Begrünte Gebäude und grüne Infrastrukturen sind heutzutage von wesentlicher Bedeutung und erfreuen sich zunehmender Beliebtheit. Dank ihrer Ökosystemleistungen wie Verdunstungskühlung, CO2-Bindung, Beschattung und Meteorwasserretention haben Gebäudebegrünungen eine ausgleichende und regulierende Wirkung bei Extremereignissen wie Hitzeperioden und Starkniederschlägen. Ausserdem hilft uns die Begrünung von Gebäuden bei aktuellen und zukünftigen Herausforderungen, um urbane Hitzeentwicklungen einzudämmen, Städte grün zu halten sowie die Biodiversität, Luft- und Lebensqualität zu steigern. Mit namhaften Referentinnen und Referenten und einer Plattform für Fragen und Diskussionen widmete sich die SFG einen ganzen Tag lang diesen Themen.
Die sich seit 1995 für die Förderung und Entwicklung des Gebäudegrüns engagierende SFG setzt sich für nachhaltige Qualität und fachgerechte Ausführung ein und ist zudem Herausgeberin von anerkannten Standards und Richtlinien. Sie organisiert Aus- und Weiterbildungsanlässe und bietet Beratungen und Expertenleistungen an. Als national führende und anerkannte Fachinstitution arbeitet sie kooperativ mit verschieden nationalen und internationalen Verbänden zusammen und durfte an der diesjährigen Jubiläumstagung viel Lob von den Partnerverbänden entgegennehmen.
Stadtklima – Hitzeinsel
Wie Erich Steiner, Geschäftsführer der SFG, es gerne betont: Ötzi hat uns vor rund 30 Jahren aufgezeigt, dass sich die Welt verändert und uns auf heutige Klimaextremen hingewiesen. Wirksame Klimapolitik wurde aber vernachlässigt und ist auch heutzutage noch Brennpunkt und aktueller denn je.
Das Stadtklima hat direkte Auswirkungen auf die Lebensqualität der Bewohnerinnen und Bewohner. In Anbetracht der steigenden Temperaturen aufgrund des Klimawandels, dem wachsenden Verdichtungsdruck und der zunehmenden Bodenversiegelung entwickeln sich Städte immer mehr zu Hitzeinseln. Es ist Zeit für Veränderungen, denn die Zunahme von Hitzetagen und -nächten stellt für die Stadtbevölkerung ein ernst zu nehmendes Gesundheitsrisiko dar.
Versiegelte Flächen in dicht bebauten Gebieten verunmöglichen natürliche Kreisläufe und fehlende Luftkorridore verstärken zusätzlich die Belastung, die durch die Wärmeabstrahlung von Beton-, Asphalt- und Gebäudeflächen entsteht. Das enorme Potenzial von ungenutzten Plätzen, Flachdächern, Fassaden, Tramtrassen und weiteren Flächen, die sich für Begrünungen eignen, muss sinnvoll genutzt werden. Aktuell gibt es allein bei Dachflächen ein mehrheitlich ungenutztes Potenzial von rund 450 km² in der Schweiz.
Auf dem Dach
Dächer bieten Gestaltungs-, Wasser-, Retentions- und Energiesparpotenzial, das durch die Begrünung erreicht werden kann. Dabei wirkt die Dachbegrünung als natürlicher Schutz, als Klimaregler und sie kann die Lebensdauer einer Dachabdichtung durch Schutz vor UV-Strahlung wesentlich verlängern. Gründächer speichern auch Wasser, das das lokale Abwassersystem entlastet und sie können wertvolle Biotope der Flora und Fauna darstellen. Zudem sind Räume und Bereiche unmittelbar unter oder neben begrünten Dachflächen bei hochsommerlichen Temperaturen, aufgrund ihrer Verdunstungskühlung, angenehm mild und führen zu geringeren Energiekosten. Im Winter wird dafür die Wärmedämmung unterstützt und das thermische Speichervermögen erhöht. Die nähere Umgebung profitiert zudem von der verbesserten Luftqualität durch Feinstaub- und CO2-Bindung wie auch vom ästhetisch hochwertigeren Siedlungsraum.
In Form von Dachgärten als Wohn- und Erholungsraum steigern sie zudem die Wohn- und Lebensqualität und reduzieren den Landbedarf, indem die teuren und bisher ungenutzten Flächen nutzbar gemacht werden. Die Dachbegrünung ist auf der Mehrheit der neu erstellten Flachdachbauten bereits Standard und wird durch Gemeinden gefördert oder sie fordern das Grün auf dem Dach, gleichermassen wie Bauherren. Die meist auf Flachdächern installierte Dachbegrünung ist ebenso auf geneigten Dächern anwendbar und im Übrigen wird so auch der Gebäudewert erhöht.
