Schon von Weitem leuchteten die roten T-Shirts der Teilnehmer Reto Dali, Egli Gartenbau AG, Sursee, und Samuel Binder, Peter Arnold GmbH aus Wauwil/Egolzwil, zusammen mit denen der vielen Schweizer Fans, auf deren Rückseite der Spruch «Samuel + Reto – Zäme alles gäh» zu lesen war, an der Wettbewerbsbaustelle. Genau das hat geklappt und zum verdienten Sieg geführt.
Weltmeisterliche Leistung
Nach vier Tagen körperlicher und mentaler Höchstleistung war die Freude und auch die Erleichterung bei Samuel Binder und Reto Dali gross, als der Abpfiff durch die Halle der Landschaftsgärtner hallte. Sie hatten 22 Stunden lang alles gegeben und mit einer Präzision gearbeitet, die sich bei keinem anderen Team beobachten liess. Bei den Vermessungsarbeiten der Baustelle waren sie immer gemeinsam am Werk und sicherten die Masse mehrmals mit eigens angefertigten Konstruktionen aus Holzlatten oder gebogenen Eisen ab. Für den Bau des Wasserbeckens tauchte Reto die Betonsteine in einen Eimer mit Wasser, damit das Becken beim Einlaufen keinen weissen Schleier zeigte, und die Natursteinmauer aus Kalkstein war perfekt bearbeitet und aufgesetzt.
Die Aufgaben hatten sich die beiden zusammen mit ihrem Coach und Experten Lorenz Arbogast exakt nach Stärken aufgeteilt. Samuel baute den Grossteil der Mauern und kümmerte sich um die meisten Pflanzungen, Reto war für das Wasserbecken, das Holzdeck, das Kieselpflaster sowie für den Formschnitt der Eiben zuständig. Das Verfugen des Kieselpflasters kostete die Schweiz Bewertungspunkte, denn zur besseren Beurteilung durch die Experten hätte es unverfugt bleiben müssen. Auch die oberste Fuge der Stufe, die beide Mauerteile verband, war etwas gross ausgefallen und wurde deshalb am dritten Tag für den optischen Gesamteindruck mit Zwickelsteinen aufgewertet. Aber damit konnten die beiden Teilnehmer recht gut umgehen, denn in zahlreichen Mentaltrainings lernten sie, auch mit Rückschlägen gelassen umzugehen und ihr Coach Arbogast unterstützte sie, indem er ihnen den Druck nahm.
Mit 742 Punkten lagen die beiden am Ende sechs Punkte vor dem japanischen Team, das Vizeweltmeister wurde, und 21 Punkte vor den Südtirolern, die zusammen mit China (720 Punkte) die Bronzemedaille holten.
«Die grösste Schwierigkeit für uns war, die Qualität und die Genauigkeit trotz des Zeitdrucks beizubehalten, damit sich am Ende alles ineinanderfügt», so das Résumé von Reto und Samuel. «Es war schön, um die Unterstützung der Arbeitgeber zu wissen, die man jedoch während des fokussierten Arbeitens nur unterbewusst wahrnimmt», beschreiben die beiden, die ihren ganz eigenen Plan hatten und sich auch nicht von den anderen Teams beirren liessen. «Die Goldmedaille umgehängt zu bekommen, ist ein sehr belohnendes Gefühl. Hiermit hat sich unsere harte und lange Vorbereitungszeit voll ausgezahlt», freuen sich Reto und Samuel riesig über diese Platzierung.
Unterstützung der Arbeitgeber
«Als Unternehmen haben wir die Abwesenheitszeiten von Sämi, die für die Trainings benötigt wurden, komplett übernommen, damit er sich voll und ganz auf den Wettkampf konzentrieren konnte. Wir unterstützten, wo wir konnten, und enorm wichtig war in dieser Zeit, dass alle dasselbe Ziel vor Augen hatten», beschreibt Lukas Arnold, Geschäftsinhaber der Peter Arnold GmbH in Wauwil/Egolzwil, die Leistungen dieses gemeinsamen Erfolgs. «Es ist unerlässlich, als Ausbildungsbetrieb die notwendigen Ressourcen, die positive Einstellung sowie die Freiräume für ein optimales Gelingen zur Verfügung zu stellen.»
«Eine intensive Leistung erfordert eben auch eine intensive Unterstützung», bekräftigt Beat Bucheli, Geschäftsleitung der Egli Gartenbau AG aus Sursee. Wie Arnold war auch er die gesamte Zeit vor Ort in Lyon und unterstützte mit seiner Anwesenheit direkt an der Bande der Schweizer Wettbewerbsbaustelle. «Dennoch mussten die Kandidaten dieses Resultat ganz alleine bauen», ergänzt Bucheli. «Einer der schönsten Momente war der Endspurt des Wettkampfs. Die Stimmung der Schweizer Fans war gigantisch und alle liessen nach dem Schlusspfiff ihren Emotionen freien Lauf», äussert sich Lukas Arnold begeistert.
