Es gibt wohl kaum jemand in der Grünen Branche, der noch nie vom Carrara-Marmorstein – von dem weissen Gold von Carrara – gehört hat. In die Provinz Massa-Carrara führte denn auch unser erster Tagesausflug. Wir konnten einen Einblick in die Arbeit eines Bildhauers gewinnen und einen Marmorsteinbruch besichtigten. Carrara-Marmor ist unter vielen verschiedenen Handelsnamen und verschiedenen Qualitätsstufen erhältlich. Je nach Farbzeichnung wird er anders benannt. Die Berühmtheit des Marmors ist dem Bildhauer der Renaissance Michelangelo (1475–1564) zu verdanken. Er meisselte viele seiner noch heute erhaltenen Werke aus dem Stratuario-Marmor – eine der teuersten Qualitätsstufen mit einem durchschnittlichen Kubikmeterpreis von 2000 Euro. Diese Sorte ist schneeweiss und wurde für berühmte Statuen wie den David von Michelangelo verwendet. Der meist abgebaute Marmor, rund 80 %, ist leicht durchzogen mit einem bläulichen Stich. Diese Qualitätsstufe wird Ordinario genannt und zum Kubikmeterpreis von rund 200 Euro gehandelt. Aus diesem Marmor werden Gartenplatten, Küchenablagen und Grabsteine gefertigt.
Es werden auch ganze Blöcke zu feinem Pulver zermahlen, um daraus Calciumcarbonat zu gewinnen. Calciumcarbonat ist ein wichtiger Industriewerkstoff. Er wird für die Herstellung von Zahnpasta, Tierfutter, Kosmetikartikel sowie für Arzneimittel verwendet. Marmorstaub ist ein Milliardengeschäft.
Der Abbau des Marmors ist stetig steigend, mittlerweile sind in den Abbaugebieten über 1000 Arbeiter beschäftigt. Die Arbeitsstellen von über 50 % der 63 100 Einwohner von Carrara stehen im Zusammenhang mit dem Marmorabbau. Der Steinbruch gehört dem Staat, das Recht, einen Steinbruch zu führen, haben nur fünf italienische Familien. Ihnen wird diese Ehre von Generation zu Generation weitergegeben. Abbauvorgaben gibt es keine, im Grunde genommen dürften sie unbegrenzt Marmor abbauen.
Mit der Führung in den Uffizien bot sich uns ein Ausflug in die Blütezeit der Florenzer Kunst – in die Welt von da Vinci, Michelangelo, Raffael, Botticelli und all den anderen klangvollen Namen der Renaissance. Uns wurden viele Hintergründe vermittelt. So lernten wir, dass Künstler zu dieser Zeit die ersten Gartengestalter oder -architekten waren und somit den Weg für die heutige Gartenkultur ebneten.
Boboli-Garten: bedeutender Zeitzeuge der Renaissance
Wir besuchten den weltbekannten Boboli-Garten, der im 16. Jahrhundert erschaffen worden ist. Die über 4,5 Hektaren grosse Gartenanlage mit dem imposanten Amphitheater liegt hinter dem prachtvollen Pitti-Palast. Das Grundstück für den Garten wurde der Familie Boboli abgekauft. Die erste Bauphase war gerade von Niccolo Tribolo begonnen worden, als er 1550 starb. Bartolomeo Ammanati führte seine Arbeit fort und wurde von Giorgio Vasari bei der Planung unterstützt. Von Vasari wurden auch einige der Grotten gebaut, während die Skulpturen von Bernardo Buontalenti stammen.
Der gesamte Park ist von lang gezogenen Wegen, hohen Bäumen, Skulpturen und Brunnenanlagen geprägt. Mit seiner enormen Pflanzenvielfalt von über 3000 Pflanzenarten lockt der Garten jährlich auch viele Fachleute aus der Grünen Branche an. Für die Züchtung resistenter Pflanzen sind die zum Teil seit über tausend Jahren bestehenden Gehölze ein wichtiges Reservoir. Leider wurde der Garten in den letzten Jahren von zwei prägenden Ereignissen heimgesucht. Zum einen verwüstete Anfang 2015 ein starker Sturm einen grossen Teil des Boboli-Gartens. Zum anderen sind viele der uralten Zypressen von einem Pilz befallen, der sich nicht bekämpfen lässt. Wir haben den Park somit bestimmt nicht in seiner vollen Schönheit zu Gesicht bekommen.
Villa Castello
In den Hügeln von Florenz wurde im 14. Jahrhundert eine typische italienische Villa gebaut. Die einflussreiche Familie Medici aus Florenz erwarb dieses Gut, baute es um und züchtete leidenschaftlich Zitronenarten mit aussergewöhnlichem Zierwert. Die klare geometrische Struktur und die Terrassierung des Gartens entsprechen dem Baustil der Renaissance. Teile des Gartens gehören jedoch bereits dem Manierismus (Kunststil der späten Renaissance) an, z. B. die Tiergrotte, die Wasserspiele sowie verschiedene Figuren und Statuen. Dieser italienische Villengarten zählt zu den am besten erhaltenen in ganz Italien. Die Gestaltung stammt vom Florentiner Architekten Niccolo Tribolo.
