeit 120 Mitglieder. Es bestehen fünf Regionalgruppen. Mitglied sind alle grösseren Städte der Schweiz, aber auch kleinere Gemeinden. Die VSSG unterstützt ihre Mitglieder durch Ausbildung, Information, Beratung und Erfahrungsaustausch und beteiligt sich aktiv an gesetzgeberischen und normativen Prozessen, die Auswirkungen auf das öffentliche Grün haben. Weitere Infos finden sich unter: www.vssg.ch Text: P. Stünzi
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