Man trifft ihn immer mal wieder, sei es an Tagungen, Ausstellungen oder sonstigen Fachanlassanlässen – Tony Muff ist dabei. Er hat sich ein Leben lang weitergebildet und auf dem Laufenden gehalten. Seit seiner Berufslehre, die er in einem gemischten Betrieb absolvierte, liest er regelmässig die Fachzeitschrift «dergartenbau». Dabei interessieren ihn nicht nur die Produktionsthemen. Muff will breit informiert sein, «das bringt einen auf Ideen und man kann auch bei anderen Themen mitreden», sagt er. Anfänglich habe ihm der Lehrmeister das Fachmagazin mitgegeben», erinnert sich der langjährige «dergartenbau»-Abonnent. Damals habe er begonnen, eine Wissenskartei mit Artikeln anzulegen – das Internet war noch nicht erfunden.
Muff sammelte nach der Lehre berufliche Erfahrungen in der Westschweiz (Samenanbau), im Tessin (Baumschul- und Staudenproduktion, GaLaBau) und in der Ostschweiz (Gartencenter, Friedhof, Unterhalt). 1979 trat er nach der Meisterprüfung in den Produktionsbetrieb der Firma Heini AG ein. Das Unternehmen führt beim Friedhof Friedental in Luzern ein Blumengeschäft und ist traditionell im Grabunterhalt verankert. Es verfügt heute aber auch über eine eigene GaLaBau-Abteilung und neu über einen «Eventgarten». Muff leitet seit 40 Jahren den Betrieb Emmen.
«Ich könnte ein Buch schreiben»
In dieser Zeit habe er eine Riesenentwicklung erlebt, erzählt der Gärtnermeister und lacht: «Ich könnte ein Buch schreiben.» Er erinnert sich: «Als ich hier zu arbeiten begann, wurden Semperflorensbegonien noch in Breitsaat ausgesät und zweimal pikiert. Dann hatten wir eine Presstopfmaschine für Ballenware und anschliessend eine Sälinie aus den Niederlanden für Direktsaat. Als Heizenergie immer teurer wurde, stellten wir aus wirtschaftlichen Überlegungen auf Speedy-Jungpflanzen um.»
Früher, so Muff, wurde das Kultursub-strat noch selber mit eigenem sterilisierten Kompost hergestellt. «Die Mischung war schon damals extrem torfreduziert», berichtet der Produzent, der die Kunst des Kultivierens beherrscht, die eine solche Erde in Kombination mit Ebbe-Flut-Bewässerung erfordert. Inzwischen wird allerdings eine torfreduzierte Fertigerde von Ricoter verwendet.
Auch die Produktion der Stiefmütterchen hat sich stark verändert. Vor 40 Jahren wurden die Violen noch im Tunnel breit ausgesät und Mitte August, nach der Kartoffelernte, auf einem 5000 m2 gros-sen gepachteten Acker ins Freie pikiert. Gegen Unkraut wurde der Boden vorgängig Tag und Nacht gedämpft. Dazu mussten jeweils zwei Arbeitskräfte im Zelt beim Feld übernachten und jede Stunde die Dämpfplane verschieben. Zur Rationalisierung führte Muff Anfang 1980er-Jahre die chemische Bodendesinfektion mit Basamid-Granulat ein. Etwas später testete er den Einsatz von Stomp, ein für Wasserorganismen sehr giftiges Herbizid, das heute nicht mehr zugelassen ist. Es gab Schäden, weil der mit dem Ausbringen (Spritzbalken) beauftragte Baumwärter die Konzentration einmal falsch berechnet hatte. «Das war also auch schwierig», so der Produzent, der die Kultur 1983 auf Plattentöpfe (Packs) umstellte. «Am Anfang wurde ich dafür belächelt», berichtet Muff. Doch die unter kontrollierten Bedingungen – ohne Unkraut und Rehfrass – produzierte sowie wetterunabhängig lieferbare Qualität gab ihm Recht.
Gärtnereineubau – ein Höhepunkt
Ende der 1980er-Jahre entschied die Firma Heini, in eine neue Produktionsstätte zu investieren. Die Planung und Realisierung des Neubaus auf der grünen Wiese in Emmen war für den Gärtnermeister fast wie Geburtstag und Weihnachten zusammen. Es sollte keine Fabrik entstehen, aber eine moderne Anlage mit 5000 m2 Hochglas und 6 a Freiland, mit von drinnen nach draussen verschiebbaren Mobilcontainern und Anstaubewässerung. Das ermöglicht effiziente Abläufe: Vom Arbeitsraum gelangen die Pflanzen zunächst ins Warmhaus, später ins kühlere Kulturhaus und zum Schluss zum Abhärten ins Freiland. Muff ist stolz auf diese Infrastruktur, die bis heute immer wieder erneuert wurde und es der Gärtnerei in der Hochkonjunktur Anfang der 1990er-Jahre auch ermöglichte, Grossverteiler zu beliefern. Er schwärmt von den damals guten Preisen und der schönen Nachfrage. – Tempi passati.
