Corona, Ukraine-Krieg, blockierte Transportwege weltweit: In den letzten Monaten haben verschiedene globale Ereignisse zu Folgen von internationaler Tragweite geführt. Dazu zählen z. B.eine Verknappung von Rohmaterialien sowie elektronischer Bauteile wie Comuterchips. Auch der Bedarf an Arbeitskräften steigt immer mehr. «Bereits seit 2020 haben sich diese Trends verstärkt», berichtete Oliver Fritschi, Anwalt bei Probst Partner AG in Winterthur, anlässlich seines Vortrages über Lieferengpässe, Verzögerungen und Preiserhöhungen als Herausforderungen für KMU-Betriebe am Herbstanlass der Fachsektion Gartenbau von JardinSuisse.
Fachkräftemangel als Herausforderung
Der Mangel an Fachkräften betrifft bekanntlich viele Branchen, auch die Gartenbaubetriebe. Laut Fritschi sind der Rückgang der Migration wie auch die Tatsache, dass derzeit mehr Berufstätige in Pension gehen als neue Arbeitskräfte in den Arbeitsmarkt eintreten, die Hauptgründe für diese Entwicklung. Ferner beeinflusse der Wunsch nach einer besseren «Work-Life-Balance» die Tendenzen auf dem Arbeitsmarkt: «Immer mehr Leute arbeiten Teilzeit, weniger sind bereit, für einen Beruf ihr ganzes Privatleben unterzuordnen. Dies ist ein Langzeittrend», beobachtet Fritschi. In der Logistik haben sich die Transportzeiten in den letzten Monaten beinahe verdreifacht – u. a. wegen des Fachkräftemangels in dieser Branche oder auch aufgrund von blockierten internationalen Verkehrswegen. Als Folge davon ist es zu massiven Kostensteigerungen gekommen. Vor allem die Baubranche kämpfe, so Fritschi, mit stark gestiegenen Baumaterialkosten. Holz oder Metall etwa sind zu einem knappen und kostbaren Gut geworden.
Wie bei Lieferproblemen reagieren?
Lieferprobleme oder gar -ausfälle bringen wirtschaftliche und rechtliche Herausforderungen mit sich. Wie sollen KMU-Betriebe darauf reagieren? Der Referent wies darauf hin, dass sich Lieferprobleme rechtlich mithilfe eines Anwalts oder gar mit einem Gerichtsprozess nur in den seltensten Fällen lösen lassen. «Man kann jedoch die schlechte Situation entschärfen, indem man mit dem Lieferanten nach einvernehmlichen Lösungen sucht oder Argumentarien für (Nach-)Verhandlungen sammelt, um z. B. eine verfahrene Situation aufzulösen.» Dadurch senke man die Prozessrisiken. Gerichtsverfahren zu solchen Themen seien zudem extrem selten. 80 % der bestehenden Verträge werden laut Fritschi kaum je konsultiert, für nur 1 % der Fälle wird ein Rechtsberater beigezogen, ganz selten kommt es zu einem Gerichtsverfahren. «Vier von fünf Gerichtsfällen enden in einer Einigung», berichtete der Anwalt. Ein Rechtsstreit binde interne Ressourcen, ohne dass am Ende einer Verhandlung das Problem gelöst sei.
Wann ist ein Vertrag zustande gekommen?
«Verträge müssen nicht immer schriftlich sein», betonte Fritschi und sprach von einem «immateriellen Konzept». Schriftliche Verträge seien lediglich Beweismittel, dass der Vertrag abgeschlossen wurde. Doch gerade im «B-to-B-Bereich» würden viele Verträge ohne schriftliche Dokumente abgeschlossen. «Die Vertragspartner verhalten sich so, als würde ein Vertrag bestehen. Man muss sich natürlich einig sein über alle Vertragspunkte, sonst kommt kein Vertrag zustande.» Bei einer Offerte hingegen, die vom Kunden angenommen, aber auf seinen Wunsch hin mit einer Teuerungsklausel versehen sein sollte, ist der Vertrag bzw. die Offerte laut Fritschi nicht angenommen. «Hier braucht es eine neue Offerte. Offerte und Auftragsbestätigungen sollten miteinander korrespondieren.» Ein E-Mail-Verkehr zwischen Kunde und Dienstleister oder Lieferant allein gilt rechtlich nicht als Vertrag und ist daher nicht verbindlich. Deshalb sollte man als Lieferant oder Dienstleister auf einer Verbindlichkeit beharren, gab der Referent zu bedenken.
AGBs und Liefertermine als Vertragsbestandteile?
Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) können Teil eines Vertrags sein, sofern die Vertragspartner zustimmen und die Möglichkeit haben, die AGBs zu lesen. Ansonsten sind sie laut Fritschi nicht Bestandteil des Vertrags. Häufig geben Lieferfristen Anlass zu Diskussionen – besonders dann, wenn sie nicht eingehalten werden können. Sollen Liefertermine im Vertrag klar definiert werden? «Ja», findet Fritschi. Denn: «Je weniger Unsicherheiten man im Vertragsverhältnis haben will, umso klarer definiert man dieses Thema.» Hierzu ein Beispiel aus der Praxis: Ein Gartenbauunternehmen hat Betonsteine auf ein bestimmtes Datum hin mit entsprechender Auftragsbestätigung bestellt. Doch der Lieferant kann nicht liefern. «Dies ist ein Vertragsbruch», kommentierte Fritschi. Hier könne der Gartenbauer eine Realvollstreckung mit Bussenandrohung verlangen.
Die Konventionalstrafe befreit von der aufwändigen Beweisführung. Dabei kann die Konventionalstrafe an den Lieferanten weitergegeben werden.
Konventionalstrafe und Schadensersatz
Wenn der Werkvertrag zwischen dem Endkunden und dem Gartenbauunternehmen eine Konventionalstrafe vorsieht, läuft es bei Lieferproblemen unter Schadensersatz. Dieser sei jedoch oft schwer zu beziffern bzw. muss bewiesen werden, sagte Fritschi und betonte: «Die Konventionalstrafe befreit von der aufwändigen Beweisführung. Dabei kann die Konventionalstrafe an den Lieferanten weitergegeben werden.» Auch das Gartenbauunternehmen könne gegenüber dem Lieferanten ein Schadensersatzanspruch geltend machen, doch dieser müsse bewiesen werden. Ein Tagesrapport der eingeplanten Mitarbeitenden reiche nicht als Beweis. «Man muss u. a. aufzeigen können, welchen Gewinn man bei dieser Arbeit hätte erwirtschaften können.»
Nachträgliche Vertragsanpassung
Wie kommt man aus einem Vertrag heraus, den man wegen veränderter Umstände nicht mehr weiterführen will? Eine nachträgliche Vertragsanpassung auf dem Verhandlungsweg ist laut Fritschi der häufigste Fall und der effizienteste Weg. Gemäss der vertraglichen Anpassungsklausel könne man diesen Schritt bereits vorausschauend regeln. «Das Gericht hat die Möglichkeit, bei extremen Voraussetzungen rund um das Vertragsverhältnis die Inhalte anzupassen», erklärt Fritschi. Die Änderungen dürften allerdings nicht bereits vor Vertragsabschluss eingetroffen oder vorhersehbar gewesen sein. Voraussetzung für einen Gerichtsentscheid sei ein grobes Missverhältnis zwischen Leistungen und Gegenleistung, z. B. bei einer Preiserhöhung um das Fünffache oder wenn die Fortführung des Vertrages für eine Vertragspartei unzumutbar wäre.
Anpassungsmechanismen vorsehen
In einer Leistungskette sind die Interessen je nach Vertragspartner unterschiedlich. Eine vertragliche Bindung von Details ist nicht immer im Interesse aller, gab Fritschi zu bedenken. Als Bauherr sei man gut beraten, keinen Anpassungsmechanismus vorzusehen und einen möglichst genauen Vertrag zu verlangen. Hersteller sollten in ihren Verträgen möglichst wenig «Commitments» machen, besonders in Zeiten von Versorgungsengpässen. Besser sei, so der Anwalt, ein Rahmenvertrag; jede einzelne Bestellung müsse dann jedoch nochmals separat vereinbart werden. Als Zwischenhändler sollten Gartenbauunternehmen eine Synchronisation zwischen Bezugsvereinbarung und Liefervereinbarung anstreben. In Submissionen könnten Anpassungsmechanismen bewusst vorgesehen werden.
Mahnen und Nachfrist setzen
Wie sollten sich Unternehmen verhalten, wenn der Lieferant nicht liefern kann, jedoch kein fixer Liefertermin im Vertrag vereinbart wurde? Fritschi empfahl, den Lieferanten schriftlich zu mahnen und ihn zur Erfüllung seiner Leistung aufzufordern. «In der Mahnung muss eine angemessene Nachfrist gesetzt werden, ausser, wenn diese Frist von Anfang an als nicht realistisch erscheint.» Kann der Lieferant nicht rechtzeitig liefern, kann der Unternehmer auf die Lieferung verzichten und Schadenersatz verlangen. Höhere Gewalt bei Lieferschwierigkeiten geltend zu machen, ist laut Fritschi schwierig. «Dies Klausel kann zwar im Vertrag vorgesehen und definiert werden, doch vor Gericht muss die höhere Gewalt von besonders ungewöhnlicher Natur sein, damit sie als solche anerkannt wird. Es bleibt somit eine Auslegungsfrage.» Zu solchen Fällen gebe es in der Schweiz kaum Gerichtsentscheide, die man heranziehen könnte. «Meist lohnen sich derartige Gerichtsprozesse erst ab einer Schadensnummer von 50 000 Franken. Die aussergerichtlichen Verhandlungen sind im Gegenzug oft effizienter.» |
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