Obwohl der Baustoff Lehm auf eine über 12 000-jährige Geschichte zurückblickt, ist er heutzutage immer noch ein Nischenprodukt – im Garten wie auch im Innenausbau. Wie kaum ein anderer Baustoff erfüllt Lehm die Kriterien des nachhaltigen und ressourcenschonenden Bauens. Er ist in fast allen Regionen der Erde verfügbar. Durch die Nutzung des Baugrubenaushubs lässt sich Transportenergie einsparen. Die Herstellung einer massiven Stampflehmwand beispielsweise benötigt lediglich den Bruchteil an Primärenergie einer vergleichbaren Wand aus Beton oder Ziegel. Lehm ist beliebig oft wiederverwertbar und kann problemlos in den natürlichen Kreislauf zurückgeführt werden.
«Lehm verfügt über keine starke Lobby. Deshalb geniesst er nicht jene Präsenz, die er verdient hätte», findet Christoph Wegelin. Der Handwerker mit seiner Firma Gartenpoet GmbH aus Wohlenschwil AG setzt den Lehm unterschiedlich ein. Seit 20 Jahren baut er Lehmöfen für den Garten und entwickelte dabei seine eigenen Lehmofenmodelle. Weiter verwendet Christoph Wegelin den Lehm zum Abdichten von Teichen, sei es für neue wie auch bereits bestehende Untergründe. «Beim Teich wird der Lehm anstelle der sonst üblichen Teichfolie eingesetzt.» Für die nötige Dichtigkeit müsse der Lehm eine gewisse Dicke aufweisen. Im Garten beliebt ist der Lehm für Hochbauten wie Sichtschutzwände oder z. B. Gartenpavillons. Letzteren realisierte Christoph Wegelin als erweitertes Wohnzimmer in einem Garten. «Die 45 cm dicken Wände haben eine kraftvolle Ausstrahlung», schwärmt der Lehmbauer. «Dank des thermischen Effekts des Lehms wirkt er im Sommer kühlend und in den kälteren Monaten strahlt er gegen Abend Wärme ab, die er tagsüber gespeichert hat.»
Von der Rebe zum Lehm
Wie kam Christoph Wegelin zum Lehm? «Ich habe ursprünglich Winzer gelernt und dabei den Lehmboden mit seinen Vorteilen für die Reben erlebt.» Über eine Ausbildung zum Baubiologen erhielt er dann einen noch vertieften Einblick in den Lehmbau. «Lehm ist ein vielfältiges Material und überaus gestaltungsfreudig. Dadurch bietet sich mir eine breite Anwendungspalette. Ausserdem ist Lehm ein rein natürliches Material mit einer kraftvollen Ausstrahlung.»
Auch Manuel Bühler aus Münsingen BE arbeitet seit vielen Jahren mit Lehm. Der ehemalige Berufstaucher lebte acht Jahre in Asien und begegnete dort, wie er erzählt, regelmässig dem Baustoff Lehm. «Es faszinierte mich, zu sehen, wie die Menschen ihre Häuser mit Lehm reparierten, ohne dabei auf teure Materialien zurückgreifen zu müssen.» Zurück in der Schweiz, machte sich Bühler vor rund 20 Jahren als Lehmbauer selbstständig. Weil es damals noch kaum Kurse im Umgang mit Lehm gab, brachte er sich das Handwerk grösstenteils autodidaktisch bei. Manuel Bühler setzt den Lehm am Bau, im Garten, für die Natursteinbearbeitung und die Malerei ein. «Der Lehm ist ein spannendes Naturprodukt, weil es überall vorkommt. Da Lehm wasserlöslich ist, kann er jederzeit wieder rückgebaut und neu verwendet werden.»
Wertvoll für die Biodiversität
Als eines der ursprünglichsten Baumaterialien eignet sich der Lehm auch für den Garten. Er lässt sich, so Christoph Wegelin, ideal mit Pflanzen wie auch mit Holz, Metall oder Glas kombinieren. Laut Manuel Bühler leistet Lehm weiter einen wertvollen Beitrag für die Biodiversität im Garten. Denn viele Insekten schätzen das Material zum Nisten. Von einer direkten Bepflanzung von Lehmwänden im Garten rät Manuel Bühler allerdings ab. Denn das poröse Material bietet Kletterpflanzen viele Angriffsflächen und wird dadurch beschädigt.