Energiegründach
Zahllose Gebäude warten aktuell auf ihre solare Nutzung. Dabei erfolgte Europas erste Netzeinspeisung solarer Energie bereits 1982 auf dem Fachhochschuldach Südschweiz in Canobbio im Tessin statt. Die direkte Eigennutzung des Stroms ist vor allem für Tagesverbraucher – Gewerbe, Büros und Industrie – wirtschaftlich interessant und führt zu erhöhter Versorgungssicherheit und unabhängiger Energieversorgung.
Die sich bereits vielfach bewährten Kombisystem aus Solar- und Gründach bieten überzeugende Vorteile: Trägerbefestigungen für Solarpaneele können durch die Befestigung an Substrat, Vegetation und Speichermatten weitere Auflasten und Dachdurchdringungen ablösen. Durch dichte und niedrige Vegetation unter den Paneelen kann zudem unerwünschtem Pflanzenwachstum Einhalt geboten werden und die kühlenden Eigenschaften der Flora optimieren ausserdem die solare Energiegewinnung, die beim Heisslaufen an Effizienz verliert. Auf den Flächen zwischen den Paneelen gedeiht überwiegend silberlaubige und trockenheitsresistente Vegetation, so wird vom Albedoeffekt (Reflexionsstrahlung) profitiert und die Energiegewinnung wird zusätzlich gesteigert.
Neue Versuche an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) versprechen weiters, eine potenzielle Ertragssteigerung bei senkrecht aufgeständerten Solarpaneelen, die nicht nur in verschneiten Bergregionen neue Möglichkeiten eröffnen könnten.
An der Fassade
Grüne Fassadenarchitektur kann auf wenig Platz ein eindrückliches Gestaltungsmittel, Wetter-, Sicht-, Lärm- und Sonnenschutz und zusätzlich ein wirksames Instrument zur Klimatisierung sein. Ausserdem sind fachgerecht begrünte Fassaden beständiger und weisen einen minimalen Raumbedarf auf.
Das breite Spektrum an Möglichkeiten zur Begrünung erlaubt es, passende Lösungen für jedes Gebäude und jeden Standort zu finden. Trotzdem gibt es bei der Umsetzung Diverses zu beachten: Die wichtigsten Punkte betreffen einerseits die standortspezifische Pflanzenwahl, andererseits die Fassadenstabilität, die den zusätzlichen Lasten der Begrünung standhalten muss. Aktuell sind auch die Brandschutzrichtlinien nicht zu vernachlässigen, diese fordern besondere Beachtung, da diese projektspezifisch zu betrachten sind.
Für gewillte Vertikalbegrüner mit knappem Budget empfehlen sich beispielsweise auch Spalierobstbäume. Diese können mit wenig Aufwand erstellt werden und geben dazu noch Früchte ab.
Energiegrünfassade
Auch das funktioniert! Neue Solarfassaden bieten attraktive Gestaltungsmöglichkeiten durch unterschiedlich ansprechende Paneele, die von bunt zu transparent bis hin zu in Fensterflächen integrierter Photovoltaik reichen. Dies ermöglicht interessante Kombinationen aus Pflanzen und Solaranlagen, die die blassen Siedlungsräume beleben.
Für Innen- und Übergangsbereiche
Innenbegrünungen sind ein ideales Gestaltungsmittel und steigern das Wohlbefinden durch die Reinigung der Raumluft und Regulierung der Luftfeuchtigkeit in den Räumen. Zudem wird der Schallpegel der in den Büros Tätigen reduziert und die Konzentrationsfähigkeit gesteigert.
Zur grünen Stadt
Historischen Überlieferungen zufolge wurden bereits rund 1000 Jahre vor unserer Zeit die ersten Dachbegrünungen im Nahen Osten erstellt. Das bekannteste Beispiel sind wohl die «Hängenden Gärten von Babylon» im 6. Jahrhundert v. u. Z., die zu den sieben Weltwundern der Antike zählten. In Zeiten, in denen der Mensch mehr denn je das Gesicht der Erde verändert, tun wir gut daran, der Natur wieder die Chance zu geben, sich ihren Platz in der Stadt zu sichern. Grüne Gebäudehüllen sind hierfür, für die grüne Stadt der Zukunft, unverzichtbar. Die Industrie und vor allem öffentliche Einrichtungen sollten eine Vorreiterrolle einnehmen und sicherstellen, dass sich Begrünungen und die Solarenergie, als künftig tragende Säule der Schweizer Stromversorgung, in Kombination durchsetzen.
Wie Steiner mahnt: «Die Zeit ist vorbei nur darüber zu debattieren, ob Ökologie und Umweltschutz etwas kosten darf. Es ist an der Zeit zu handeln, denn wir hinterlassen unseren Kindern nicht nur die Kosten unserer Unterlassung!»
Was weiter zu tun bleibt, ist zu informieren, zu sensibilisieren und zu motivieren, denn die Stadt der Zukunft ist und bleibt pflanzbar.
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