Wir sind im Kleinbasler Erlenmattquartier. Nach jahrelanger Planung, politischen Diskussionen, Abstimmungen und Architekturwettbewerben wird dieses seit 2007 nach den Prinzipien einer nachhaltigen Stadtentwicklung konzipiert und zu einem Wohnquartier umgestaltet. Inzwischen wohnen über 1000 Menschen aus aller Welt auf dem 19 Hektaren grossen Areal. Rund 1700 Wohnungen stehen verschiedenen Ansprüchen und Budgets zur Verfügung. Einkaufsmöglichkeiten, Gastronomie, Büro- und Gewerbeflächen, ein Primarschulhaus und ein Kindergarten ergänzen das Angebot. Mittelpunkt der Siedlung ist der 5,7 Hektaren grosse Erlenmattpark, der als erster Grünbereich gestaltet wurde.
Ein Canyon im Park
Mit der kürzlich erfolgten Eröffnung des 6900 Quadratmeter grossen Max Kämpf-Platzes ging für die Bevölkerung der Erlenmatt der Wunsch nach einer weiteren Grün- und Freifläche in Erfüllung. Allerdings finden sich weder Rutsche noch Sandkasten auf dem Platz, dafür andere Aufenthaltsqualitäten – zum Beispiel vier unterschiedlich gestaltete Bereiche, jeder mit einem Bezug zu den vier Himmelsrichtungen: Im Süden wurde eine Esplanade mit einem Terrazzo-Belag gestaltet, im Westen ein speziell modelliertes Rasenkissen. Im Osten wächst eine Blumenwiese und im Norden steht eine grosszügig gestaltete Hügellandschaft mit Wasserspielen zur Verfügung.
Jeder Bereich ist anders nutzbar. Der Hartbelag der Esplanade eignet sich für Quartiermärkte und -feste. Das Rasenkissen bietet eine spannende Spielfläche. Seine Erhebungen laden zudem ein, sich einfach ins Gras zu legen. Die Blumenwiese soll die Natur in der Stadt zeigen und Jahreszeiten erlebbar machen. Das Becken, das eine Wassertiefe von 20 Zentimetern aufweist, wird in der kälteren Jahreszeit als Pumptrack genutzt.
Besonders augenfällig ist das Becken jedoch seiner modellierten Hügellandschaft wegen. In wärmeren Jahreszeiten sprudelt dort Wasser aus zwei Fontänen, ein Rinnsal sucht sich den Weg durch Kuppen und breite Täler hindurch und füllt das Becken mit Wasser. Die Felsformation «en miniature» soll an Canyons erinnern, wie sie im Wüstengebiet «Painted Desert» im US-Bundesstaat Arizona vorkommen, schreibt die Stadtgärtnerei Basel in ihrer Informationsbroschüre. Die «Painted Desert» liegt aber nicht nur in Arizona, sondern teilweise auch im Navajo Nation Reservat, dem grössten Indianerreservat in den Vereinigten Staaten.
Namensgeber inspiriert
Ausser der flirrenden Hitze, die an diesem Sommermorgen über dem Park liegt – worin besteht die Verbindung zwischen «Painted Desert», Navajo-Nation und Max Kämpf-Platz? Die Antwort findet sich im Maler, Zeichner und Menschen Max Kämpf (1912 – 1982). «Max Kämpf ist Namensgeber des neuen Parks und Inspirator für die Gestaltung», erklärt Gaetano Castiello, Projektleiter, Städtebau & Architektur im Planungsamt, Bau- und Verkehrsdepartement des Kantons Basel-Stadt. «Mich interessierte der Mensch Max Kämpf», so Castiello. Der Projektleiter hat sich deshalb intensiv mit der Biografie Kämpfs auseinandergesetzt. «Der Platz soll nicht nur nach ihm benannt sein, sondern auch etwas von seiner Persönlichkeit wiedergeben».
Kämpf, geboren als Sohn eines Bäckermeisters, begann 1972 eine Lehre als Flachmaler und besuchte später die Basler Kunstgewerbeschule. Seine Themen waren sozialkritisch. Wie ein roter Faden zieht sich die Beschäftigung mit Bedürftigen und Randständigen durch seine Werke – Erinnerungen an seine ärmliche Jugend.
In den 70er-Jahren reiste er zum ersten Mal in den Westen und Südwesten der USA. Die Begegnung mit den Navajo-Indianern prägten ab dann sein Wesen und sein künstlerisches Werk. Bei seiner dritten Reise 1980 beschränkte er seinen Aufenthalt auf Mexican Hat im Staat Utah. Der Ort grenzt an das Monument Valley und die Navajo Reservation. Dort suchte er wieder den Kontakt mit den Indianern und beobachtete und zeichnete diese während sechs Monaten. Die Heimat der Aussenseiter übte eine besondere Faszination auf ihn aus.