Wird der Lehm als Wand oder für ein Gebäude im Garten verwendet, brauche es allerdings einen Wetterschutz, um das Material vor Feuchtigkeit zu schützen, sagt Wegelin. Solche Schutzmassnahmen lassen sich z.B. mit Glas, einer Steinplatte oder einer Holzschalung auf der Wetterseite realisieren. «Das Wasser löst den Lehm auf. Deshalb muss man ihn vor Regen wie auch vor aufsteigender Feuchtigkeit aus dem Untergrund und vor Frostschäden schützen.» Aus diesem Grund werden Lehmmauern stets auf einen ca. 30 cm hohen Sockel aus Stampfbeton gebaut. Bei der Abdichtung von Teichen sei es wichtig, dass keine Pflanzen bzw. Wurzeln den Lehm durchdringen und dadurch eine Kapillarwirkung erzeugen.
Unterschiedliche Lehmmischungen
Lehm ist nicht gleich Lehm. Auf die Mischung kommt es an. Je nach Bauprojekt braucht es laut Manuel Bühler unterschiedliche Lehmmischungen. Dabei spielen die Erfahrung und das Wissen rund um die Eigenschaften von Lehm eine wichtige Rolle, betont der Lehmbauer. Um den geeigneten Lehm zu finden, begeben sich Christoph Wegelin wie auch Manuel Bühler regelmässig bei Baustellen auf die Suche nach Lehmaushub. Stampflehm etwa, der für Mauern verwendet wird, sollte eher mager sein und mehr Kies beinhalten. Für die Teichabdichtung hingegen brauche es, so die Lehmbauer, einen «fetten» Lehm mit hohem Tonanteil.
Je nach Projekt wird der Lehm unterschiedlich verarbeitet. Beim Teichbau beispielsweise wird der Lehm mit einem Grabenstampfer und einer Schaffusswalze verdichtet. Für den Ofenbau formt Christoph Wegelin von Hand Lehmsteine, die er dann aufeinanderschichtet und verputzt. Ein pneumatischer Stampfer kommt bei Stampflehmmauern zum Einsatz. Dabei werden die ca. 10 cm dicken Lehmschichten Lage für Lage eingebaut, verdichtet und ausgetrocknet. Anschliessend müssen die Fugen mit Mörtel ausgefüllt werden.
«Wichtig ist eine gute und – im Vergleich zu Beton – besonders starke Verschaltung, da sich die Wand aufgrund des hohen Drucks des Lehms ansonsten verformen kann», gibt Manuel Bühler zu bedenken. Eine aufwendige Bauweise, die sich jedoch sehen lässt: «Auf diese Weise holt man quasi das Erdprofil nach oben. Im Querschnitt sind die Sedimentschichten sichtbar, wie man es sonst vom Erdreich her kennt», erklärt Christoph Wegelin.
Erdend und beruhigend
Lehm wirkt. «Das Material hat einen beruhigenden Effekt», stellt Christoph Wegelin immer wieder fest. «Es wirkt erdend und hilft, innerlich zur Ruhe zu kommen.» Als der Lehmbauer 2017 an der Gartenmesse Giardina mit einer 3 m hohen Stampflehmwand präsent war, fühlten sich viele Menschen magisch davon angezogen und wollten das Material berühren. «Der Lehm bringt uns mit der Mutter Erde in Kontakt», ergänzt Christoph Wegelin, der auch als Geomant arbeitet.
Lehmbauten sind grundsätzlich langlebig, sagt Manuel Bühler, sofern sie über einen Wetterschutz verfügen und gut unterhalten werden. «Es gibt 500-jährige Lehmbauten in der Schweiz. Sie sind immer noch intakt und teilweise unter einer Kalkschicht versteckt.»
Kommentare und Antworten