Auf der ersten Terrasse befindet sich das grosse Wasserspiel mit Fontäne der beiden Bildhauer Tribolo und Pierino da Vinci, einem Neffen von Leonardo da Vinci. Die Brunnenstatue «Herkules und Antäus» wurde vom Bildhauer und Baumeister Bartolomeo Ammanati erschaffen. Auf der zweiten Terrasse befinden sich die Töpfe, mit den zur Schau gestellten Zitronenbäumen. Ab dem 15. April bis zum 15. Oktober werden jeweils die Zitrusbäume mit den schönsten Früchten in Tontöpfen im Garten verteilt und zur Schau gestellt. Noch heute wird diese Tradition von den Parkgärtnern weitergeführt.
Hier befindet sich auch der von Hand gefertigte Tontopf, der einen Durchmesser von zwei Metern hat und somit der weltweit grösste Topf seiner Art darstellt. Es war faszinierend, die verschiedenen Zitrusfrüchte zu sehen. Wegen ihrer einzigartigen Form am meisten beeindruckte uns Citrus medica ‘Digitata’, die auch als Buddahand bezeichnete gefingerte Zitronat-Zitrone.
Auf der dritten Terrasse befindet sich die manieristische «Grotta degli Animali». Dieser streng geometrisch angelegte, drei Hektaren grosse Gartenteil wird von einem waldartigen, vier Hektaren grossen Park mit verschiedenen Wasserbecken und Kieswegen umrandet. Als wir den Park erkundeten, fiel uns ein Dachs auf, der sich in eine missliche Situation gebracht hatte. Der arme Kerl war in ein grosses Wasserbecken gefallen und hatte keine Ausstiegsmöglichkeiten aus dem Wasser. Nach der Rettung konnten wir unsere Führung fortsetzen. Schliesslich nehmen wir nebst all den schönen Eindrücken des Villengartens mit, dass wir als angehende Gartenbautechniker bei jedem Wasserbecken eine Ausstiegsmöglichkeit einplanen sollten.
Vannucci Piante – eine Erfolgsgeschichte in der Toskana
Weltweit zu den bedeutendsten Produktionsstandorten im Baumschulwesen zählend, bildet die Provinz Pistoia einen wichtigen Pfeiler für die Wirtschaft der Region Toskana. Bereits während der Fahrt auf der Autobahn zwischen Florenz und Pisa gewinnt man einen ersten Eindruck und lässt sich das enorme Ausmass der Stellflächen der örtlichen Baumschulen erahnen. Tausende Reihen verschiedenster Pflanzen säumen beide Seiten der Fahrbahn. Im Herzen der Region Toskana erblühte bereits vor über 150 Jahren das Geschäft mit der Pflanzenaufzucht, das heute in der Beschäftigung (direkt oder indirekt) von nahezu 10 000 Personen gipfelt. Bis zu 4000 Lkw-Ladungen Pflanzen, die in über 50 Länder geliefert werden, verlassen jährlich die Region.
Einer dieser erfolgreichen Betriebe ist Vannucci Piante mit Hauptsitz in Quarrata. Das in dritter Generation von der Familie Vannucci geführte Unternehmen beschäftigt 356 Angestellte. Gemäss unserem «Reiseführer» Johan Verbrugghen, Verkaufsleiter für die Schweiz, Deutschland, Belgien, die Niederlande und Luxemburg, summiert sich die Zahl der Beschäftigten auf 1200 Stellen, wenn sämtliche Zulieferer, Produzenten und sonstigen Mittätigen eingerechnet werden. Auf einer Gesamtfläche von 650 Hektaren wachsen hier des Gärtners wahr gewordenen Träume in die Höhe. Besonders ansprechend ist der 3000 m2 grosse Showroom, in dem das gesamte in Containern kultivierte Sortiment ganzjährig zu besichtigen ist. Längst nicht alle dieser Gattungen und Arten gedeihen in unserem Klima in der Schweiz. Wer es etwas grösser mag, dem sei die Besichtigung des sieben Hektaren grossen Solitärparks mit 1200 Einzelexemplaren empfohlen. In Töpfen und Kübeln von bis zu 2,3 Meter Durchmesser werden Solitäre der besonderen Art gezeigt. Hervorzuheben sind hier sicherlich die verschiedenen Formpflanzen, die durch ein Drahtgerüst gestützt und kunstvoll in verschiedene Tierformen gebracht werden. Dafür wird Ligustrum delavayanum verwendet, der sich durch schnellen Wuchs, gute Schnittverträglichkeit und sattes Grün auszeichnet.
