Eine jahrhundertealte Natursteinmauer zieht sich über die Alpmatten des landschaftsprägenden Ifenstocks. Meist spektakulär am Grat entlang, trennt dieses Kunstwerk die ehemalige Uralp in die zwei Bregenzerwald-Alpen Ifersgunt und Halden. Sie wurde gebaut im Jahr 1816 und ist somit über 200 Jahre alt. Dieses fast 700 m lange Bauwerk schlängelt sich gut sichtbar an den höchsten Stellen der Bergwiesen entlang. Irgendwie drängt sich einem förmlich der Vergleich mit der Chinesischen Mauer auf – zwar im Kleinformat, aber ebenfalls sehr beeindruckend.
Mit vereinten Kräften
«Gebaut ist die Mauer aus Schrattenkalk und dem kantigeren Brisi-Sandstein, der sich hervorragend zum Mauerbau eignet», erläutert Stefan Kronberger, Projektkoordinator sowie Bauleiter und Ausbilder bei der Firma Christoph Schweizer aus Esslingen. Alte Unterlagen zeigen, dass auch die Ausmasse genau dokumentiert waren: Dreieinhalb Fuss Breite, vier Fuss Höhe, so waren die Dimensionen damals schriftlich fixiert worden. «Material war teurer als Arbeitskräfte und jeder abgesammelte Stein – aufgeschichtet als frei stehende Trockenmauer – bedeutete gleichzeitig mehr Weidefläche», ergänzt Kronberger, der auch ehrenamtlicher Leiter der Gruppe Natur & Umwelt im Deutschen Alpenverein (DAV) in der Sektion Schwaben ist. Er hat somit einen besonderen Bezug zu diesem Seitental des Kleinwalsertals. Fehlen Steine an der Mauer, so wird rasch eine «Steinkette» gebildet und die kantigen Brocken fliegen förmlich von Hand zu Hand den steilen Hang hinauf, um dort fachgerecht eingebaut zu werden. Manche Teile der Mauer wurden bis auf die Grundsteine abgetragen und neu aufgesetzt, um die Stabilität erneut herzustellen. Es erfüllte sichtbar alle Beteiligten mit Stolz, hier ihren Beitrag zur Erhaltung dieses landschaftlichen Kulturguts leisten zu dürfen.
«Wir haben in den letzten vier Tagen mit vereinten Kräften die gesamte Mauer saniert, damit dieses Bauwerk hoffentlich noch weitere 200 Jahre steht», freut sich Unternehmer und Mitinitiator Christoph Schweizer, Esslingen, für den dieser Einsatz ein Herzensprojekt ist. Deshalb hat er auch mit 16 Mann bzw. Frau rund zwei Drittel seiner Firmenmitarbeitenden am Berg dabei. Insgesamt beteiligen sich zwölf Ausbildungsbetriebe aus der Region Stuttgart, die alle im Verband Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau Baden-Württemberg organisiert sind, mit ihren Azubis und Ausbildnern an diesem aus-sergewöhnlichen Projekt.
Mehr als nur Arbeit am Steilhang
«Hier findet ein grosser Teambuilding-Prozess statt», freut sich Ina Schulz, Ausbildnerin bei der Firma Christoph Schweizer. «Es ist richtig klasse, dass man sich hier auch auf privater Ebene kennenlernt. Das kommt auch dem Betriebsklima sehr zugute.» Die alpenländische Atmosphäre im Kleinwalsertal unterstützt mit ihrer Ruhe und einem ständigen Rundumgipfelblick bei sonnigem Wetter den Prozess des Zusammenwachsens. «Hier helfen alle, unterstützen sich bei den schweren Brocken und wenn mehr Steine gebraucht werden, liegen ja genügend in der Landschaft. Die stehen binnen weniger Minuten dank Steinkette zur Verfügung – anders als auf unseren Baustellen, wo die Materiallieferungen durch Engpässe immer schwieriger zu terminieren sind», schildert Ausbildner Andreas Schwarz von der Firma Weber aus Weissach. Er hatte sofort nach der Ausschreibung des Projekts alle Azubis angemeldet.
Sportliche Leistung
Maxim Winter ist Lernender bei der Firma Albrecht Bühler in Nürtingen. Auch für ihn ist diese Baustelle eine nicht alltägliche Herausforderung. Zudem wird der Kaffee in der Pause vermisst. Doch das machten der Abstieg zur Alpe Ifersgunt und freie Getränke nach Wahl vor der Rückkehr zur Schwarzwasserhütte, wo alle untergebracht sind, dann wieder wett. «Das ist besser als Pflaster legen auf der Baustelle», erklärt Azubi Mehmet Karagözlü von der Firma Schlotz Garten- und Landschaftsbau aus Winnenden. «Wir arbeiten ja auch sonst häufig mitten in der Natur, aber dieser geniale Ausblick hier hat schon was.» «Allerdings sind die morgendlichen Höhenmeter zur Baustelle eine sportliche Herausforderung», beschreibt Azubi Marcel Angermaier von der Firma Daniel Schieler aus Vaihingen an der Enz den Arbeitsweg. |
Europaschutzgebiet Ifen
Martin Bösch ist Schutzgebietsbetreuer des Europaschutzgebiets Ifen (Naturvielfalt Vorarlberg) und ebenfalls aktiv mit vor Ort. «Diese Mauer gehört zu unserer Kulturlandschaft hier im Kleinwalsertal und der Erhalt dieses landschaftsprägenden Bauwerks ist auch für uns sehr wichtig», bekennt Bösch. Aufgrund der mörtellosen Bauweise ist diese Trockenmauer besonders für Reptilienarten als Habitat sehr wertvoll. Bösch und die Naturvielfalt Vorarlberg wissen den Einsatz der Stuttgarter Landschaftsgärtner sehr wohl zu schätzen und fördern deshalb die entstehenden Kosten mit rund 40 Prozent.
Der Landschaftsschutz Kleinwalsertal beteiligt sich an der Finanzierung dieses unbezahlbaren Einsatzes von über 40 Arbeitskräften ebenso wie der DAV mit der Sektion Schwaben. Der Verband Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau Baden-Württemberg trägt sowohl monetär als auch durch die Gesamtorganisation mit zum Gelingen dieses wegen der Pandemie über zwei Jahre verschobenen Projekts bei. P. Reidel
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