Die alte Produktionsanlage stammteaus den frühen 1970er-Jahren und liess sich nicht mehr wirtschaftlich betreiben. Sie bestand aus einer rund 1000 m2 grossen Kastenanlage – Schreck für jeden Gärtnerrücken – und neun renovationsbedürftigen Breitschiff-Gewächshäusern. Ein Niveauunterschied von etwa 1,4 m trennte die beiden Bereiche. Die Häuser waren in wenig energieeffizienten Dreiergruppen mit Freifläche dazwischen angeordnet. Abklärungen ergaben, dass ein Neubau kostenmässig fast gleich teuer wäre wie die Sanierung samt Teilneubau. Als Vorteile könnten aber die Betriebsabläufe verbessert, der Energiebedarf halbiert und die Wirtschaftlichkeit gesteigert werden. Auch böte sich die erwünschte Möglichkeit einer flexiblen Zusatznutzung.
Eingebettet in eine schutzwürdige Umgebung
Für rund 6 Mio. Franken wurde ab Juni 2013 auf dem Gelände der Stadtgärtnereiclass="s1">Bern der kompakte und damit energieeffiziente Gewächshausneubau von der Gysi + Berglas AG erstellt. Es handelt sich um eine ebenerdige Venloanlage, die im Februar dieses Jahres wie geplant zum Start der Hauptproduktionszeit bezogen werden konnte. Mit ihrer im Vergleichclass="s2">zu heutigen Produktionshäusern bescheidenen Firsthöhe von 4,5 m fügt sich die 3800 m2 grosse Glasfläche unaufdringlichclass="s4">in die geschützte Elfenau-Parkanlage ein.Wohl hätte Stadtgrün Bern gerne etwas höher gebaut und wäre auch eine Folieneindeckung infrage gekommen, doch musste – aus Rücksicht auf das gartenhistorisch wertvolle Umfeld – die vormalige Gebäudehöhe eingehalten und ein Glasbau erstellt werden.
Energetisch auf dem neuesten Stand
Von der neuen, 13-schiffigen Produktionsanlage werden vier Schiffe als Warmhäuser und neun als Kalthäuser betrieben. Die doppelverglasten (Isolierglas) Steh- und Giebelwände haben einen hervorragenden Wärmedämmwert (U-Wert) von 1 W/m2. Alle Dachflächen sind mit Einfachverglasung ausgeführt, wobei im Warmhausbereich ergänzend eine doppelte Energieschirmanlage aus schwer entflammbarem Gewebe und in den Kalthäusern eine einfache kombinierte Energie-Schattier-Anlage eingebaut ist.
Die Wärmeversorgung erfolgt per Fernleitung ab bestehender Heizzentrale. In den Gewächshäusern wurden eine Ober- und eine Unterheizung (Warmhaus-Bodenheizung) eingebaut sowie Luftheizapparate installiert. Letztere optimieren die Wärmeverteilung und haben darüber hinaus den Vorteil, dass oben weniger Rohre notwendig sind und daher mehr Licht zu den Pflanzen gelangt. Sowohl das Klima in den sieben Klimazonen als auch die Bewässerung können vollautomatisch durch eine Siemens-Klimacomputer mit eingerichteter Fernwartung gesteuert werden. Dank visualisierter Darstellung ist dessen Bedienung für die Mitarbeitenden einfach und intuitiv.
Das 1190 m2 grosse Warmhaus hat eine venlotypische wechselseitige Firstlüftung und – um den Luftdurchzug im Sommer zu begünstigen – zwei zusätzliche Seitenlüftungen. Es lässt sich durch eine Rollwand in zwei gleich grosse Klimazonen (18 °C bzw. 12 bis 14 °C) unterteilen. Der 2670 m2 grosse Kalthausbereich ist in fünf verschieden grosse Klimazonen gegliedert. Dank Cabrio-System kann hier dieDachfläche komplett geöffnet werden.Mit dem Ökonomiegebäude sind die Gewächshäuser über eine neue Faltschiebewand aus Glas verbunden. Diese Wand kann grossflächig geöffnet werden, sodass sich die Häuser z. B. auch mit dem Stapler befahren lassen.
