Nur ein kleiner Teil der in der Schweiz jährlich anfallenden Kunststoffabfälle wird wiederverwertet. Der Löwenanteil der rund 750 000 Tonnen Kunststoffabfällen landet in der Kehrichtverbrennung (KVA). Die Schweiz ist in Sachen stofflicher Wiederverwertung von Kunststoffen im Vergleich zu Ländern wie Deutschland, Schweden oder Österreich ein Entwicklungsland. Dies, obwohl die Verbrennung von Kunststoff ökologisch und ökonomisch schlechter abschneidet als das Kunststoff-Recycling. Der Energienutzungsgrad in Schweizer KVA liegt nur bei durchschnittlich 41 %. Die Firma InnoRecycling in Eschlikon, die pro Jahr 45 000 Tonnen Kunststoffe sammelt und ein Drittel davon zu Regranulat verarbeitet, fragt denn auch in ihrem Flyer für die Grüne Branche: «Wie grün ist die Schweiz wirklich?»
Wiederverwertung als Blumentöpfe
Der vor zwölf Jahren gegründete Recyclingbetrieb hat freie Kapazitäten und geht mit der Werbekampagne vor allem das Gewerbe an. Auch an der öga 2012 war das Unternehmen in der Sonderschau zum betrieblichen Recycling vertreten. «In der Grünen Branche fallen grosse Mengen an Kunststoffabfällen an. Diese können zu 100 % recycelt werden», macht Geschäftsführer Markus Tonner deutlich. Die Liste der Gebrauchsgüter und Verpackungen aus Kunststoff ist lang: Trays, Aussaatschalen, Töpfe, Kisten, Säcke, Verpackungen wie Big Bags, Abdeck- und Wickelfolien, um nur die wichtigsten zu nennen. Beim Rundgang durch den Betrieb weiss Tonner zu jedem Kunststoff etwas zu erzählen. Es gibt allein 120 Kunststoffqualitäten. «Uns interessiert jeder Kunststoff.» Gemischte Qualitäten, z. B. Töpfe und Trays durcheinander angeliefert, werden an Recyclingbetriebe in die Niederlande verkauft. Aus dem Regranulat entstehen vielfach wieder Blumentöpfe. Ein Drittel des von InnoRecycling verarbeiteten Kunststoffs wird jedoch im Partnerbetrieb InnoPlastic an Ort regranuliert.
Der finanzielle Anreiz sollte für die Betriebe im Vordergrund stehen. Der Recyclingfachmann ist sich bewusst: «Die Kunststoffsammlung muss massiv billiger sein als die Gebühren für die Entsorgung in der KVA.» Die Entsorgungskosten pro Tonne Kehricht belaufen sich je nach Region auf 160 bis 180 Franken. Wird der Kunststoffabfall über einen Entsorgungs- und Muldenbetriebe eingesammelt, mit denen der Recyclingbetrieb zusammenarbeitet, reduziert sich diese Gebühr erheblich. Vor allem in der Ostschweiz besteht ein gutes Sammelnetz. Im Zeitraum von zwei Jahren soll zudem eine zweite Sortieranlage in der Region Bern in Betrieb genommen werden.
Blumenbörse als Sammelstellen
Für Blumenbörsen hat Tonner eine Geschäfts- und Serviceidee parat. Sie könnten in das regionale Sammelkonzept einbezogen werden, indem sie für ihre Kundschaft eine Kunststoffsammelanlage als Service einrichten. Der so gesammelte Kunststoff lässt sich an die Recyclingbetriebe absetzen. Als platzsparende Lösung empfehlen sich Presscontainer.
Verbrannt wird nur, was nicht wiederverwertbar ist
Über das Fernwärmenetz der KVA wird die im Kunststoff enthaltene Energie zumindest teilweise genutzt. Ökologisch-ökonomisch betrachtet schneidet diese Variante jedoch schlechter ab. Die im Auftrag des Bafu erarbeitete Ökoeffizienzstudie zum Recycling von PE-Folien aus Industrie, Gewerbe und Landwirtschaft attestiert dem werkstofflichen Recycling die höchste Ökoeffizienz: «Dies bedeutet, dass mit dem werkstofflichen Recycling sowohl aus ökonomischer wie auch aus ökologischer Sicht der höchste Nutzen erzielt werden kann.» Tonner bringt den Grundsatz des Stoffkreislaufes in Erinnerung: «Verbrannt wird nur, was nicht wiederverwertbar ist». Nur 2 % der Kunststoffabfälle gehören in den Kehricht. Die Beseitigung in KVA sollte demnach passé sein.
«Hinsichtlich CO2-Ausstoss schneiden KVA in einer Ökobilanz nicht besser ab als Braunkohlekraftwerke in Deutschland», so Tonner. Laut Angaben des Bafu verursachen die KVA 5 % des gesamten CO2-Ausstosses der Schweiz. Im Vergleich zu anderen Ländern sei die Zahl von insgesamt 30 KVA in der Schweiz hoch, weiss Tonner und gibt zu bedenken: «Der Anschluss an das KVA-Fernwärmenetz ist an Langzeitverträge gebunden. Vielen ist nicht bewusst, dass damit Technologiefortschritte verhindert werden.»
Würde die Schweiz nicht nur 90 000 Tonnen, sondern die gesamte Menge der jährlich 750 000 Tonnen an Kunststoff-abfällen verwerten, vermiede man weit über 1,5 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr. Zusätzlich benötigt auch die Produktion von Kunststoffprodukten aus Recycling-Kunststoff (Regranulat) 50 % weniger Energie. Eine Tonne Recycling-Kunststoff spart bis zu drei Tonnen CO2. Diese Zahlen sprechen für sich. Je nachdem, ob die CO2 -Besteuerung für KVA eingeführt wird oder nicht, wird sich das Blatt auf die eine oder andere Seite wenden.
Quellen
Bericht des Bafu über den ökologischen Nutzen des PE-Folien-Recyclings Schweiz (Landwirtschaft, Industrie und Gewerbe)
Das Projekt Kunststoff-Verwertung CH beantwortet die Frage, ob weitere Kunststofffraktionen aus ökologischen und ökonomischen Gründen einer stofflichen oder thermischen Verwertung zugeführt werden sollen und wenn ja, wie dies umsetzbar ist.
Kontakt
InnoRecycling, Margit Rauber, Tel. direkt 033 335 30 10, margit.rauber@bluewin.ch
Rund 10 % werden werkstofflich wiederverwertet
Pro Jahr werden rund 1 Million Tonnen Kunststoffe neu in Umlauf gebracht. Davon werden rund 10 % recycliert (90 000 Tonnen), etwa 50 000 Tonnen werden in der Zementindustrie als Ersatzbrennstoff eingesetzt. In der Schweiz kommen für die anfallenden Kunststoffabfälle die folgenden drei Verwertungstechnologien zum Einsatz:
- Werkstoffliche Recyclingverfahren
- Energetische Verwertung als Ersatzbrennstoff in Zementwerken
- Kehrichtverbrennungsanlagen (KVA)
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