Sandbilder – archaische Rituale
Ortswechsel. Max Kämpf-Platz, Basel. Die Sonne brennt noch immer auf den Platz, die Menschen zieht es in den Schatten der umgebenden Wohnblöcke. Fast kommt Wüstenstimmung auf. Castiello jedenfalls liess sich für die Platzgestaltung von dieser Stimmung, die Kämpf in seinen Werken vermittelte, ebenso wie von der Navajo-Kultur inspirieren – beispielsweise für die Platzunterteilung in zwei Achsen und vier Bereiche. «Die Gestaltung geht auf das Zeichnen von Sandbildern zurück», erklärt er. Es sei ein Ritual der Navajo, das die Harmonie zwischen Mensch und Natur widerspiegle.
Um Menschen zu heilen, zeichnen Medizinmänner im Trancezustand den Kosmos als Kreis mit zwei sich schneidenden Achsen in den Sand und beginnen, die vier Welten im Sandbild weiterzumalen. Der zu heilende Mensch setzt sich danach in das Sandbild und verharrt darin, um die heilende Energie aufzunehmen. So kam auch die Kleeblattform mit vier Bereichen zustande. Für die Navajo bedeutet die Zahl vier positive Magie, Symbolik und Heiligkeit. Sie glauben an vier aufeinanderfolgende Welten. Vier ist auch die Zahl der Haupt-Himmelsrichtungen Ost, West, Nord und Süd. Die Navajo Kultur beinhaltet viele Aspekte. «Bis zur endgültigen Version mussten wir zuerst eine Auslegeordnung machen», sagt Castiello.
Und noch etwas hat den Projektleiter beeindruckt. Sand sei wie eine Leinwand, auf die, im übertragenen Sinn, gezeichnet werde, sagt er. «Es entsteht ein Abdruck im Sand.» Er verweist auf indianische Fährtensucher, die anhand von Spuren im Sand einen Ort lesen und verstehen können. «Der Ort erhält durch den Abdruck, den jemand hinterlassen hat, eine Aussage und eine Prägung.» Genauso wurde mit dem Max Kämpf-Platz verfahren. «Die innere Form des Platzes ist wie ein Abdruck, der in den Sand gedrückt wurde», erklärt er.
Kalk – die Farbe von Sand
Kämpf hat nicht nur Indianer, sondern auch Sandstürme gemalt. «Seine Bilder haben eine klare Linie und eine Tonalität, die sich über das ganze Bild erstreckt», zeigt sich der Planer beeindruckt. Deshalb entschied er sich für den sandsteinfarbigen Kalkstein als prägendes Material für den Platz. Der aus dem Laufental stammende Kalkstein findet sich in der niedrigen Natursteinmauer, die den Platz zu beiden Strassen hin einfasst. Auch der Terrazzo-Belag der Esplanade enthält Kalksplit. Die Promenade ist aus Kalksteinbeton gefertigt, die durchlässigen Kiesflächen, die Chaussierung, sind mit Jura-Kalk und Vogesen-Porphyrbrechsand versetzt. «Kalk enthält einen farbigen Grundton, der an Sand erinnert und so den Park stimmig zusammenbindet», sagt Castiello.
Stimmig wird es auch dann, wenn das Baumdach aus 71 Bäumen und sechs Baumarten – Tubelobäume (Nyssa), Bergkirschen (Prunus sargentii), Kolchische Ahorne (Acer cappadocicum), Feldahorne (Acer campestre), Steineichen (Quercus ilex)und Hopfenbuchen (Ostrya carpinifolia) – zusammengewachsen ist. Gezielt ausgewählte Baumabstände und verschiedene Kronenformen spielen mit Dichte, Offenheit, Licht und Schatten. Besonnte Flächen wechseln sich ab mit schattigen Partien. «Der Maler und Zeichner Max Kämpf war äusserst vielseitig, der Platz erfüllt ebenfalls verschiedene Ansprüche und Bedürfnisse der unterschiedlichen Bewohner des Erlenmattquartiers und Kleinbasels», fasst Castiello zusammen.
Kosten
Der Bau des Platzes – inklusive Landerwerb für 1 Million – kostete 6,2 Millionen Franken und wird aus dem Mehrwertabgabefond finanziert. Die budgetierten Gesamtkosten wurden eingehalten, der Patz wurde termingerecht für die Quartierbevölkerung eröffnet. |
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