Beste Qualität für auf den Friedhof
Heute kultiviert der Betrieb ein breites Sortiment an Beet- und Balkonpflanzen, Kräutern (darunter zwölf Minzenarten) sowie eine Auswahl an Topfgemüsen (z. B. Peperonicini). Rund 130 Arten und Grössen werden angebaut, überwiegend in kleineren Mengen und teils in Sätzen. Manches wird auch selber vegetativ vermehrt. Produziert wird für die verschiedenen Abteilungen der Heini AG (Friedhof, Blumengeschäft) sowie im Auftrag für andere Friedhofgärtner und für ein Gartencenter. «Wir liefern gute Qualität», betont Muff, «für den Friedhof auf Etagenwagen assortiert nach Farben und Sorten, so wie die Pflanzen am Grab gebraucht werden.» Früher wurden ganze Gewächshäuser voller Pelargonien produziert. Heute sind Semperflorensbegonien, Fuchsien, Angelonia, Dipladenien, Neuguinea-Impatiens oder Sanvitalien ebenfalls sehr wichtige Kulturen.
Pioniergeist und Offenheit für Neues
Muff begegnet neuen Ideen offen. So hat er im vergangenen Jahr einen Versuch mit dem Anbau von Medizinalhanf gemacht. Aufgrund des volatilen Marktes beurteilt er einen grossflächigen Einstieg aber als riskant. «Das wäre ein Klumpenrisiko», meint der Gärtnermeister. Auch gebe es auf Seite der Mitarbeitenden Widerstand. Der Geruch sei stark und gewöhnungsbedürftig. «Mit Zierpflanzen können wir dümpeln, mit Hanf hätten wir vielleicht eine Chance, die Gewächshäuser einträglicher zu nutzen», bilanziert Muff.
Schon früh gehörte der Gärtnermeister zu den Produzenten, die in ihren Kulturen Nützlinge einsetzten, bevor es diese in der Schweiz überhaupt zu kaufen gab. Er bezog sie bei Hatto Welte auf der Insel Reichenau. Heute brauche er fast keine Chemie mehr, sagt Muff, der seit einem Jahr auch wöchentlich EM (Effektive Mikroorganismen) einsetzt. Kein Wundermittel sei das, «aber wir haben weniger Probleme». Die Pflanzen seien irgendwie vitaler und damit auch widerstandsfähiger gegenüber Schädlingen und Pilzen. «Das Pflanzenstärkungsmittel passt in meine Philosophie», erklärt der Gärtnermeister, der wenn immer möglich nach dem Mond gärtnert. Obwohl anfänglich von einigen Mitarbeitenden belächelt, führte er das Aussäen nach dem Mondkalender von Maria Thun ein, einer Pionierin des biologisch-dynamischen Pflanzenbaus.
Gerne im Kontakt mit Menschen
«Man soll nicht alles glauben und muss selber die Erfahrungen machen», meint der experimentierfreudige Kultivateur. Er behandelt mit EM auch die Überwinterungspflanzen, die ein weiteres Standbein der Gärtnerei sind und ca. 1600 m2 belegen. In diesem Geschäftsfeld agiert Muff ausgesprochen dienstleistungsorientiert. Ganz nach dem Motto: «Wenn der Kunde ein Problem hat, dann müssen wir es lösen.» Das kann bedeuten, dass für einen Stammkunden ein mächtiger Olivenbaum bei Jumbo abgeholt, umgetopft und per Kran am erwünschten Standort platziert wird. «Man muss ein bisschen besser sein als andere», sagt Muff, «und das wird auch honoriert.» Er schätzt den Kontakt zu den rund 400 Kunden aus sieben Kantonen, die ihre Pflanzen bei Heini überwintern lassen. Er berät diese Kundschaft sehr gerne. Sein breites berufliches Wissen ist dabei ebenso hilfreich wie die freundliche Art, mit der er auch Aufträge für die GaLabau-Abteilung akquirieren kann.
Es braucht Unternehmerqualitäten
Nächstes Jahr wird Tony Muff 50 Jahre im Gärtnerberuf verbracht haben. Auf ihn wartet die Pensionierung. «Dieser vielseitige Job hier ist auf mich zugeschnitten oder vielleicht auch ein bisschen um mich herum gebaut», gesteht der Produzent. Er hofft, dass sich ein Nachfolger finden lässt, der die Kombination von Verantwortung, Personalführung (vier Mitarbeitende, zwei Lernende) und Gestaltungsmöglichkeiten ebenso schätzt wie er. «Ein guter Gärtner zu sein, reicht heute nicht mehr», weiss Muff, «das Unternehmerische ist ebenso wichtig.» Er habe das Glück gehabt, im Laufe der Berufskarriere viele Kurse und Weiterbildungen (u.a. dipl.Betriebswirtschafter des Gewerbes) absolvieren zu können. «Das wurde von der Besitzerfamilie immer unterstützt und hat mir sehr viel gebracht, nicht zuletzt ein grosses Netzwerk.» Ein solches sei enorm wichtig: «Ich kenne enorm viele Leute, sodass es immer jemanden gibt, den ich anrufen kann, wenn ich einen Tipp, eine Erfahrung, eine Lieferantenempfehlung oder sonst eine Information brauche.» Es stimmt, Tony Muff kennt viele. Und viele kennen Tony Muff. |
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