Es gibt sie wieder vermehrt. Staudenpflanzungen im öffentlichen Grün mit hohem ästhetischem Wert und allen positiven Aspekten, die den Stauden eigen sind: ansprechend, lebendig, vielfältig, auf Dauerhaftigkeit ausgelegt. Aufgeschlossene Stadtgärtnereien scheuen sich nicht, neue Wege in der Staudenverwendung zu gehen – und dies mit grossem Erfolg. Ein Vorzeigebeispiel sind die unter Regie von Stadtgrün Thun realisierten grossflächigen Staudenpflanzungen im Selve-Park.
«Pflanzen gleichen eigensinnigen Menschen, von denen man alles erhalten kann, wenn man sie nach ihrer Art behandelt.» Dieses bei J.�W. Goethe entlehnte Zitat steht zur Einleitung der Pflegedokumentation. Michael Gerber, Pflanzplaner bei Semiramis Gartenkultur, Belp, unterstreicht damit den hohen Stellenwert der Pflege. Im Wissen, dass Gärtnerinnen und Gärtner, die Fachkenntnisse, Freude und Flair für die Pflege von Pflanzen mitbringen, die entscheidende Voraussetzung für den Erfolg dynamischer Staudenpflanzungen sind, trifft Gerber schon zu Projektbeginn Abklärungen über die vorhandenen Ressourcen in der Pflege. Die Pflegenden steuern die Dynamik der Pflanzung. Sie legen fest, in welchem Umfang sich z. B. kurzlebige Arten ausbreiten dürfen, wann und wie Schnittmassnahmen durchgeführt werden und welche Pflanzen als Gerüst für den Winteraspekt stehen bleiben sollen. Die «Flora-Selve», sein bislang grösstes mit Stauden realisiertes Projekt, weiss der Pflanzplaner diesbezüglich in guten Händen.
Abwechslungsreiche Vegetationsbilder mit hohem Erlebniswert
Das Konzept für die Planung orientiert sich am Vorbild üppiger Blumenwiesen.Die Vergesellschaftung der Arten ist das Resultat gezielter gestalterischer Überlegungen und einer sorgfältigen, auf den Ort und die Standortbedingungen abgestimmten Pflanzenwahl. Der Blühzyklus erstreckt sich über vieleMonate und zeichnet sich wie in Blumenwiesen üblich durch ein breites Farbenspektrum aus. Die gradlinige, polygonale Form des Parkgrundrisses widerspiegelt sich in der Vielzahl aneinandergefügter Pflanzflächen. Dabei folgt die Anordnung der Flächen den Prinzipien der Block- und der Mosaikpflanzung. Dies schafft eine naturhafte Flächenstruktur.
Die Artenzahl ist gemessen an der Flächengrösse relativ klein. Einzelne Arten wie Molinia caerulea ‘Heidebraut‘ (Pfeifengras) oder Lythrum salicaria (Blutweiderich), die Gerber als einheimische und ganzjährig attraktive Strukturpflanzen bevorzugt verwendet, nehmen Flächen von 7 bis 10 m2 ein.
Eine Herausforderung bei Projekten in dieser Grösse ist laut Gerber die Pflanzenbeschaffung. Die benötigten Stückzahlen von mehreren Hundert pro Art und Sorte sind oft nicht vorrätig in einer einzigen Baumschule. Diesbezüglich wünscht sich der Pflanzplaner, dass sich Baumschulen noch intensiver im Sinne des Kunden mit anderen Baumschulen vernetzten. Pflanzplaner sollten sich auf Sortenechtheit verlassen können.
Wie beim natürlichen Vorbild ist die Pflanzung durch einen hohen Anteil unterschiedlicher Gräser geprägt. Die verwendeten Pflanzen setzen sich aus 30 % Gräsern, 67 % Stauden und 3 % Gehölzen zusammen. Ergänzend dazu wurden Zwiebelpflanzen eingestreut. Folgende Gräser mit gestaffelter Blütezeit von Mai bis Oktober wurden verwendet: Calamagrostis ‘K. Foerster‘ (Reitgras), Molinia caerulea ‘Heidebraut‘ (Pfeifengras), Achnatherum brachytricha (Diamantgras), Sesleria autumnalis (Herbst-Kopfgras) und Stipa calamagrostis (Silberährengras).
Pflanzliche Dynamik als Gestaltungsmittel
Nebst Gestaltungsprinzipien wie Blütezeitabfolge, Kontrast der Blütenformen, Farbkombinationen, unterschiedlichen Ausbreitungsstrategien und Texturen sind gestaffelte Wuchshöhen ein wichtiger Aspekt, um Tiefenwirkung zu erzeugen. Das Zusammenspiel der filigranen Ähren, Dolden und Quirle erzeugt einen natürlichen, fliessenden Eindruck. Als raumprägende Elemente wurden die vertikalen Strukturen von Blutweiderich (Lythrum salicaria), Virginisches Ehrenpreis (Veronicastrum virginicum ‘Erica‘), die horizontalen Blütenteppiche der Sonnenhüte (Echinacea purpurea), Kattunaster (Aster horizontalis) sowie die schleierartigen Wolken der Gräser gesetzt. Grosssträucher wie Zierkirschen und Zieräpfel setzen mit Blüten im Frühjahr sowie einer intensiven Laubfärbung und mit Fruchtschmuck im Herbst jahreszeitliche Akzente.
