Dass das Jubiläum mit einer Exkursion auf dem Weissenstein begann und mit der Tagung im Solothurner Landhaus endete, hat Symbolkraft. Wie Kurt Fluri, Präsident der Stiftung Landschaftsschutz Schweiz (SL), ausführte, ist die Juraschutzzone des Kantons Solothurn eine gesamtschweizerische Pioniertat des Landschaftsschutzes. Bereits 1942 hat der Regierungsrat «zum Schutz des Jura gegen Verbauung» einen Grossteil seines Kantonsgebietes mit einem rigiden Bauverbot belegt. Solothurn nehme auch sonst in der Geschichte des Landschaftsschutzes eine besondere Stellung ein. Marius Baschung und Ruedi Stüdeli, beide Solothurner, waren wichtige Stützen der Schweizer Raumplanung. Heute hat Nationalrat Kurt Fluri, Präsident der SL, auch das Solothurner Stadtpräsidium inne. Raimund Rodewald, fast Synonym für den SL, führt seit 30 Jahren dessen Geschicke mit einer unbändigen Leidenschaft für die Landschaft.
Von der Warnerin zur Institution
Nach einer grossen Zerstörungswut während der Industrialisierung im 19. Jahrhundert und dem Bauboom nach dem Zweiten Weltkrieg war bei der Gründung der SL 1970 ein breites Bewusstsein vorhanden, dass es eine Organisation brauche, die unabhängig und unbürokratisch den erst seit 1967 existierenden gesetzlichen Landschaftsschutz in der Praxis umsetze. Wie Fluri in seiner Festansprache weiter ausführte, blieb seine Organisation stets klein, aber fein. Vielleicht habe sie eben deshalb so Grosses erwirken können. 1972 lieferte sie beispielsweise den Anstoss für den Bundesbeschluss über dringliche Massnahmen auf dem Gebiet der Raumplanung, mit dem grosse Flächen vor wilder Verbauung haben bewahrt werden können. In der Folge wurden 35 900 Einsprachen gegen kantonale Umsetzungen erhoben. Auch für den Schutz der Oberengadiner Seenlandschaft vor Verbauung leistete die SL Massgebliches. Das ungehemmte Einzonen der unersetzlichen Uferlandschaften zu Bauland in den meisten Gemeinden des Bodensees konnte sie leider nicht verhindern.
SL unter verstärktem politischem Druck
Auch heute sei klar, dass der Staat alleine auf lokaler Ebene der Landschaft nicht den nötigen Schutz bieten könne. Obwohl heute gesetzlich besser geschützt, sei die Landschaft in der aus allen Nähten platzenden Schweiz weiter unter Druck, meinte Fluri. Doch auch die SL spüre Gegenwind. Zum einen rolle eine politische Welle gegen Ortsbild-, Natur- und Heimatschutz. Insbesondere die Bedeutung des Bundesinventars der wertvollsten Landschaften der Schweiz (BLN-Gebiete) sei geschwächt worden. Mit einer geänderten Interessenabwägung in Art. 6 des Natur- und Heimatschutzgesetzes (NHG) sei der Stellenwert der Eidgenössischen Natur- und Heimatschutzkommission (ENHK) relativiert worden. Nötig wäre aber genau das Gegenteil, ärgerte sich Nationalrat Fluri.
Eine weitere Bedrohung des Landschaftsschutzes ortet die SL in der Umsetzung der Energiestrategie 2050. Durch die massive Ausweitung der erneuerbaren und dezentralen Energieproduktion laufen bundesrechtlich geschützte Gebiete Gefahr, geopfert zu werden. Und unter dem Deckmantel der «Verfahrensbeschleunigung» komme das Instrument der Verbandsbeschwerde ins Visier. Der Vorstoss im Parlament zu dessen Aufhebung für sogenannte kleinere Projekte sei bereits eingereicht. Die Schwächung der «lästigen» Umweltschutzorganisationen freue sowohl die Verfechter der Energiepolitik 2050 wie auch die Gegner des Verbandsbeschwerderechtes.
Schutz durch Entschleunigung
Nach einer Kunstintervention des Duos Stützle & Mattenberger moderierte Sandra Boner von SRF Meteo die erste Podiumsdiskussion. Die Bühne gehörte jetzt der jungen (Klima-)Generation. Die Umweltnaturwissenschaftlerin Amanda Deplazes wünschte sich die Einsicht, dass es im Kern nicht darum gehe, die Landschaft per se zu schützen, sondern sich selbst. Eine Gesellschaft in gemächlicheren Bahnen, verschlinge weniger Energie. Folglich genügten schmalere Strassen, kleinere Flugplätze, weniger Staumauern und Bergbahnen. Aus sozialer Sicht sei es die überdrehte Dynamik, die Druck auf die Landschaft erzeuge. Laut Sebastian Moos von Mountain Wilderness Schweiz brauche es mehr unkultivierte, sich selbst gestaltende Landschaft. Sie müsse nicht immer nützen, um einen Wert zu haben. Janina Studer von der extra Landschaftsarchitekten AG wollte auch mehr Wildnis und bemerkte, dass besonders bei Neubauten über Autoeinstellhallendecken herzlich wenig Bodenaufbau möglich sei, um eine abwechslungsreiche Landschaft zu gestalten.
Bauen nur in der Bauzone
An der zweiten Podiumsdiskussion kamen Schwergewichte der älteren Generation aus Politik und Wirtschaft zu Wort. Ursula Schneider-Schüttel, Nationalrätin und Präsidentin von Pro Natura, bemängelte die Bautätigkeit der Landwirtschaft ausserhalb der Bauzone. «Gehören Treibhäuser, Hühnerställe, aber auch touristische Bauten mitten in die Landschaft?», fragte Schneider-Schüttel rhetorisch und gab mit dem Hinweis auf die Landschaftsinitiative gleich selbst die Antwort. Martin Rufer, Direktor des Schweizer Bauernverbandes, gab ihr teils recht, verwies jedoch darauf, dass Ernährung auch eine Raumrelevanz habe und im Sinne des Tierschutzes Ställe gross sein sollten.
Die Co-Leiterin der Forschungsstelle Tourismus an der Uni Bern, Monika Bandi, rief zu mehr Mut auf, nicht rentable Hotels und Seilbahnen abzureissen, statt krampfhaft nach Umnutzungen zu suchen. Dem entgegnete Kurt Rohrbach, ehemaliger Konzernchef der BKW AG, pragmatisch, dass dies sehr schwierig durchzusetzen sei. Tourismus sei schliesslich ein Exportgut der Schweiz. Notabene gäbe es nebst den Landschaftsschützern auch Hotel- und Industriedenkmalschützer, die auch gute Menschen seien.
Mit einem Loblied auf die zurückkehrende Schwalbe setzte Köbi Gantenbein als ehemaliger Chefredaktor der Architekturzeitschrift «Hochparterre» ein Schlussbouquet. Im Gesang begleitet von einer Klarinette bedauerte er, dass es die Schweiz verpasst habe, ihre Landschaft soe wie ihren Wald zu schützen. |
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