Manch leidenschaftlicher Gärtner wird die rasante Bautätigkeit mit gemischten Gefühlen verfolgen. Einerseits freut er sich über die Investitionen in die Baubranche, die sein wirtschaftliches Überleben sichern. Andererseits bedauert er den Bauboom, da er als Gärtner die Natur doch bestmöglich erhalten möchte.
Von der Zersiedelung zur Verdichtung
Wie kein anderer Faktor hat die Siedlungsentwicklung in den letzten 50 Jahren die Landschaft verändert. Ländliche Dörfer verstädtern. Städte und Agglomerationen dehnen sich immer mehr aus. Mit der Zersiedelung verliert die Landschaft ihre Natur- und Kulturwerte – und der Mensch seine Wurzeln.
Jahrzehntelang haben Siedlungsplaner, Architekten und Politiker die Zersiedelung unterstützt. Den ungebremsten Landverbrauch können wir uns jedoch nicht mehr leisten, meint auch Vittorio Magnano Lampugnani, Architekt und Professor für Geschichte des Städtebaus an der ETH Zürich. Gleichzeitig gilt es, nicht in eine Verdichtungseuphorie zu verfallen, wie er im Interview mit der Zeitschrift «wohnen» (05/2012) meint.
Tatsächlich scheint das Pendel heute in die andere Richtung auszuschlagen. Der Begriff «verdichtet bauen» ist in aller Munde. Mit dem Raumkonzept Schweiz (www.raumkonzept-schweiz.ch) und der Revision des Raumplanungsgesetzes (RPG) erhalten die Protagonisten dieser Siedlungspolitik Schützenhilfe auf Bundesebene. Grundgedanke ist, das Wachstum der Siedlungen nach innen zu richten, um natürliche Ressourcen zu schützen.
«Verdichtet bauen» – ein Allheilmittel?
Revisionen kantonaler Baugesetze und Bauverordnungen auf Gemeindestufe bilden die Grundlage für das verdichtete Bauen. Die Vorteile liegen auf der Hand: Der Bodenverbrauch nimmt ab und damit der Druck auf noch intakte Landschaften. Doch auch die negativen Folgen dürfen nicht ausgeblendet werden. Ihnen wird in der heutigen Diskussion zu wenig Beachtung geschenkt. «Verdichtet bauen» bedeutet auch Verlust oder Verkleinerung grüner Freiräume im Siedlungsgebiet. Diese Entwicklung gilt es als Gartenbauer mit Argusaugen zu verfolgen. Sie wird unser Berufsbild und unsere Unternehmensstrategie von morgen bestimmen.
Grünflächenverlust im Siedlungsraum
Kleinere, alte Häuser mit grossen Gärten weichen grossen Häusern mit kleinen Gärten. Die hohen Baulandpreise rechtfertigen eine Investition nur dann, wenn die Parzelle voll ausgenutzt werden kann. Der Verlust grosser Villengärten, auf denen Wohnüberbauungen entstehen, gehört wohl zu den schmerzhaftesten Veränderungen grüner Siedlungs(t)räume.
Viele Blocküberbauungen der 60er- und 70er-Jahre zeichnen sich durch grosszügige Grünflächen – oft mit mächtigen, alten Bäumen – aus. Auch sie wurden für die Verdichtung entdeckt. Solche Parzellen erfahren nicht selten eine signifikante Vergrösserung der bestehenden Wohnfläche. Ersatz für die verlorenen Grünflächen gibt es kaum. Das gleiche Phänomen lässt sich auch bei Sanierungen von Garagendecken beobachten.
Bei neu bebauten Grundstücken wird meist so dicht gebaut, dass für mehr als minimal vorgesehene Sitzplätze, kleine Rasenflächen und Zugangswege kaum noch Platz vorhanden ist.
Das Resultat ist bei allen Beispielen dasselbe. Grüne Siedlungsfreiräume verkleinern sich massiv. Auf diesen gedeiht eine «verminiaturisierte» Ersatzpflanzung – mehr ist oft nicht erwünscht. Was bedeutet dieser Wandel für den Gartenbau?
Der GaLaBauer von morgen
Es wäre wohl vermessen, zu glauben, dass sich im Zuge des Wandels in der Siedlungspolitik das Bild des Gärtners nicht verändern wird. Vor allem in den von Think Thanks konzipierten Ballungszentren bahnt sich für die Gartenbaubetriebe ein Wandel an. So könnte ein Szenario in zehn oder zwanzig Jahren aussehen.
Sich die Landschaft in den Garten zu holen, ist nicht opportun. Der Platz fehlt. Es ist eng. Die Wohnhäuser stehen dicht beieinander. Die Grenzen zwischen aussen und innen vermischen sich. Der Garten ist Teil des Wohnraums und soll nur noch ausgestattet werden – extensiv und pflegeleicht; wenn intensiv, höchstens mit Trögen und kleinkronigen Bäumen. Die modernen grünen Freiräume entstehen auf Dächern, Terrassen, in engen Innen- und Hinterhöfen, hinter Mauern oder auf schlecht belastbaren Garagendecken.
Für die Gartengestaltung braucht es keinen «Gartenbauer», sondern einen «Gartenmöblierer». In seinem Werkhof stehen kleine, wendige, leistungsfähige Maschinen. Mobile Kräne und Teleskoplader kommen oft zum Einsatz, um das Material von der Strasse in den Garten zu transportieren. Kräftige, ausdauernde junge Männer sind gefragt, denn Handarbeit ist bei den sehr engen Raumverhältnissen wichtiger als je zuvor.
Der Wettbewerbsdruck ist enorm und nimmt weiter zu. Die Gärten sind klein, kaum bepflanzt und pflegeleicht gestaltet, sodass die Aufgaben ebenso von Gartencentern, Hauswartungsfirmen oder vom Flachdächler und Tiefbauer übernommen werden können. Psychologie, Marketing, Rhetorik, Rechtswissen und Organisationskompetenzen sind wichtiger als profunde Fachkenntnisse. Der Gang zum Gärtner drängt sich nicht mehr auf – oder? GaLaBauer, die es verstehen, individuelle und intelligente Lösungen zu finden, werden sich am Markt behaupten können.
Wohin gehst du – Gärtner?*
Wohin des Weges gehen Sie denn, liebe Leserin, lieber Leser? Wie reagieren Sie auf diese Entwicklung? Wo sehen Sie Ihre Chancen? Senden Sie einen Kurzbeschrieb ihrer Vision vom Gärtnerberuf der Zukunft an redaktion@dergartenbau.ch.
Eine Auswahl an Antworten werden in der Rubrik Mosaik (Leserbriefe) publiziert. Othmar Gut
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