Während unserer Besichtigung stach vor allem eines ins Auge: Ordnung und Sauberkeit, wo man nur hinblickt. Man konnte den Blick durch die fast mit chirurgischer Präzision erstellten Reihen der Containerpflanzen schweifen lassen, das verschiedenste Grün wollte kein Ende nehmen. Trotz der riesigen Fläche pflegt Vannucci Piante sein Credo der Nachhaltigkeit und bemüht sich um einen schonenden Umgang mit den zur Verfügung stehenden Ressourcen. Durch den nicht zuletzt aus rechtlicher Sicht stark kontrollierten Pflanzenschutz wird allfälliger Schädlings- oder Krankheitsbefall gezielt bekämpft. Da man gerade in einer Baumschule diesbezüglich grosse Vorsicht an den Tag legen muss, arbeitet Vannucci Piante eng mit einem Labor in Pisa zusammen. Bei einem allfälligen Befall kann so die Ursache schneller erkannt und effektiver behandelt werden.
Eine ebenso grosse Herausforderung stellt die Wasserversorgung dar. Die unzähligen Pflanzen benötigen in 24 Stunden bis zu 30 Millionen Liter Wasser. Ein ausgeklügeltes Bewässerungssystem gewährleistet die permanente Verfügbarkeit des Lebenselixiers, das aus örtlichen Quellen und Flüssen stammt. Um derart grosse Mengen bereithalten zu können, erstrecken sich immer wieder grosse Wasserbecken über das Gelände, das grösste fasst 18 Millionen Liter Wasser und ist 11 Meter tief.
Auch in Sachen Substrate geht das Unternehmen den Weg der Nachhaltigkeit, verabschiedet sich vom Torf und setzt auf Kokosfasern. Diese bieten einen optimalen Luft- und Wasserhaushalt und sind als Abfallprodukt der Kokosindustrie jederzeit verfügbar. Für uns stellt sich die Frage, wie sich solche Pflanzen in unseren relativ schweren Böden akklimatisieren.
Piante Mati – Baumschule mit Tradition und exklusiven Gartenplanungen
Zum Abschluss unserer Studienreise besuchten wir die Baumschule der Mati-Gruppe in Pistoia. Francesco Mati, einer der drei Mati-Brüder, der die Piante Mati in der vierten Generation leitet, empfing uns auf seinem Anwesen, um das Unternehmen vorzustellen. Gegründet 1909 als Baumschule, etablierte sich das Unternehmen über die Jahrzehnte hinweg als der Ansprechpartner in Italien, wenn es um die Planung und Realisierung von Gärten für die vermögende Oberschicht geht. Am Stammsitz in Pistoia werden rund 30 Mitarbeitende beschäftigt. Die firmeninterne Akademie bietet Weiterbildungskurse an. Im Bereich der Planung ist das Unternehmen neben nationalen Projekten auch international tätig. Als Anlaufstelle für ein Praktikum ist das Planungsbüro der Mati-Gruppe bei Studierenden der Landschaftsarchitektur sehr beliebt. Ein erst seit Kurzem firmenintern gegründetes Restaurant rundet das Angebot der Piante Mati am Standort in Italien ab.
In seinem Vortrag stellte uns Franceso Mati vor allem seine realisierten und selbst geplanten Projekte vor. Das Spektrum reichte von einem bislang noch nicht realisierten Garten auf einem Yachtboot über Gärten in Paris oder Monaco bis hin zu Villengärten in Italien. Es wurde betont, dass bei bestimmten Projekten wie beim Bau der «largest green wall» in Paris die Ausführungsarbeiten nur nachts vollzogen werden konnten.
Fortschrittlich und zukunftsweisend arbeitet und plant die Mati-Gruppe im Bereich des Wassermanagements. So wird mithilfe von Klimamessungen und Bodenanalysen versucht, die Bewässerung in den jeweiligen Gartenanlagen auf ein Minimum zu beschränken.
Im Anschluss an den Vortrag wurden wir auf einen Rundgang über das Firmengelände eingeladen. In einem eher abseits gelegenen, der Strasse zugewandten Teil der Baumschule eröffnete sich ein für Mittelitalien ungewohnter Anblick. Üppiges Grün, bestehend aus Bäumen, Sträuchern und Staudenrabatten, sowie die grosszügige Rasenfläche zauberten die Illusion einer weitläufigen Parklandschaft. Die für die Region Toskana eher untypischen Staudenpflanzungen sorgten dabei für eine harmonische Abrundung.
Techniker HF Bauführung Vertiefung GaLaBau
Die Weiterbildung an der Technikerschule HF der Gartenbauschule Oechberg umfasst vier Semester Vollzeitstudium sowie zwei ergänzende Betriebspraktika. Die Schwerpunkte der Weiterbildung auf Stufe Höhere Fachschule (HF) liegen im betriebswirtschaftlichen, bauführungs- und praktisch-technischen Bereich.
www.oechberg.ch
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