Rollmobilcontainer-Anlage ermöglicht optimale Arbeitsabläufe
Mobilcontainer sind eine Möglichkeit, die Effizienz in der Produktion zu steigern. Üblicherweise kommt ein solchesSystem in der automatisierten Variante ab etwa 10 000 m2 Fläche infrage. Die neue Mobilcontainer-Anlage der Stadtgärtnerei Bern ist daher schon etwas Spezielles.
Insgesamt sind im Betrieb 336 Roll-mobilcontainer vorhanden, die sich über Führungsschienen und eine Transportbahn (mit pneumatischem Hubelement) in der ganzen Produktion durchgehend verschieben lassen – manuell, nicht vollautomatisch. Das ist eine auf die betriebsspezifischen Bedürfnisse zugeschnitteneclass="s4">Lösung. Die Gärtnerei produziert nämlichclass="s4">rund 250 Kulturen in oft kleineren Sätzen. Vorteil der Rollmobilcontainer ist, dass sie flexibel verschoben werden können und den Mitarbeitenden den allseitigen Zugang zu den Pflanzen ermöglichen.
Automatisierte Bewässerungsanlage mit 80 Ebbe-Flut-Zonen
Das Regenwasser der Dachflächen wird gesammelt. Unter der neuen Anlage wurden ein Retentionsbecken und drei Rücklaufbecken von insgesamt 600 m3 Fassungsvermögen gebaut. Für den Fall von ausserordentlich hohen Niederschlagsmengen wird das Becken aber nur zu zweiclass="s3">Dritteln befüllt. Zudem ist als Wassernotüberlauf eine Pumpe installiert. Darüber hinaus kann bei einem Jahrhundertereignis das überschüssige Wasser auchclass="s2">durch zwei Schwanenhals-Überläufe austreten und versickern.
Die Bewässerung erfolgt über ein Ebbe-Flut-System mit Rücklauf des überschüssigen Wassers. Pro Haus sind sechs Bewässerungsgruppen (vier bis fünf Tische)class="s2">über Magnetventile ansteuerbar. Wo nicht ausreichend, wird von Hand ausgegossen. Gut erreichbar, in der Mitte des Betriebes, liegt die Bewässerungszentrale.Dort können am Touchscreen die Steuerbefehle eingegeben werden.
Zweitnutzung als Eventlocation
Von Juli bis Dezember, wenn die Produktion auf ein Minimum reduziert ist, wird im Warmhaus die Mobilcontainer-Anlage demontiert und gestapelt eingelagert. Gleiches geschieht mit den Bewässerungsleitungen. Die Räumlichkeiten werden für öffentliche und private Veranstaltungen mit bis zu 400 Personen genutzt, zudem für Ausbildungsanlässe und Lehrabschlussprüfungen. Wird ein Gewächshaus zur Eventlokalität, sind verschiedene Auflagen der Gebäudeversicherung zu erfüllen. Dazu gehören signalisierte Fluchtwege, Notausgänge, Feuerlöschposten, Brandschutzschilder, Sicherheitsglas undclass="s3">die Vorschrift, bei einer Veranstaltung den Tagesschirm auszufahren.
Produktion für den öffentlichen Bereich
Die Gärtnerei in der Elfenau kultiviert hauptsächlich Saisonflor. Mit diesen Pflanzen – jährlich bis zu 300 000 Stück – werden dieParkanlagen, Friedhöfe und grossen Blumenschalen der Stadt Bern geschmückt. Daneben erfolgt der Anbau von historischen Pflanzensorten (v. a. Einjährige) für die ProSpecie-Rara-Schaugärten sowie von Schnittblumen und Topfpflanzen für die Blumenläden auf den Friedhöfen.
Im Betrieb arbeiten – inklusive Gärtnereileiter Lukas Zurbuchen – vier gelernte Fachkräfte, drei Lernende, eine Praktikantin und in der Saison zusätzlich eine Aushilfskraft. Im Sommer pflegt das Produktionsteam auch den ProSpecie-Rara-Schaugarten in der Elfenau und die städtischen Blumenschalen.crs
Planung der neuen Anlage
Architektur: Furrer und Partner AG, Bern
Bauphysik: Grollimund und Partner AG, Bern
Landschaftsarchitektur: David Bosshard Landschaftsarchitekten AG, Bern; Hager Partner AG, Zürich
Ausführung
Gysi + Berglas AG, Baar
Kommentare und Antworten