Favorisierte Arten
Wegen ihrer standörtlichen Zuverlässigkeit und dem attraktiven Erscheinungsbild in der zweiten Jahreshälfte plant Gerber gerne Astern ein. Verwendet wurden Sommeraster (Aster amellus ‘Veilchenkönigin‘), Kattunaster (Aster
lateriflorus var. horizontalis), Weisse Waldaster (Aster divaricatus) sowie Glattblattaster (Aster novi-belgii ‘Schöne v. Dietlikon‘). Bei Letzterer kann ein Vorblütenschnitt Ende Mai sinnvoll sein, um die Standfestigkeit zu erhöhen. Dasselbe gilt für die ebenfalls verwendete Schönaster (Kalimeris incisa ‘Madiva‘) sowie bei Phlox ‘Hesperis‘. Zu den Favoriten des Pflanzplaners zählt weiter Amsoniatabernaemonta (Blausternbusch). Sie eignet sich gut für wiesenartige Pflanzungen. Wird ihr die nötige Entwicklungszeit eingeräumt, bereichert diese ganzjährig attraktive Staude vom Erscheinen der hellblauen Blüte im Frühjahr bis zur leuchtend gelben Herbstfärbung jede Pflanzung. Das Laub bleibt die gesamte Saison hindurch gesund und attraktiv. Hat sich Amsonia einmal etabliert, ist sie unproblematisch und sehr langlebig. Die langsame Entwicklung wird durch Benachbarung mit der kurzlebigen (zweijährigen) Nachtviole (Hesperis matronalis) überbrückt. «Sämlinge sollten innerhalb ihrer zugedachten Fläche unbedingt stehen gelassen werden. Der Rückschnitt erfolgt nach dem Versamen im Juli / August», so die entsprechende Pflegeanleitung.
Das robuste, spätblühendeGras Sesleria autumnalis (Herbst-Kopfgras) ist ebenfalls ein sicherer Wert, passt zum Charakter der Pflanzung und lässt sich sehr gut flächig verwenden. Als besonders standfest erweist sich darüber hinaus Veronicastrum virginicum ‘Erica‘ (Virginisches Ehrenpreis). Bei der Pflanzenauswahl wird im Hinblick auf ihre ökologische Bedeutung heimischen Arten Platz eingeräumt. Eine bevorzugt verwendete Art ist der Ziest (Stachys officinalis), der auch in der «Flora-Selve» vorkommt.
Allgemeiner Unterhalt
Die wichtigsten Pflegemassnahmen sind im jahreszeitlichen Ablauf dokumentiert. Zu den allgemeinen Pflegearbeiten gehört die Unkrautkontrolle. In den ersten beiden Standjahren, bis sich eine geschlossene Pflanzendecke gebildet hat, ist der Aufwand höher als in den Folgejahren. Wie Gerber erläutert, soll sich die Bodenlockerung im Anschluss an das Jäten auf ein ganz oberflächiges Lockern der Trittstellen beschränken. «Das klassische Hacken macht keinen Sinn, da bei diesem Eingriff Wurzeln von oberflächig wachsenden Stauden zerstört werden und die Ruderalflora (Unkrautbewuchs) zusätzlich gefördert wird», so die Begrünung.
Stauden geben durch Fruchtstand und Struktur einen spezifischen Charakter, mit Schnee und Raureif überzogen entstehen die schönsten Winterbilder. Sie sollten deshalb im Herbst belassen und erst im Februar/März zurückgeschnitten werden. «Die noch bestehenden Pflanzenstrukturen bieten zudem Kleinlebewesen eine Überwinterungsmöglichkeit an und im Boden schlummernden Pflanzen einen natürlichen Winterschutz», wie Gerber als weitere Gründe anfügt.
Alle zwei bis drei Jahre wird eine Gabe von Tonmineral (100g pro m2) empfohlen. Dies fördert das Bodenleben und reichert den Boden mit Spurenelementen und Mineralien an. Von Vorteil ist bei einigen Arten eine Teilung, um der Vergreisung und Blühfaulheit entgegenzuwirken. Der beste Zeitpunkt für sommer- und herbstblühenden Stauden ist im März/April. Das Teilen ist alle sechs bis acht Jahre sinnvoll.
Für Stauden, die zum Auseinanderfallen tendieren, wird ein Pflegeschnitt angewendet. Die Triebe dieser Arten werden ab Ende Mai bis Mitte Juni um etwa 10 bis 15 cm eingekürzt. Dies fördert die Verzweigung und führt zu einem kompakteren Wuchs. Zudem lässt sich mit diesem Pflegeschnitt die Blütezeit steuern. Bei einigen Arten hat ein Abschneiden verblühter Blumen oder ein kompletter Rückschnitt einen zweiten Flor zur Folge und beugt allfälligen Pilzkrankheiten vor. Das neu entwickelte Laub sieht für den Rest des Sommers ansehnlich aus.
Selve-Park
Der von Stadtgrün Thun geplante, multifunktional nutzbare, 7000 m2 grosse Stadtpark ist Bestandteil der Selve. Durch den Park führt ein Uferweg direkt an der Aare. Eine lange Betonbank, in der in Messing gegossene Gegenstände eingelegt sind, erinnert an die Zeitabschnitte des Selve-Areals, das lange Zeit ein Industriegelände war.
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