Nutzfahrzeuge mit Elektromotoren sind eigentlich ein alter Hut: Auf Flughäfen haben sich Schlepper mit Batterieantrieb bewährt, weil diese dank hohem Drehmoment schon bei niedriger Drehzahl viel Kraft entfalten. Auf Industriearealen, wo sie in Hallen eingesetzt werden, sind Elektrofahrzeuge die erste Wahl, weil sie abgasfrei fahren. In Städten und Gemeinden sind sie seit Jahrzehnten im Einsatz, etwa auf Friedhöfen, wo es wichtig ist, dass sich die Gärtner möglichst leise durch die Anlage bewegen.
Energiestädte wollen Akkus
In den letzten Jahrzehnten hat die Technik grosse Fortschritte gemacht. So wurden die Schützensteuerungen durch Transistorsteuerungen abgelöst, die präzisere Manöver möglich machen, zudem können moderne Antriebe beim Bremsen Energie zurückgewinnen und so die Laufzeit verlängern. Dennoch sind in den Werkhöfen akkubetriebene Nutzfahrzeuge gegenüber Transportern mit Verbrennungsmotor in der Unterzahl. Meist sind es Tourismusorte und grössere Städte wie Luzern, Zürich oder Basel, die in den Innenstädten die leiseren elektrischen Gefährte verwenden. Dagegen setzen kleinere Gemeinden, die vielseitig einsetzbare, zuverlässige Transporter benötigen, nach wie vor auf die bewährten Verbrennungsmotoren.
Das ist auch in Rüschlikon ZH so. Seit die Gemeinde Ende 2011 dem Trägerverein Energiestadt beigetreten ist, werden bei der Beschaffung Umweltaspekte stärker gewichtet als bisher. «Unser Ziel ist es, ökologisch nachhaltig zu beschaffen und den CO2-Ausstoss unserer Flotte zu verringern», sagt Roger Kurmann, Leiter der Abteilung Tiefbau und Werke. «Aus diesem Grund prüfen wir bei Neuanschaffungen auch Elektrogeräte und -fahrzeuge.» Derzeit ist seine Abteilung daran, ein neues Transportfahrzeug zu evaluieren. Bisher war ein Piaggo Porter im Einsatz. Bei seinem Nachfolger wird nun erstmals auch ein alternativer Antrieb – Strom oder Gas – in Betracht gezogen. Benötigt wird das Fahrzeug vor allem für Abfalltouren durchs Dorf. In der kalten Jahreszeit dient es zudem als Personen- und Materialtransporter für den Winterdienst.
Flexibilität ist gefordert
Mit dem Modell G3 des französischen Herstellers Goupil und dem in Italien produzierten Esagono Golia hat Rüschlikon schliesslich zwei Fahrzeuge in die engere Wahl genommen, die den Anforderungen bezüglich Zuladung und Grösse genügen, und sie auf ihre Alltagstauglichkeit im Werkhofeinsatz getestet. Ein Fahrzeug des Herstellers Club Car soll später geprüft werden.
Bezüglich der Verarbeitung ist Kurmann mit den beiden bisher getesteten Produkten zufrieden: «Man sieht, dass die Qualität im Detail stärker vorhanden ist als bei grossen Serienproduktionen.» Doch wie sieht es mit der Leistungsfähigkeit aus? Rüschlikon liegt am Hang, entsprechend muss ein Kommunalfahrzeug in der Lage sein, auch steile Anstiege zu meistern. Die Gretchenfrage für den Werkhof lautete daher, ob die Batterien einen Arbeitstag durchhalten würden.
Aufgrund der beschränkten Reichweite ist es unerlässlich, sich vor dem Kauf eines Elektrofahrzeugs über dessen Verwendung Gedanken zu machen. «Man muss sich klar darüber werden, wo und wie man es einsetzen will», betont Stephan Debrunner, Vertriebsleiter der Klingler Fahrzeugtechnik AG. Aus seiner Sicht gibt es im Kommunalbereich drei Einsatzszenarien, in denen sich ein Elektrofahrzeug besonders anbietet: Reinigungstouren, Grünpflege und die Verwendung als Springerfahrzeug, für kleine Transporte innerorts. Allerdings sei eine gewisse Flexibilität nötig. «Man muss auch bereit sein, das Sammelkonzept oder die Touren der maximalen Reichweite des Fahrzeugs anzupassen», meint Debrunner. Dies hat den positiven Effekt einer effizienten Routengestaltung.