Gefördert wurden beide Teilnehmer während ihres Jahres der Vorbereitung z. B. durch die Ausführung von Natursteinarbeiten auf den Baustellen sowie ein sehr strenges Über-die-Schulter-Schauen bei allen Arbeiten, die sie nicht nur in der Praxis, sondern auch während der Trainings ablieferten. Motivation von aussen war nicht notwendig, denn beide hatten ihr Ziel konkret vor Augen: Sie wollten die Goldmedaille nach Hause bringen und den Titel erneut verteidigen.
Für Lukas Arnold und Beat Bucheli war von Anfang an klar, dass sie Samuel und Reto als Wertschätzung ihres enormen Einsatzes auch vor Ort unterstützen. Schliesslich repräsentieren die beiden sowohl die Firmen als auch die Ausbildungsqualität in der Schweiz. «Um uns einen persönlichen Blick über das nationale Ranking zu verschaffen, haben wir sicher vier Mal am Tag geschaut, was und wie die anderen Nationen bauen. Das war dann fast immer die Bestätigung, dass die Schweiz auf dem richtigen Weg ist», verraten Bucheli und Arnold im Rückblick. Aufgrund der Leistungen der weiteren 19 Teams war beiden früh klar, dass ein Spitzenplatz möglich sein sollte. Die Unternehmer sind mächtig stolz auf diesen grossartigen Erfolg von Reto und Sämi und freuen sich mit den beiden über den Weltmeistertitel.
Rolle des Experten und der Trainer
Lorenz Arbogast, Leiter Bildungszentrum Gärtner Jardin Suisse Zentralschweiz und in diesem Jahr zum ersten Mal als Schweizer Experte bei den WorldSkills im Einsatz, coachte zusammen mit Nationaltrainer Pascal Flüeler Samuel Binder und Reto Dali. Sowohl Arbogast als auch Flüeler waren selbst Teilnehmer vergangener WorldSkills und wissen aus eigener Erfahrung, welche Herausforderungen im Skill 37, Landscape Gardening, auf die Kandidaten zukommen. An ihrer eigenen freundschaftlichen Verbindung versuchen sie auch die Kandidaten teilhaben zu lassen, denn ein guter Teamspirit ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für den Erfolg.
«Während des Wettbewerbs fühlte ich mich wie in einem Film. Die Konzentration liegt voll beim Team und der Wettbewerbsaufgabe. Morgens, mittags und abends hatte ich die Chance, mich mit Reto und Sämi auszutauschen, um die jeweils besten Lösungen für die einzelnen Teilaufgaben zu finden. Dennoch hatten weder die Teilnehmer noch ich mitbekommen, dass das Kieselpflaster nicht zu verfugen war. Und genau das ist mein Job: Aus schwierigen Situationen das Beste zu machen, um den Druck von unseren Kandidaten zu nehmen. Diese Information wollte ich gar nicht weitergeben, aber irgendwie ist sie dann doch bei den beiden angekommen. Ich konnte ihnen die Nervosität nehmen und sie stärken, damit es mit klarem Kopf weiter voranging», schildert Arbogast.
Nach den WorldSkills ist vor den WorldSkills, deshalb gibt es immer eine Analyse des aktuell abgeschlossenen Wettbewerbs. «Wir passen unsere Trainingspläne dann an die neuen Gegebenheiten an, denn ein Verharren wäre für uns ein Rückschritt», verrät der Schweizer Experte. Absoluter Wille, wahre Leidenschaft für den Beruf, echte Begeisterung und vier perfekte Tage ohne Ausrutscher sind laut Arbogast die Voraussetzungen für beste Leistungen in diesem Wettkampf. Durch die tägliche Praxis in den Betrieben bringen die Teilnehmer zudem sehr gute Grundvoraussetzungen mit.
Neben dem Coachen des eigenen Teams gehört die ehrliche und faire Bewertung aller anderen teilnehmenden Nationen zu den Hauptaufgaben eines Experten. «Da treffen viele Kulturen aufeinander. Das Ziel ist es, immer eine gemeinsame, faire Lösung zu finden, wie z. B. für die Teichfolie, die bei vier Teams, u. a. auch bei uns Schweizern, zu klein bemessen war», ergänzt er. «Johannes Gaugel, der deutsche Experte, ist ein klasse Trainer und Experte und macht seinen Job grossartig. Wir hatten eine sehr gute Zeit in Lyon. Zusammen konnten wir viel zum guten Gelingen des Wettbewerbs beitragen», so Arbogast über seinen deutschen Kollegen. |
Der Wettbewerbsgarten
Zwei Trockenmauern aus Kalkstein waren das tragende Element dieses terrassierten Gartens. Auf der obersten Ebene verband ein Kiesweg die Bepflanzung aus Formgehölzen, in deren Hintergrund Rankelemente aus Holz installiert waren. Der perfekt platzierte Gartenstuhl lud offensichtlich zum Geniessen ein. Blickfang war ein lineares Wasserbecken mit Wasserspiel vor einem der beiden Mauerteile. Dazwischen führte eine Steinstufe zum Holzsteg, der auf ein aussergewöhnliches, rund gefasstes Kieselpflaster geleitete. Bepflanzt mit Gehölzen, Stauden, Gräsern und Rosen entstand ein Wohlfühlgarten nach französischem Vorbild. Jeweils zwei nebeneinanderliegende Wettbewerbsflächen bildeten dabei den Schriftzug «Lyon 2024» in der Bepflanzung. P. Reidel
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