In Luzern beispielsweise, wo schon seit Jahrzehnten Elektrofahrzeuge mit Presscontainern fürs Abfallsammeln eingesetzt werden, hat man die Touren so organisiert, dass die Maschinen nach einem halben Tag wieder betankt werden können. «Über Mittag werden die Fahrzeuge im Depot geladen», sagt Beat Bienz, Werkstattchef des Strasseninspektorats der Stadt Luzern.
Akkulaufzeit: grosse Skepsis auf dem Werkhof
Die beiden Probefahrzeuge in Rüschlikon haben ihren Leistungstest derweil mit Ach und Krach bestanden: «In der wärmeren Jahreszeit reicht die Kapazität knapp für einen Tag», sagt Kurmann. «Aber in der Grundausführung ist die Batterie für unsere Zwecke eher im unteren Bereich. Wir müssten jeweils die stärkere Variante kaufen.» Was den Einsatz im Winter angeht, ist man eher skeptisch: «Im Extremfall haben wir Einsätze, die von morgens um vier Uhr bis Mitternacht dauern», so Kurmann. «Da brauchen wir ein verlässliches Fahrzeug.» Selbst mit Schnellladungen über Mittag käme der Akku ans Limit, befürchtet Kurmann, zumal im Winter auch Licht und Heizung zusätzlichen Strom fressen.
Die Skepsis ist angesichts der Erfahrungen, die Luzern gemacht hat, berechtigt: «Wenn die Temperaturen bei –8 °C bis –10 °C liegen, gibt die Leistung um bis zu 20 % ab», sagt Bienz. Hinzu komme, dass man die Batterien bei Temperaturen unter null über Nacht nicht voll laden könne, und weil die Kälte den Elektronenfluss hemme. «Um das Problem zu lösen, mussten wir eines unserer Fahrzeuge an einen beheizten Standort verschieben», so Bienz. Aus ökologischen Gesichtspunkten ist dies nicht unbedingt ideal.
Einen anderen Ansatz zur Verlängerung der Akkulaufzeit bei kalten Temperaturen schlägt Stephan Debrunner vor: «Mit einem Batterieschnellwechselsystem sowie einer zusätzlichen Gas- oder Dieselheizung wird ein Elektrofahrzeug wintertauglich.» In Berggemeinden wie Saas Fee oder Zermatt würde sich dies seit Jahrzehnten bewähren.
Weniger Tempo
Auch bei den Höchstgeschwindigkeiten muss man bei Elektrofahrzeugen Abstriche machen. Der Goupil-Transporter kommt in der Ausführung, die in Rüschlikon getestet wurde, im Flachen mit maximal 25 km/h voran, geht es beladen bergan, sinkt das Tempo. «Das kommt bei den Werkhofmitarbeitern nicht gut an», sagt Kurmann. Sie hätten sich vor allem über den unnötigen Zeitverlust geärgert. Für Abfalltouren, bei denen bereits nach einigen Metern Fahrt wieder angehalten werden muss, lässt Kurmann diesen Einwand nicht gelten. Bei längeren Fahrten bergauf sei die Kritik aber durchaus berechtigt.
Das zweite Fahrzeug, das in Rüschlikon im Einsatz stand, bringt es immerhin auf 40 km/h. «Mehr braucht es eigentlich nicht», sagt Kurmann. Dass mit elektrischen Nutzfahrzeugen keine Rennen zu gewinnen sind, hat nicht nur Nachteile. Denn je nach Höchstgeschwindigkeit ist kein Führerausweis oder nur ein Ausweis der Kategorien G, F respektive M nötig. «Das hat den Vorteil, dass auch ein Lernender selbstständig Einsätze fahren kann», meint Kurmann.
Umgewöhnen müssen sich die Werkhofsangestellten beim Unterhalt, denn im Umgang mit Elektrofahrzeugen gelten andere Gesetze. So muss etwa ein offener Bleiakku nach dem Ladevorgang regelmässig mit destilliertem Wasser befüllt werden. «Die Batteriepflege ist kurz, muss aber wöchentlich gemacht werden», sagt Debrunner. Ansonsten kann sich die Lebensdauer der Akkus massiv verkürzen. «Wenn man eine gemischte Flotte mit Verbrennungsmotoren und Elektrofahrzeugen hat, braucht es das nötige Händchen dafür», meint Kurmann.
Teurer Preis, billiger Strom
Abschreckend auf potenzielle Käufer wirkt der hohe Anschaffungspreis von Elektrofahrzeugen. Sie kommen eine Gemeinde in der Regel deutlich teurer zu stehen als vergleichbare Benzin- oder Dieselmodelle. Dabei machen vor allem die Akkus den Preisunterschied aus. «Die Batterie kostet etwa so viel wie das Benzin für 15 000 km», schätzt Debrunner. Der höhere Kaufpreis relativiere sich jedoch, wenn man bedenke, dass die Fahrzeuge weniger wartungsintensiv seien und das Stromtanken praktisch gratis sei. Wenn man die Batterien gut pflege, seien die höheren Anschaffungskosten nach etwa sechs Jahren amortisiert, so Debrunner.
Allerdings haben nicht alle Akkutypen eine derart lange Lebensdauer: Bienz hat die Erfahrung gemacht, dass Blei-Gel-Akkus, wie sie in einigen Gefährten noch eingesetzt werden, in der Praxis nach drei bis vier Jahren ausgetauscht werden müssen. Und wenn man beim Importeur bestelle, sei dies mit beträchtlichen Kosten verbunden. «Auf dem freien Markt findet man einen Batteriesatz für die Hälfte des Geldes», sagt Bienz. Generell könne die Ersatzteilbeschaffung und Reparatur teuer werden, wenn man vom Importeur abhängig sei, zumal Elektrofahrzeuge seiner Erfahrung nach nicht weniger in die Werkstatt müssen als die anderen. Nicht in jedem Werkhof dürfte das nötige Know-how vorhanden sein, um Reparaturen selber zu machen. Auch dies muss bei einer Anschaffung bedacht werden.
Was ein Elektrofahrzeug im Einzelfall kostet, hängt in erster Linie von den Anforderungen ab, die man stellt: Golffahrzeuge, die als Kleintransporter sehr wohl auch ausserhalb der Greens eingesetzt werden können, werden in Serie hergestellt und sind inklusive Batterie und Ladegerät für weniger als Fr. 10 000.– erhältlich. Ab etwa Fr. 15 000.– gibt es die günstigsten Transporter. Je nach Leistungsfähigkeit, Verarbeitungsqualität und Komplexität der Aufbauten inklusive adäquater Batterieleistung kann der Preis bis deutlich über Fr. 100 000.– betragen.
Ob die Werkhofmitarbeiter in Rüschlikon schon bald mit einem Elektrofahrzeug auf Abfalltour gehen, ist noch nicht entschieden. Kurmann hat nach wie vor Zweifel. «Bräuchten wir das Fahrzeug nur für die Grünpflege oder die Abfalltouren, wäre die Entscheidung leichter.» Doch kann und will sich Rüschlikon nicht für jeden Zweck ein spezielles Fahrzeug leisten. Für Kurmann ist das Wichtigste, dass seine Mitarbeiter den neuen Transporter gerne benutzen. Seiner Meinung nach sind die Elektrofahrzeuge, die heute auf dem Markt sind, punkto Leistung noch nicht so weit, dass sie im harten Werkhofalltag bedenkenlos eingesetzt werden können.
Nachdruck
mit freundlicher Genehmigung von «Kommunalmagazin».
Vor- und Nachteile von elektrischen Nutzfahrzeugen
+ emissionsfreier Betrieb
+ CO2-Einsparung (sofern Strom aus erneuerbaren Quellen)
+ ideal für Einsätze mit vielen Stopps
+ leise
+ PW-Führerausweis unnötig
+ Drehmoment von Anfang an
- hohe Anschaffungskosten
- geringes Tempo
- eingeschränkte Reichweite und Verfügbarkeit
- lange Ladezeiten (Bleiakku)
- Einsatz erfordert Planung
- relativ hohes Fahrzeuggewicht (Akkus)M. Müller
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